Kontrolliertes Trinken - Die Erklärung

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Max

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Um die Alkohol-MPU zu bestehen gibt es nur zwei Wege: völlige Abstinenz oder kontrolliertes Trinken. Weil die Angabe, man sei abstinent, neuerdings einen 6-12 monatigen Nachweis (fast) zwingend verlangt und deshalb für die meisten unattraktiv sein dürfte, ist das sogenannte kontrollierte Trinken (mindestens 6 Monate "Bewährung") die beliebtere Wahl, es sei denn, Abstinenz wird aus entsprechenden Grund zwingend vorgeschrieben.

Eine gar nicht so seltene Falle verbirgt sich aber im Verständnis des sogenannten kontrollierten Trinkens.

Was also ist eigentlich kontrolliertes Trinken (KT)?

Weil es eine bekannte Tatsache ist, dass Alkohol enthemmt, gilt bei jedem Alkohol-MPUler das Trinken von Alkohol als Gefahr, weil er unter Alkoholeinfluss seine guten Vorsätze fallen lassen könnte. Kontrolliertes Trinken im Sinne der MPU läuft also darauf hinaus, sich ständig so weit selbst zu kontrollieren, dass man gar nicht so weit kommt, dass überhaupt eine nennenswerte Alkoholwirkung entsteht. Auch dann nicht, wenn das Auto außer Reichweite ist, denn Ihr könntet ja plötzlich unter Alkoholeinfluss den abstrusesten Ideen verfallen, die dann in der Folge doch zum Fahren unter Alkohol führen...

Es ist zu unterscheiden zwischen:

a) "kontrollierten Trinken"
Bei KT geht es darum, seinen Umgang mit Alkohol jederzeit im Griff zu haben. KT geht nur, wenn keine Abstinenzbedürftigkeit vorliegt.

...und...

b) "unterdrückten Trinken"

Ich trink nur ein oder zwei XXX und dann hör ich auf! Da stellt sich die Frage nach dem warum? Wahrscheinlich, weil der Trinker sich sonst nicht bremsen kann und keine Grenze findet. Ein solcher Personenkreis ist in der Regel Abstinenzbedürftig.

KT sieht also folgendermaßen aus:

Zu gegebenen Anlass wird aus Gründen der Genüßlichkeit Alkohol konsumiert, dies in einem Maße das dem Konsumenten jederzeit die volle Kontrolle über seine Handlungen ermöglicht.
Es muss im Voraus geplant sein, wo, was und wieviel (eigens gesetztes Limit) in welcher Zeit getrunken wird.
Im "Voraus planen" heißt zweierlei: 1. Anlaß, zu dem jemand trinken mag und 2. wieviel. Der Zeitraum des Voraus ist eigentlich soweit unerheblich, soweit ihr euch vom spontanen Genuss fern haltet. Damit ist Voraus sowohl ein Tag als auch 6 Monate. Da die Trinkanlässe sowohl in der Frequenz als auch der jeweiligen Trinkmenge natürlicherweise differieren, legt ihr ein "Gesamtkunstwerk" hin, dies besteht aus: Frequenz, Trinkmenge je Anlass und Gesamttrinkmenge im Zeitraum. Schaut euch die jeweiligen Grenzen an und ihr könnt anschließend den jeweiligen Anlass beurteilen.

Bsp.: Ihr trinkt zum Geburtstag von euch, eurem Nachbarn und eurem Dorfpfarrer jeweils ein Glas Steinhäger. Ihr wollt nicht an 2 aufeinander folgenden Tagen trinken - dummerweise sind die 3 Geburtstage an 3 aufeinander folgenden Tagen - was tut ihr? Bei längerer Planung im Voraus geht das, denn weitere Geburtstage sind nicht in Sicht und ihr könnt auf weniger wichtige Anlässe verzichten.

Als "Sicherheitsfaktor" sollten jährlich nicht mehr als 12 Trinkanlässe geregelt sein. So mancher GA wird durchaus auch mehrere Anlässe aktzeptieren, sofern sie noch als kontrolliertes Trinken einzuordnen sind.

Grundsätzlich ist KT ein selbstverantwortlicher, durch zuverlässige Regeleinhaltung reduzierter Umgang mit selbst aufgestellten Regeln. Was zählt ist Eigenverantwortung, Selbstkontrolle, Selbstbeobachtung und Selbstdisziplin.

KT ist ein Verhalten, das mindestens 6 Monate praktiziert sein muss, um für die MPU in Frage zu kommen. Ein Erstellen von Trinkprotokollen/Trinkkalender ist hilfreich zur Eigenkontrolle und auch zur Vorlage bei eurem Gutachter geeignet. Das muss nicht unbedingt eine Doktorarbeit sein, ein Zeitungskalender mit Angabe von Trinkmenge und Grund ist ausreichend. Ein solcher Kalender ist leicht zu kopieren und erfreut den Gutachter mit seiner knapp bemessenen Zeit. Wenn Ihr mit den Trinkgründen ein Gedächtnisproblem habt, weil jede Woche drei oder vier anstehen, dann nennt man dieses nicht mehr KT sondern Saufen.

Wichtig: Unregelmäßige Abstände in der Praxis, also keine Regelmäßigkeit erkennen lassen (zBsp. Jeden ersten Samstag im Monat).

Beispiel: Weihnachtsfeier

Vor dem Essen gibt’s ein Bier 0,2l, während des Essen ein Glas Wein 0,1l und weil es so reichhaltig war gibt es hinterher zur Verdauung noch einen Kräuterschnaps 0,02l. Dazwischen gibt es Wasser oder Saft/Limo/Cola. Das ganze über einen Zeitraum von drei bis vier (oder mehr) Stunden verteilt. Dieser Anlass war vorher geplant und ihr wusstet somit im Vorfeld was ihr trinken werdet.

