Diagnose ICD 10 und Jellinek-Schema

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Max

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Alkoholabstinenz, Diagnose nach ICD 10

Oftmals stellt sich nach einer Trunkenheitsfahrt die Frage, ob es in Zukunft mit Abstinenz oder mit kontrolliertem Alkoholkonsum weiter gehen soll.

Zunächst ist hierzu zu sagen, dass es Fälle gibt, in denen zwingend Alkoholabstinenz erforderlich ist. Das ist in jedem Fall dann der Fall dann so, wenn eine Alkoholabhängigkeit bereits diagnostiziert wurde oder in einer Begutachtung nach ICD 10 diagnostiziert werden kann. In diesem Fall ist in der Regel eine erfolgreich abgeschlossene Entwöhnungstherapie zu fordern und eine anschließende zumindest einjährige durch medizinische Befunde nachgewiesene Alkoholabstinenz. Weiterhin ist in dem Fall auch eine Nachsorge erforderlich.

Diagnostiziert wird Abhängigkeit gemäß ICD 10 nach diesen Kriterien:

Diagnostiziert wird Abhängigkeit gemäß ICD 10

International Classification of Deseases, 10. Ausgabe.
Die Gruppe F10 beschreibt psychische Störungen und Verhaltensstörungen durch Alkohol.


-> F10.0 Akute Intoxikation (akuter Rausch)

Zustand nach Alkoholaufnahme mit Störung der Bewusstseinslage, die in direktem Zusammenhang mit der akuten ich weis doch, dass ich nichts weis !!!! Wirkung steht und bis zur vollständigen Wiederherstellung mit der Zeit abnimmt, ausgenommen Fälle, bei denen Gewebeschädigungen oder andere Komplikatiuonen (Delir, Koma, etc.) auftreten.

-> F10.1 Schädlicher Gebrauch

Alkoholkonsum, der zur Gesundheitsschädigung führt (z.B. depressive Episoden nach massiven Alkoholkonsum).

-> F 10.2 Abhängigkeitssyndrom

Gruppe von Verhaltens-, kognitiven und körperlichen Phänomenen, die sich nach wiederholtem Konsum entwickeln. Starkes Verlangen nach Alkohol, Schwierigkeiten der Konsumkontrolle, Toleranzentwicklung.

-> F10.3 Entzugssyndrom

Gruppe von Symptomen unterschiedlicher Art und Schwere beim Alkoholentzug mit zeitlich begrenzter Daür.

-> F10.4 Entzugssymptom mit Delir

Delirium tremens

-> F10.5 Psychotische Störung

Halluzinogene Wahrnehmungsstörungen, psychomotorische Störungen (Alkoholhalluzinose, Alkoholische Paranoia, Alkoholpsychose).

-> F10.6 Amnestisches Syndrom

Beeinträchtigung des Kurz- und Langzeitgedächtnisses und des Zeitgefühls. lernschwierigkeiten und Konfabulation. Korsakow-Syndrom.

-> F10.7 Restzustand und verzögert auftretende psychotische Störung

Veränderungen der kognitiven Fähigkeiten, der Persönlichkeit und des Verhaltens die über den Zeitraum der Substanzeinwirkung hinausgehen (z.B. Alkoholdemenz).

-> F10.8 Sonstige psychische und Verhaltensstörungen

-> F10.9 Nicht näher bezeichnete psychische und Verhaltensstörungen

Für die Diagnose der Alkoholabhängigkeit (F10.2) wird in der Regel ein Katalog von 8 Kriterien (IFT98) oder 6 Kriterien (WHO97) herangezogen. Bei Erfüllung von mindestens 3 Kriterien ist eine Alkoholabhängigkeit gegeben. Dabei treten statistisch gehäuft eine verminderte Kontrollfähigkeit und Toleranzentwicklung in Erscheinung.

Die 8 Kriterien ....

1.Ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, Alkohol zu konsumieren

2.Verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich Beginn, Beendigung und Menge des Alkoholkonsums

3.Alkoholkonsum mit dem Ziel, Entzugssymptome zu mildern und der entsprechenden positiven Erfahrung

4.Ein körperliches Entzugssyndrom

5.Nachweis einer Toleranz. Um die ursprünglich durch niedrige Dosen hervorgerufene Wirkung zu erreichen, sind zunehmend höhere Dosen erforderlich, die bei Konsumenten ohne Toleranzentwicklung zu schweren Beeinträchtigungen oder gar zum Tode führten.

