Die Rechtsgrundlagen der MPU

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Nancy

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Die Rechtsgrundlagen der MPU

In der jüngeren Vergangenheit wurde für etwa 0,2% aller Inhaber einer Deutschen Fahrerlaubnis eine medizinisch psychologische Untersuchung angeordnet.
Zu ihrem besseren Verständnis erörtern wir an dieser Stelle Schritt für Schritt die einzelnen Vorgänge unter rechtlichen Gesichtspunkten an einem fiktiven Beispielsfall.

Weiter unten finden Sie eine kompakte Übersicht aller rechtlichen Grundlagen mit Bezug zur Erteilung und Entziehung der Fahrerlaubnis und zur Anordnung einer MPU.


0. Verwendete Abkürzungen


  • Abs. - Absatz
  • Art. - Artikel
  • BtMG - Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln
  • FeV - Fahrerlaubnis Verordnung
  • ff. - Fortfolgende
  • i.V.m. - in Verbindung mit
  • MPU - Medizinisch Psychologische Untersuchung
  • StGB - Strafgesetzbuch
  • StVG - Straßenverkehrsgesetz
  • VwVfG - Verwaltungsverfahrensgesetz
  • VwGO - Verwaltungsgerichtsordnung

1. Das Überschreiten der rechtlichen Grenzen

Fiktiver Beispielsfall
Herr X nimmt an einem Freitag im Dezember an der Weihnachtsfeier seiner Abteilung teil. Sein Arbeitgeber gehört zu den Gewinnern des Wirtschaftsaufschwungs und so kann sich auch Herr X vor Arbeit kaum retten. Vom Schreibtisch geht es direkt zur Feierlichkeit. X nimmt die Veranstaltung zum Anlass, gleich seinen erst wenige Tage zurückliegenden Geburtstag zu begießen. Im Verlauf des gelungenen Abends trinkt er neben Bier auch einige erlesene hochprozentige "Kurze".
Als X sich später ein Taxi rufen möchte, fällt ihm ein, dass er seinen Kombi ja zum morgen Vormittag geplanten Ausflug mit seiner Familie zu einem einschlägigen schwedischen Möbelhaus benötigt. Die Nacht würde ohnehin kurz genug werden und dann morgen früh noch den Wagen abholen?
"Was soll's" denkt sich Herr X "zu meinen wilden Zeiten bin ich jede Woche so gefahren und wurde nie erwischt".
Herr X verabschiedet sich von den verbliebenen Kollegen und biegt nach einer Ehrenrunde über den verschneiten Firmenparkplatz auf die Landstraße richtung Heimat ein.

Die knapp 30 Kilometer bis in seinen Stadtteil legt X zumindest unfallfrei zurück, als er auf den letzten Metern auf die hinter ihm aufleuchtenden Lichthupe aufmerksam wird. Ein zweiter Blick in den Rückspiegel und eine auf dem Fahrzeugdach der Verfolger montierte Anzeigentafel verraten ihm die genaueren Absichten: Er möge doch bitte mal anhalten.

Die Dinge nehmen ab jetzt ihren unvermeidlichen Lauf. X muss sich vor dem Amtsgericht nach § 316 StGB wegen Trunkenheit im Verkehr verantworten. Die von den Polizisten verzeichneten Fahrfehler waren ihm gar nicht aufgefallen.

Zwischenergebnis: Herr X hat durch seine Promille- bzw. Trunkenheitsfahrt gegen geltendes Recht verstoßen. Anders als etwa bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung würde man in diesem Fall in aller Regel Vorsatz unterstellen. Dies wirkt sich ungünstig auf das Strafmaß aus.

2. Die Rechtsfolgen der Tat

Neben der Strafe für seine Alkoholfahrt muss das Gericht dem X seine Fahrerlaubnis nach § 69 StGB entziehen und eine Sperrfrist bis zur möglichen Neuerteilung einer Fahrerlaubnis festsetzen.
Rechtsgrundlage für die Sperrfrist ist § 69a Abs. 1 StGB. Sie kann zwischen 6 Monaten und 5 Jahren betragen, in Ausnahmefällen sogar ein Leben lang.

