Exploration
8. Wann hatten Sie den ersten Kontakt mit Alkohol und wann haben Sie das erste Mal Alkohol zu sich genommen?
(Allererste Erinnerung und erster Konsum)
Ich lebte bis zu meinem 5. Lebensjahr mit meiner Mutter, meinem Vater und meinen drei Geschwistern zusammen bis sich meine Eltern im Jahr 1992 scheiden ließen. Anschließend zogen wir in einen ca. 30 km entfernten Ort, also in ein komplett neues Umfeld, neuer Kindergarten. Es hieß also Neuanfang und neue Freunde finden. Meinen Vater sah ich aufgrund der Differenzen mit meiner Mutter über 2 Jahre kaum.
Meine Mutter heiratete schließlich zum zweiten Mal, als ich 7 Jahre alt war. Ein weiterer Umzug, allerdings im selben Ort stand an.
Hier kam ich das erste Mal bewusst, allerdings indirekt, mit Alkohol in Berührung. Denn der neue Mann meiner Mutter trank regelmäßig und war oftmals bereits mittags betrunken. Rückblicken ist dies eine schreckliche Erinnerung. Ich habe mir fest vorgenommen meinen Kindern und meiner Frau solche Erfahrungen zu ersparen.
Meinen ersten aktiven Kontakt mit Alkohol hatte ich kurz vor meinem 17. Geburtstag als ich mit Freunden im Sommer bei einem Camping-Ausflug war. Hier habe ich 3 Cola-Bier getrunken.
9. Haben Sie regelmäßig Alkohol getrunken, und wie hat sich ihr Trinkverhalten in den letzten Jahren entwickelt?
Bis ich 19 Jahre alt war spielte ich aktiv und meiner Meinung nach sogar sehr gut Fußball. Fußball war zu dieser Zeit sehr wichtig für mich weshalb Alkohol auch eher eine unwichtige Rolle spielte. Ich habe nach Siegen, oder am Wochenende jedoch auch das ein oder andere Bier getrunken, gelegentlich auch einen Longdrink, war aber stets klar im Kopf.
Nach einer Bänderverletzung spielte und trainierte ich weniger. Dies war ausgerechnet in der Zeit als ich in die erste Mannschaft aufrücken sollte.
In den 4 Jahren bis ich 23 Jahre alt war wurde der Sport weniger und ich ging regelmäßig mit Freunden feiern. Hier wurde schon unter der Woche geplant was am Wochenende gemacht wird. Alkohol war zu dieser Zeit ein ständiger Begleiter beim Feiern. In diesen 4 Jahren habe ich fast jedes Wochenende Bier und Longdrinks konsumiert.
2012 habe ich meine jetzige Frau, mit der ich auch 2 Kinder habe, kennengelernt. Wir führen eine harmonische Ehe.
Meine Frau kommt aus XXXX, weshalb ich die Wochenenden oft dort verbracht habe.
Ab dem Zeitpunkt ließ mein Alkoholkonsum automatisch nach. Der Schwerpunkt verlagerte sich von Partys hin zu Unternehmungen mit meiner Frau. Auch zu dieser Zeit habe ich Alkohol konsumiert, allerdings blieb es meist bei 2-3 Bier zum Grillen oder bei einem gemütlichen Abend.
Noch während unseres Hausumbaus 2018 habe ich eine Veränderung meiner Trinkgewohnheiten bemerkt. Allerdings wurde mir das auch erst jetzt nach längerem Überlegen klar. Aus meinem Umfeld kamen keine negativen Anmerkungen. Während des Umbaus gehörten 3 Feierabendbier mit den Helfern dazu. Diese Gewohnheit hatte ich beibehalten und mich auch nach körperlicher Arbeit (Garten/Haus/Hof) mit Bier belohnt.
Während Corona haben wir kaum noch Dinge als Familie unternommen. Abende zum Fußball schauen und Kartenspielen mit Freunden wurden regelmäßiger. Während eines Abends habe ich oftmals 6-8 0,5 L Bier getrunken, in einigen Fällen, wenn der Abend mal länger wurde waren es schon auch 10 Bier á 0,5 L.
Besonders dieses Konsummuster beschäftigt mich jetzt sehr. Hätte ich mir doch schon eher Gedanken über meinen Konsum machen sollen.