6.Ein eingeengtes Verhaltensmuster im Umgang mit Alkohol, wie z.B. die Tendenz, Alkohol an Werktagen wie an Wochenenden zu trinkenund die Regeln eines gesellschaftlich üblichen Trinkverhaltens ausser acht zu lassen.

7.Fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen und Interessen.

8.Anhaltender Alkoholkonsum trotz Nachweis eindeutiger schädlicher Folgen.




Die Entwicklung einer Abhängigkeit beschreibt JELLINEK wie folgt:

http://www.loleh.de/html/jellinek-schema.html



Alkoholabstinenz ist auch in allen anderen Fällen zwingend zu fordern, in denen noch keine Abhängigkeit bestand, jedoch dem Betreffenden ein kontrollierter Umgang mit Alkohol nicht (mehr) zuverlässig zugetraut werden kann.

Zunächst ist hierzu zu sagen, dass kaum ein Gutachter kontrolliertes Trinken bei mehr als 2,5 Promille noch durchgehen lassen wird. Weitere Aspekte bezüglich des Deliktes, die zu einer Abstinenzforderung herangezogen werden sind die Fahrstrecke und die Tageszeit der Auffälligkeit sowie der Aspekt, ob es schon mal eine frühere Trunkenheitsfahrt oder eine Begutachtung wegen Alkohol gab.

Aus gutachterlicher Sicht ist davon auszugehen, dass jemand, der die Fähigkeit zur Kontrolle des Alkoholkonsums bereits verloren hat, diese auch nicht wieder erwerben kann. Kontrollfähigkeit ist in jedem Fall nicht mehr vorhanden, wenn du das Gefühl hast, nicht du kontrollierst den Alkohol, sondern der Alkohol bestimmt, wie viel du trinkst: Das ist die Gier, nicht genug bekommen zu können, nur auf den Zeitpunkt zu trinken zu warten.

Dass die Kontrollfähigkeit nicht mehr bestand, lässt sich aufgrund folgender Anhaltspunkte feststellen:

* Du hast immer wieder trotz guter Vorsätze getrunken, bis dir deine eigene Alkoholverträglichkeit (an der Theke eingeschlafen, Erbrechen) oder äußere Bedingungen (Kneipe geschlossen, kein Geld mehr für Alkohol, kein Alkohol mehr zur Verfügung) eine Grenze gesetzt haben.

* Du konntest nicht einfach mal losgehen und den Alkoholkonsum auf 2 Bier begrenzen und hast daher das Trinken von Alkohol beim Ausgehen lieber ganz vermieden, damit es nicht eskaliert.

* Auch wenn du am Folgetag etwas wichtiges vorgehabt hast, ist es dir nicht gelungen, den Alkoholkonsum zu begrenzen.

* Auch das Vorglühen vor Feiern kann ein Hinweis sein: Wenn du vor Feiern lieber schon mal etwas getrunken hast, damit du dann bei der Feier nicht mehr so viel trinken musstest.


Hingegen ist kontrolliertes Trinken durchaus möglich, auch wenn es in der Vergangenheit zu Filmrissen, Erbrechen oder anderen üblichen Anzeichen von Kontrollverlust gekommen ist, wenn davon auszugehen ist, dass dieses noch einer Steürungsfähigkeit unterlag.

- Davon ist z. B. dann auszugehen, wenn im Sinne von Imponiergehabe das so genannte Komasaufen angesagt war, wenn der Betreffende also willentlich so viel getrunken hat wie eben rein ging.

- Auch Filmrisse in der Jugend, in einer Zeit, in der der Betreffende noch mehr oder weniger mit Alkohol experimentiert hat, da er sich einfach mit der Wirkung noch nicht ausgekannt hat, sind kein Anzeichen für tatsächlichen Kontrollverlust.


Wenn ihr diese Aspekte in bezug auf die eigene Person überdenkt, ist jedoch wichtig, dass ihr ehrlich zu euch selbst seid, dass ihr euch also nicht selbst vormacht, dass ihr es ja so gewollt habt. Das, was hier beschrieben ist, gilt ausschließlich für sehr junge Leute, die noch keine erhebliche Trink-Vorgeschichte aufweisen.

Natürlich darf auch jeder abstinent leben, auf den diese hier beschriebenen Kriterien nicht zutreffen, der demnach nicht zwingend abstinent leben muss. In einem solchen Fall müsstest du deinem Gutachter die Vorteile erklären können, die der absolute Alkoholverzicht, der harte Schnitt für dich persönlich gegenüber dem kontrollierten Trinken hat.
 
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