Von dem Entzug der Fahrerlaubnis ist das Fahrverbot streng zu trennen. Mehr dazu hier

Im übrigen gibt es vielfältige Möglichkeiten, mit Relevanz für die Fahrerlaubnis gegen die Rechtsordnung zu verstoßen. Die häufigsten sind:

- Alkohol am Steuer (§ 316 StGB / § 315c Abs. 1 Nr. 1 StGB / § 69 Abs. 1 StGB i.V.m. § 2 Abs. 4 StVG / § 24a Abs. 1 StVG)

- Alkoholwerte über 1,6 Promille auf dem Fahrrad (§ 316 StGB)

- Alkoholwerte über 0,3 Promille in Verbindung mit Fahrfehlern auf dem Fahrrad (faktisches Ermessen der Polizei) (§ 315c Abs. 1 Nr. 1 StGB)

- Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, nicht notwendig in Verbindung mit dem Straßenverkehr (etwa §§ 29 ff BtMG)

- Wiederholte Regelverstöße im Straßenverkehr (div. Vorschriften der StVO)

- Wiederholte Straftaten, die auf besonders hohe Aggressivität und/oder mangelhafte Impulskontrolle des Täters schließen lassen (div. Vorschriften u.a. des StGB)

- Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1, 2 StVG)

Im Einzelfall mag sich an dieser Stelle die Berufung oder Revision gegen das erstinstanzliche Urteil anbieten; genaueres verrät ihnen der Anwalt ihres Vertrauens.
Im unserem Fall ergeben Berufung oder Revision für Herrn X keinen Sinn, er muss mit der ausgesprochenen Strafe leben.

Zwischenergebnis: Das Gericht hat Herrn X seine Fahrerlaubnis entzogen. Auch wenn die verordnete Sperrfrist abgelaufen ist, darf er nicht automatisch wieder Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr führen.

3. Das Wiedererlangen der Fahrerlaubnis

Während seiner Sperrfrist hat Herr X die Vorzüge des öffentlichen Nahverkehrs kennen gelernt und wünscht sich nun um so mehr seine Fahrerlaubnis zurück. Also beantragt er bei der zuständigen Behörde eine neue Fahrerlaubnis.
Die Voraussetzungen zur Erteilung einer Fahrerlaubnis sind in § 2 StVG geregelt. Dieser besagt unter anderem, dass der Antragsteller zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sein muss.
Gem. § 2 Abs. 4 StVG ist zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat.

Die Fahrerlaubnisbehörde trifft nun nach § 2 Abs. 7 StVG die Pflicht, herauszufinden, ob der Antragsteller im konkreten Fall zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist. Sollten sich in dieser Hinsicht für die Behörde Zweifel ergeben, greift § 2 Abs. 8 StVG. Dieser besagt, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei Eignungs- oder Befähigungsbedenken des Bewerbers

- ein Gutachten oder Zeugnis eines Facharztes oder Amtsarztes
- ein Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung oder
- ein Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr

anordnen kann, welches innerhalb einer angemessenen Frist beizubringen ist.

Ein Blick in die Akte des Herrn X verrät der Führerscheinstelle, dass dieser wegen einer Fahrt unter erheblichem Alkoholeinfluss verurteilt und eine Sperrfrist verhängt wurde. Allein hieraus ergeben sich für die Behörde Zweifel i.S.d. § 2 Abs. 8 StVG an der Fahreignung des Herrn X.

An diesem Punkt beginnen die Probleme für X und auch für alle anderen Betroffenen. Die Behörde muss ein Gutachten anordnen, um herauszufinden ob X zur Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr geeignet und befähigt ist.