10. Wie viel und wie oft haben Sie getrunken?
(Genaue Angaben in Sorte, Menge, Häufigkeit)
16-19 Jahre: Kaum Alkohol, gelegentlich 2-3 Bier oder ein Longdrink (2-3 mal im Jahr)
20-23 Jahre: Höherer Konsum am Wochenende (5-6 Bier, gelegentlich Longdrinks (3-4 mal im Monat)
24-29 Jahre: 3-4 Bier am Wochenende (1x im Monat). Unter der Woche gelegentlich beim Grillen 2 Bier
30-32 Jahre: Auch unter der Woche ca. 3 Bier (2x die Woche) Am Wochenende 5-6 Bier (2 mal im Monat)
33 Jahre: Unter der Woche ca. 3 Bier (3x die Woche), am Wochenende auch mal bis 5-6 Bier (ca. 3 mal im Monat). Es gab aber auch Abende an denen ich an die 10 Bier getrunken habe (ca. alle 2 Monate)
11. Wo und mit wem haben Sie überwiegend getrunken?
Die letzten Jahre überwiegend mit Freunden beim Kartenspielen, Fußballschauen oder einfach so. In Kneipen bin ich eher weniger und für Discos fühle ich mich zu alt und hab dazu auch keine Lust , auf dem Dorf sind die Angebote aber auch beschränkt. Auch trinke ich Abends auf der Terrasse mit meiner Frau mal ein Bier, oder zu einem guten Essen, oder wenn meine Schwiegereltern zu Besuch sind.
Das letzte Jahr vor meiner TF habe ich unter der Woche vermehrt (ca. 3 x die Woche) mit meinem Nachbarn zum Feierabend Bier getrunken. (2-3 Stück á 0,5 L).
12. Warum haben Sie getrunken?
(Innere + äußere Motive)
In den letzten Monaten habe ich mich sehr viel mit mir selbst und dem Thema Alkohol beschäftigt, aber auch mit meiner Trunkenheitsfahrt und dessen Folgen, bzw. was hätte schlimmes passieren können. Ich möchte nochmal wiederholen (finde ich einen sehr wichtigen Punkt).
Denn ich bin glücklich darüber und akzeptiere dies, denn das ist der Grund weshalb ich zu mir selbst finden konnte. Ich konnte sehr viel über die negativen Folgen übermäßigen Alkoholkonsums lernen und welche Schäden dies für Gesundheit und Lebensqualität hat.
Ab 2018 habe ich rückblickend einen erhöhten Konsum festgestellt. Dies wurde mir allerdings wirklich erst im Nachgang bewusst, also jetzt wo ich mich mit meinen damaligen Trinkgewohnheiten außeinander setze und mich selbst kritisch hinterfrage. Durch mein engstes Umfeld gab es keine konkreten Hinweise auf diesen gesteigerten Konsum.
Ich habe oft getrunken wenn ich anstrengende Tätigkeiten verrichtet habe, sozusagen als Belohnung bspw. wenn ich 2 Std. lang unseren Hang gemäht habe oder wenn ich erfolgreiche Projekte im Heimwerkerbereich abgeschlossen habe.
Am Öftesten habe ich allerdings in der Gruppe getrunken, oft beim Fußball schauen oder in kleiner Runde beim Karten spielen. Es gehörte irgendwie dazu und es herrschte eine gewisse Gruppendynamik, welcher ich mich ohne nachzudenken hingab, auch um abzuschalten und über Schwierigkeiten und Probleme zu reden. Da ich eigentlich eine sehr ruhige, fast schon schüchterne Person bin, half mir das Bier offener zu sein und über Dinge zu reden welche mich bedrücken.
Um mein eigentliches Trinkmotiv zu beschreiben möchte ich in meine Kindheit zurückblicken. Als wir das erste Mal umgezogen sind und meine Eltern sich scheiden ließen war ich 4 (1992) Jahre alt. Damals kam ich in einen neuen Kindergarten, das kennen lernen von Freunden viel mir in diesem Alter nicht schwer, es war sozusagen gezwungenermaßen. Wir lebten 2 Jahre alleine mit meiner Mutter, bis sie ihren 2. Mann kennen lernte und wir zu ihm ins Haus zogen (1997). Das war im selben Ort, weshalb sich für mich und meinen Freundeskreis nicht viel änderte. Der zweite Mann meiner Mutter hat sehr viel getrunken und es war nicht immer einfach, obwohl meine Mutter versucht hatte dass wir Kinder nichts von den Streitereien mitbekommen, haben wir das natürlich gehört und realisiert. Auch war die Stimmung nach eines Streites, welcher durch Alkohol entstand immer angespannt. Man fühlte diese negative Stimmung einfach, auch wenn ich aktiv nichts mitbekommen habe.
Das ging dann insgesamt 7 Jahre so, bis sich meine Mutter erneut scheiden ließ. Im Alter von 15 Jahren (2003) sind wir schließlich wieder umgezogen und direkt mit 16 und 17 Jahren (2005 und 2006) erneut. Diese letzten beiden Orte sind etwa 5 km auseinander, liegen aber dennoch ca. 25 km von meiner „Heimat“ und meinen dortigen Kumpels und Freunden entfernt. Wir mussten uns also wieder an eine neue Wohnung, aber noch schlimmer an das neue Umfeld gewöhnen.