Für einen Menschen, der noch nie gewohnheitsmäßigen Alkoholmissbrauch getrieben hat, ist kontrolliertes Trinken nicht schwierig. Von seinem Körper wird Alkohol nur bis etwa 0,7 ‰ BAK als Genussmittel akzeptiert. So lange dies der Fall ist, spielt die Wirkung des Alkohols bei ihm keine so große Rolle, so dass sie seine Entscheidung darüber, ob er noch fahren will oder nicht, entscheidend beeinträchtigt.
Bei höheren Promillewerten erlebt sein Körper den Alkohol als Gift. Diese Giftwirkung wird als immer stärker wachsendes Unbehagen wahrgenommen, so dass er zu trinken aufhört.

Er trinkt nur dann trotzdem weiter, wenn besondere starke andere Gefühlsregungen (z.B. entscheidende positive oder negative Erlebnisse) diese körperliche Unbehagen überdecken. In solchen Ausnahmesituationen ist er auch der Drogenwirkung des Alkohols ausgeliefert und neigt dazu, sich ganz anders zu verhalten (z.B. Blödsinn reden) als im nüchternen Zustand.

Falls er aber dadurch auf die "Schnappsidee" kommt, noch ins Auto steigen zu wollen, sind die körperlichen Beeinträchtigungen so stark, dass sie für ihn und seine Umgebung unübersehbar sind.
Er ist nicht in der Lage, sich und anderen vorzumachen, er sei noch fahrtüchtig. Hoch trainierte Alkoholiker bilden sich das oft noch bei über 1,6 ‰ BAK ein und machen auch auf andere Menschen diesen Eindruck. Bei einer solchen Promillemenge ist der s.g. Normaltrinker kaum mehr fähig bis zur seinem Auto zu kommen und es in Bewegung zu setzen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Normaltrinker den Alkoholkonsum durch seine körperlichen Reaktionen auf die Giftwirkung des Alkohols "automatisch" kontrolliert und dafür seinen "Kopf" gar nicht besonders anzustrengen braucht.

Ganz anders ist es beim hochtrainierten Trinker. Die körperlichen Kontrollen des Normaltrinkers sind bei ihm ausgeschaltet. Kontrollversuche mit dem "Kopf" funktionieren aber durch die Drogenwirkung des Alkohols auch nicht mehr (z.B. Selbstüberschätzung, Scheiß-Egal-Gefühl).

Wer sich einmal auf die 1,6‰ BAK oder noch weiter hochtrainiert hat, bei dem ist die Fähigkeit des Körpers auf solche Alkoholmengen wie auf schweres Gift zu reagieren, meist für immer (lebenslang!) zerstört. Er wird zwar nach längerer Abstinenz schon nach 2 Glas Bier eine deutliche Alkoholwirkung verspüren, aber in kurzer Zeit wird er wieder die gleiche Alkoholverträglichkeit wie eh und je besitzen.

Deshalb muss sich jeder hochtrainierte Trinker im Klaren sein, dass er nie wieder in seinem Leben so "naiv" trinken darf wie ein "normaler" Mensch.
Er muss sich einen ganz auf sein früheres persönliches Alkoholproblem zugeschnittenen Trink-Kontrollplan erstellen und dafür sorgen, dass er diesen nicht irgendwann als "zu lästig" wieder ablegt. Da jeder Plan genau an die individuelle Situation des Betreffenden angepasst werden muss, lässt sich hier wenig Allgemeingültiges darüber sagen.

Die Fähigkeit des Menschen, für sich selbst die richtige Entscheidung zu treffen, ist bei jedem dadurch beeinträchtigt, dass starke Wünsche und Bedürfnisse den Blick auf die Wirklichkeit trüben.
Der Wunsch "wie die anderen zu sein", die das Genussmittel Alkohol ohne große Sorge dazu einsetzen können ihre Lebensqualität zu bereichern, ist ebenso verständlich, wie der Wunsch eines Diabetikers wieder nach Lust und Laune alles essen zu können. Der Diabetiker hat es aber einfacher den Verzicht zu akzeptieren. Seine körperliche Krankheit setzt ihm Grenzen und nicht "nur" das Nachdenken über die in der individüllen Persönlichkeit verankerten Hintergründe der Gefahr, Alkohol als Droge zu missbrauchen. Deshalb brauchen Diabetiker in der Regel keine psychologische Unterstützung, Menschen mit Alkoholproblemen sehr häufig.

Abschließend noch ein wichtiger Hinweis!

Bei der Alkohol-MPU werdet ihr unweigerlich so behandelt, dass ihr eben so und nicht anders "funktioniert". Versucht gar nicht erst, darüber eine Diskussion zu beginnen, dass es bei euch aus diesen oder jenen Gründen alles anders gewesen sei und ihr noch nie das geringste Problem mit Alkohol gehabt hättet; ihr habt schon immer alles im Griff gehabt usw.
Macht euch bewusst, dass der Gutachter das nicht hören will, es euch auch nicht glauben wird und dass ihr viel zu wenig Zeit habt, um eine nutzlose Diskussion zu führen.
Es ist emotional verständlich, dass ihr euch rechtfertigen wollt - aber ihr sägt damit an eurem eigenen Ast eures Gutachtens. Wenn ihr nicht nach den vorgegebenen Kriterien Einsicht zeigt und das Problem nicht sauber präsentieren könnt, seid ihr durchgefallen – egal wie vorbildlich eure Leberwerte auch immer sein mögen!
 
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