Also teilt die Behörde dem X mit, er habe ein positives Gutachten (MPU) einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung beizubringen, bevor ihm die Fahrerlaubnis erteilt werden könne.
Rechtsgrundlage für die Anordnung eines solchen Gutachtens wiederum ist im Falle einer Alkoholproblematik § 13 FeV.

X ist nun verwirrt. Gutachten? MPU? Muss das sein? X konsultiert einmal mehr seinen Anwalt. Ergebnis: Zumindest gerichtlich kann man nichts dagegen unternehmen.


Exkurs ins allgemeine Verwaltungsrecht

Art. 19 Abs. 4 unserer Verfassung beinhaltet eine Rechtsschutzgarantie gegen Akte von Hoheitsträgern. Wer noch nie mit derartigem Material zu tun hatte, steht hier vor böhmischen Dörfern.
Die im Zusammenhang mit der Fahrerlaubnis relevanten, ggf. gerichtlich anfechtbaren Vorgänge nennen sich Verwaltungsakte. Der Verwaltungsakt ist in § 35 VwVfG legaldefiniert.
Er ist von sog. Realakten zu unterscheiden. Realakte sind beispielsweise eine Behördliche Auskunft, die Fahrt eines Beamten mit einem Dienstfahrzeug usw. Ihnen fehlt die, für einen Verwaltungsakt charakteristische, gegenüber dem Bürger zu entfaltende Regelungswirkung.
In der Regel ist gegen belastende Verwaltungsakte die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO vor dem Verwaltungsgericht statthaft.
Unsere höchstrichterliche Rechtsprechung ist hinsichtlich der Anordnung etwa einer MPU nach § 13 FeV nun aber der Ansicht, diese Anordnung habe noch keine selbstständige Regelungswirkung, sondern diene vielmehr der Vorbereitung einer behördlichen Entscheidung.
Daraus folgt, dass die Anordnung mangels Verwaltungsaktsqualität nicht isoliert anfechtbar ist. Gerichtliches Vorgehen ist erst später gegen den die Erteilung der Fahrerlaubnis versagenden Bescheid, der ein Verwaltungsakt ist, denkbar (wenngleich üblicherweise wenig erfolgversprechend).
Die Behörde teilt X im Rahmen der Anordnung der MPU weiterhin mit, dass sie von einer Nichteignung des X ausgehen wird, wenn Herr X sich weigere, ein Gutachten beizubringen, oder es verspätet vorlege.
Auch dafür gibt es eine gesetzliche Grundlage, welche sich in § 11 Abs. 8 FeV findet.

Möchte X nun weiterhin wieder legal am Straßenverkehr teilnehmen, hat er keine andere Möglichkeit mehr, als die MPU, die wegen seiner Trunkenheitsfahrt angeordnet wurde, in Angriff zu nehmen.

X bereitet sich also angemessen auf die MPU vor. Dann teilt er seiner Führerscheinstelle die von ihm in Koordination mit seinem Berater ausgewählte Begutachtungsstelle mit. Dies ist nach § 11 Abs. 6 FeV vorgeschrieben. Die Führerscheinstelle übersendet der gewählten Begutachtungsstelle dann die für Herrn X notwendige Fragestellung für seine MPU. Schließlich wird ein Termin mit der Begutachtungsstelle für die Untersuchung vereinbart.

Für das happy end: X meistert die MPU beim ersten Anlauf positiv und räumt damit die Zweifel der Fahrerlaubnisbehörde an seiner Fahreignung aus. Eine neue Fahrerlaubnis wird Herrn X umgehend erteilt.