2005 habe ich dann eine Ausbildung angefangen und suchte mir einen neuen Fußballverein und ich lernte neue Leute kennen, Freundschaften entwickelten sich daraus allerdings nicht. Meine Mutter hatte in der Zeit immer mal wieder einen neuen Freund, mit denen ich mich nicht immer gut verstand. Ich entschloss mich dann mit 19 Jahren (2008) alleine in meine „Heimat“ zu ziehen, wo ich im Alter von 15 Jahren wegezogen bin. Ich mietete mir dort eine kleine Wohnung und stand plötzlich auf meinen eigenen Beinen – ein schönes Gefühl endlich angekommen zu sein.
Ich habe die letzte Zeit lange in meiner Vergangenheit gegraben um diese hier in Kurzform wiederzugeben, teilweise ist dies sehr emotional gewesen und mir standen die Tränen in den Augen.
Meine Kindheit und Jugend war nicht immer einfach. Wir sind nicht in guten finanziellen Verhältnissen groß geworden, haben es aber alle zu etwas gebracht. Meine Geschwister sind alle 3 Akademiker, ganz stolz bin ich auf meine Schwester, welche erst vor kurzem ihren Dr. machte.
Jetzt bin ich doch etwas abgeschweift…. Ich möchte damit sagen, dass es nicht einfach war, aber unsere Mutter immer gut für uns gesorgt hat. Die ganzen Neuanfänge und Umzüge haben allerdings auch an meinem Selbstwertgefühl und meinem Selbstvertrauen genagt. Mir war das lange nicht bewusst bis ich mich mit mir selbst beschäftigt habe und lange mit meiner Frau und meinem Vater gesprochen habe.
Ich habe das Bier dann genutzt um mich besser und selbstsicherer zu fühlen, gerade wenn ich in der Gruppe unterwegs war. Als ich dann getrunken habe fühlte ich mich leichter, Probleme wurden besprochen und „weggetrunken“. Dieses Gefühl von Sorgenfreiheit hat meinen Konsum in den letzten beiden Jahren steigen lassen, ohne dass es mir aktiv aufgefallen ist.
Durch Corona hat sich mein Konsum gesteigert, da mir einfach Aktivitäten mit der Familie fehlten. Auch der Ukraine Krieg macht mir sehr zu schaffen. So viele Grausamkeiten ganz dicht bei uns, die letzten Jahre ging es nur in die negative Richtung und in diese Welt habe ich meine Kinder gesetzt.
Es ist für Kinder besonders wichtig über Probleme zu reden. Dies war bei mir nie der Fall und ich habe es auch nie gelernt bzw. vorgelebt bekommen. Meine Probleme machte ich immer mit mir selbst aus, das hat mich ein Stück weit auch sehr stark gemacht, belastet allerdings auch die Psyche. Meine alleinerziehende Mutter war viel arbeiten und wir Kinder waren oft allein. Mit meinen Problemen wollte ich meine Mutter nicht weiter belasten.
Ich bin gerade auf einem guten Weg dies zu lernen. Mit meinem Vater führe ich regelmäßige Gespräche über unsere Vergangenheit, auch wie er sich damals anders verhalten hätte müssen um uns Kindern mehr Zeit zu widmen. Die Vergangenheit ist vorbei, aber wir reden dennoch darüber, da dies eben auch zu der Aufarbeitung gehört. Nach den Gesprächen geht es mir immer besser.
Eine weitere emotionale Erfahrung machte ich während unseres Hausumbaus, hierzu muss ich etwas weiter ausholen.
Mein bester Freund und Trauzeuge ist selbständig im Handwerk. Ich war früher regelmäßig, meist unbezahlt, mit ihm auf Baustellen und habe ihm regelmäßig an Wochenenden und nach Feierabend unterstützt. Meist habe ich hierfür kein Geld verlangt, da mir die Arbeit Spaß machte und ich die Arbeit als Unternehmung mit meinem Freund sah. Als ich unser älteres Haus kaufte hat er uns in diesem Jahr sehr unterstützt. Wir hingen also jeden Tag zusammen. Ich war bis 15 Uhr arbeiten und dann direkt auf unserer Baustelle um mit ihm zu renovieren. Da er auch viele Kontakte hatte habe ich doppelt profitiert. Irgendwann kamen wir dann darauf, dass unsere Fassade auch gemacht werden sollte. Also haben wir gemeinsam den Vollwärmeschutz angebracht und verputzt. Hierfür waren damals bereits gesagt, dass er mir das Geld hierfür auslegt, da der Kreditrahmen bereits ausgeschöpft war. Seid er mir dann den 5 stelligen Betrag geliehen hat, hat sich etwas verändert. Er meinte ständig ich müsste Gewehr-Beifuß stehen wenn er etwas Unterstützung von mir wollte. Automatisch distanzierten wir uns dann etwas, hatten allerdings noch Kontakt. Als ich dann mit Freunden im Stadion oder meiner Familie im Sommerurlaub war meinte er dann: Willst du mir nicht lieber mein Geld zurückgeben und sparen bevor du so etwas machst? Das gleiche schrieb er mir ein paar Wochen später nochmal.
