Rückfallvorsorge

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Nancy

Super-Moderator und MPU Profi
Teammitglied
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Ein leidiges Thema!

Frage ich in der Begutachtung etwas ähnliches wie "wie schätzen Sie Ihre Rückfallgefahr ein?", dann kommt in den meisten Fällen so etwas wie "einen Rückfall gibt es bei mir nicht!"

Pech gehabt und durchgefallen, sage ich dazu nur! Denn die Statistik besagt ja nun mal, dass z. B. von denen, die eine Therapie gemacht haben, etwa ein Drittel rückfällig wird. Jeder GA erlebt auch Woche für Woche live, dass jemand, der schon einmal begutachtet wurde, nach einiger Zeit wieder aufgefallen ist und wieder zum GA kommt, und zwar auch dann, wenn das erste GA und die Einsichten des Betreffenden fundiert waren.

Somit stellt sich für jeden in der Begutachtung zwingend die Frage, wie er /sie mit der Rückfallgefahr umgeht. Nur derjenige, der die Rückfallgefahr kennt, hat auch eine Chance einen Rückfall schon dann zu erkennen, wenn er sich anbahnt und entsprechend darauf zu reagieren. Wer jedoch keinen Deich baut, wird auch von der nächsten Sturmflut überrascht und kann nur notdürftig versuchen, sein Hab und Gut mit Sandsäcken zu schützen.

Nun aber weg von weit hergeholten Bildern und zum Wesentlichen: Zum Umgang mit der Rückfallgefahr gehört es, erst einmal sich selbst einzugestehen, dass Vorsätze wieder schwächer werden können, dass man sich selbst sozusagen wieder, sagen wir mal, selbst auf den Arm nimmt.

Der zweite Schritt wäre sich zu fragen, was könnten äußere oder innere Auslöser für einen Rückfall sein. Äußere Auslöser sind situative Bedingungen (eine Feier, das Wiedersehen mit einem alten Trinkgenossen/Drogenfreund von früher). Allein solche Auslöser benennen zu können, das kratzt jedoch noch zu sehr an der Oberfläche, denn es können 1000 alte Freunde kommen, wenn der eigene Vorsatz noch stark ist, kann passieren, was will, zu einem Rückfall wird das allein nicht führen.

Demnach ist es darüber hinaus immens wichtig sich zu überlegen, unter welchen Umständen der/die Betreffende sich vorstellen könnte schwach zu werden. Wichtig ist es demnach sich damit zu befassen, welche Gedanken, welche Gefühlslage, welche inneren Abläufe dazu führen könnten, sich das gefährliche "na ja, einmal ist doch nicht so schlimm" zu genehmigen.

Nächster Schritt ist die Beschäftigung mit der Frage, woren der/die Betreffende möglichst schon vorher merkt, dass er kurz davor ist, sich das erste Bier wieder mal zu genehmigen bzw. "nur einmal" an einem Joint zu ziehen, der ihm/ihr angeboten wird.

Na, und was ist zu tun, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, wenn der/die Betreffende sich in einer starken Stunde eingestehen muss, dass er/sie die in der Begutachtung geäußerten Vorsätze nicht eingehalten hat? Die Antwort ist wohl zu simpel einfach z. B. zu sagen, dass er/sie dann zum Arzt gehen würde. Viel wichtiger ist es, individülle Lösungsansätze schon vorher zu erarbeiten, die auch individüll durchführbar sind. Zum Arzt würde z. B. ja nur derjenige gehen, der auch den Mut hätte, diesem das Vorkommnis einzugestehen, von ihm auch einen realistischen Rat erwartet und diesen auch annehmen würde.

Auch bei einem Rückfall kann und muss man differenzieren, ob es eine Art "Ausrutscher" war, ohne diesen Begriff bagatellisierend benutzen zu wollen, oder ob es eine volle Rückfallentwicklung war im Sinne eines kompletten Wiederaufnehmens der früheren Gewohnheiten. Demnach sind auch die "Maßnahmen" unterschiedlich, die in Vorbereitung der Begutachtung erarbeitet werden müssen.

Ich wünsche allen, diese Anregungen mit Inhalt füllen zu können, und zwar nicht nur, um in der Begutachtung einen Themenbereich mehr in die positive Richtung lenken zu können, denn im Forum lese ich immer wieder von Leuten, die das frühere Leben nicht wieder aufnehmen wollen. Rückfallprophylaxe ist somit ein wesentlicher Aspekt, um das nicht wieder aufgeben zu müssen, was sie sich nach einem Delikt schwer erarbeitet haben. Dafür lohnt es sich doch, der Rückfallgefahr ins Auge zu schaün und sie zu bannen ... oder?????



**übernommen von Gutachterin Inge aus dem MPU-Forum, welches leider seit vielen Jahren nicht mehr existiert**
 
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