Kompaktübersicht - Die Rechtsgrundlagen der MPU


1. Notwendige Voraussetzung zur Anordnung eines Gutachtens / einer MPU: Verstoß gegen die Rechtsordnung

Ein ärztliches Gutachten oder die MPU werden nur bei vorangegangenem Verstoß gegen die Rechtsordnung angeordnet.
In Betracht kommt die Verletzung von strafrechtlichen Normen (StGB), die entweder im Zusammenhang mit dem Führen eines Fahrzeugs vonstatten ging, oder auf besonders hohe Aggressivität bzw. mangelnde Impuslkontrolle schließen lässt.
Weiterhin ist das Zuwiderhandeln gegen straßenverkehrsrechtliche Normen (StVG) zu berücksichtigen.
Vorschriften des Gesetzes über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (BtMG) sind, wenn sie vom Betroffenen missachtet wurden, ebenfalls tauglicher Anordnungsgrund. Vergleiche insbesondere § 14 Abs. 1 Nr. 3 FeV!
Weitere atypische Einzelfälle sind möglich, etwa: Alkoholisiert ein Boot / Flugzeug oder eine Bahn führen oder im Zusammenhang mit diesen eine Straftat begehen.

2. Die einzelnen Rechtsgrundlagen zur Anordnung eines Gutachtens / einer MPU

§ 13 i.V.m. Anlagen 4 und 5 FeV: Ordnet Gutachten (§ 11 Abs. 2 Satz 3 FeV) oder medizinisch psychologische Untersuchung bei Alkoholproblematik an.

§ 14 i.V.m. Anlagen 4 und 5 FeV: Ordnet Gutachten (§ 11 Abs. 2 Satz 3 FeV) oder medizinisch psychologische Untersuchung bei Eignungszweifeln hinsichtlich Betäubungsmitteln und Arzneimitteln an.


§ 11 Abs. 3 FeV: Ordnet medizinisch psychologische Untersuchung an wenn

1. nach Würdigung eines Gutachtens nach § 11 Abs. 2 oder Abs. 4 FeV eine MPU zusätzlich erforderlich erscheint

2. dies zur Entscheidungsvorbereitung der Befreiung von Vorschriften über das Mindestalter erforderlich erscheint

3. dies bei erheblichen Auffälligkeiten, die im Rahmen einer Fahrerlaubnisprüfung nach § 18 Abs. 3 FeV mitgeteilt worden sind erforderlich erscheint

4. dies bei einem erheblichen Verstoß oder wiederholten Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften erforderlich erscheint

5. dies bei einer erheblichen Straftat, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr steht oder bei Straftaten, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen erforderlich erscheint

6. dies bei einer erheblichen Straftat, die im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung steht, insbesondere wenn Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotenzial bestehen oder die erhebliche Straftat unter Nutzung eines Fahrzeuges begangen wurde erforderlich erscheint

7. dies bei Straftaten, die im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung stehen, insbesondere wenn Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotenzial bestehen erforderlich erscheint

8. die besondere Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen nach § 11 Abs. 1 FeV zu überprüfen ist oder wenn

9. bei der Neuerteilung der Fahrerlaubnis die Fahrerlaubnis wiederholt entzogen war oder der Entzug der Fahrerlaubnis auf einem Grund nach den Nummern 4 bis 7 beruhte.


§ 2a Abs. 4 StVG: MPU kann auch bei Fahranfängern in der Probezeit angeordnet werden, wenn Zuwiderhandlungen gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften Anlass zu der Annahme geben, der Betroffene sei ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen.

§ 2a Abs. 5 StVG: MPU ist anzuordnen, wenn ein Fahranfänger, dem die Fahrerlaubnis bereits einmal entzogen wurde, in der zweiten, neuen Probezeit die in dieser Vorschrift (StVG) bezeichneten Verstöße begeht.

§ 4 Abs. 10 Satz 3 StVG: MPU ist in der Regel bei Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis anzuordnen, wenn diese wegen überfülltem Punktekonto entzogen wurde.

§ 10 Abs. 2 i.V.m. Analgen 4 und 5 FeV: MPU ist beizubringen, falls das Mindestalter der entsprechenden Führerscheinklasse unterschritten wird.


Quelle: MPU Nord
 
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