Er weiß, dass ich eigentlich ein sehr sparsamer Mensch bin und sehr verlässlich bin. Auch bot ich ihm an meinen Kredit bei der Bank aufzustocken oder eine Ratenzahlung zu machen. Beides lehnte er ab, da er dann keinen Druck mehr auf mich ausüben konnte. Ich lieh mir dann das Geld in der Familie und gab es ihm komplett. Seitdem hatten wir keinen Kontakt mehr. Emotional hat mich das bis heute nicht losgelassen, weil wir uns echt gut verstanden haben. Alkohol half mir während dieser Zeit ein Stück weit meine Sorgen darüber zu vergessen. Heute habe ich erkannt, dass dies auch ein Grund für meinen gesteigerten Konsum war.
Wir haben uns im Juli 2022 getroffen und haben darüber gesprochen, was alles vorgefallen ist und haben uns gegenseitig entschuldigt. Auch wenn unsere Beziehung nicht mehr wie früher ist, war es wichtig dass wir reden und heute wenigstens ein neutrales Verhältnis haben.
Alleine, oder zuhause mit meiner Frau hab ich auch mal ein oder zwei Bier getrunken. Dabei blieb es dann allerdings auch.
Nüchtern und mit etwas Abstand betrachtet gibt es nichts Besseres um sein Selbstbewusstsein zu steigern als einen klaren Kopf und klare Gedanken. Wenn ich doch überlege was ich dann angetrunken teilweise für einen Mist geredet habe.
Durch meine Abstinenz bin ich selbstsicherer geworden, ich habe viel Motivation auf der Arbeit neue Dinge in die Wege zu leiten, selbst wenn etwas Risiko dabei ist. Auch wenn ich mal damit scheitere, habe ich daraus etwas gelernt und ziehe positive Schlüsse.
Ein anderes Beispiel… Vor kurzem habe ich mich alleine einfach auf den Weg gemacht um die Zugspitze zu besteigen. Ich bin einfach spontaner geworden, unternehmenslustig und selbstsicher – was ich mir vornehme setze ich um und bin damit erfolgreich, auch wenn ich mal scheitern sollte.
13. Welche Wirkung haben Sie in der Vergangenheit nach Alkoholgenuss bei sich beobachtet?
(bei wenig und bei viel Alkohol)
Geringer Konsum:
Bei 2-3 Bier fühlte ich mich lockerer und hatte ein Gefühl von Selbstsicherheit, ich war redselig und gesellig. Unterhaltungen gingen mir, auch über mir fremde Themen leichter von der Hand.
Höherer Konsum:
Bei höherem Konsum war ich noch redseliger, kommunikativ ja fast schon etwas aufgedreht. Durch weiteren Konsum bemerkte ich unsichere Aussprache (lallen) und einen unsicheren Gang. Ebenfalls wurde ich stets müde. Am Morgen danach hab ich dann etwas gebraucht um in die Gänge zu kommen. Nach einiger Zeit, einer Dusche und wenn der Flüssigkeitshaushalt wieder hergestellt war ging es aber wieder.
14. Gab es kritische Hinweise Anderer auf Ihren Alkoholkonsum und wie haben Sie darauf reagiert?
Nein, kritische Hinweise gab es nicht. Wenn ich viel trank bin ich oft erst spät nachhause gekommen wenn alle schliefen, oder ich habe auswärts übernachtet.
Nach meiner Trunkenheitsfahrt habe ich selbst das Gespräch zu meiner Frau und meinem Vater gesucht. Wir haben uns intensiv über die Gefahren von Alkoholkonsum unterhalten.
15. Welche Auswirkungen und Folgen hatte Ihr Alkoholkonsum auf Ihr Leben und Ihr Umfeld?
Negative Auswirkungen gab es nicht. Ich werde meinen Pflichten als Ehemann und Vater stets gerecht.
Wir führen eine harmonische Ehe und unternehmen viel (Spaziergänge mit unserem Hund / Urlaube / mit meiner ältesten Tochter kleine Rad-Touren/ Essen gehen / Zoo etc.). Wir machen aber auch zuhause im Garten viel gemeinsam.
Beruflich läuft es bei mir auch gut, ich gehe gern zur Arbeit. 2021 wurde ich zu einer Position mit Führungsverantwortung befördert und habe auch viel Freude daran.