Neue Beurteilungskriterien

Status
Für weitere Antworten geschlossen.

Nancy

Super-Moderator und MPU Profi
Teammitglied
Administrator
http://www.dgvp-verkehrspsychologie.de/download/public/Infoschreiben%20zur%202.%20%20Auflage%20BK.pdf


DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR VERKEHRSPSYCHOLOGIE E. V. (DGVP)
DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR VERKEHRSMEDIZIN E. V. (DGVM)
__________________________________________________ ___________
INFORMATIONSSCHREIBEN
FÜR DIE LÄNDERBEHÖRDEN UND ÄRZTEKAMMERN ZUR ERWEITERTEN UND ÜBERARBEITETEN
2.AUFLAGE DER „BEURTEILUNGSKRITERIEN“


Die erweiterte und überarbeitete 2. Auflage der „Beurteilungskriterien“1 war erforderlich geworden, nachdem es eine Vielzahl von Rückmeldungen zur Anwendungspraxis der Kriterien gegeben hatte, deren Einarbeitung die Anwendbarkeit eindeutiger gemacht und die Auslegungsvielfalt reduziert haben. Aber auch Fortschritte in der Wissenschaft, vor allem der toxikologischen Diagnostik, sowie in Therapieverfahren mussten berücksichtigt werden. Nicht zuletzt erfolgte eine Weiterentwicklung der entlastungs- und ressourcenorientierten Diagnostik im Rahmen der Begutachtung der körperlichen und geistigen Eignung von Fahrzeug- und Kraftfahrzeugführern.

Zusammenfassung der wesentlichen Änderungen

Der einleitende Text in den Kriterien wurde hinsichtlich der Fragestellungen an ein Medizinisch-Psychologisches Gutachten den Veränderungen im Bereich der Fahrerlaubnis- Verordnung (FeV) angepasst und an verschiedenen Stellen aktualisiert. Es wurde unter anderem klargestellt, dass die in den Indikatoren aufgenommenen Regelungen hinsichtlich konkreter Zeiträume und Bestimmungsgrenzen für die Begutachtungsstellen Verbindlichkeit haben und nicht nur beispielhaft zu verstehen sind.

Bei Betroffenen mit Alkoholauffälligkeit in der Vorgeschichte wurde die Abgrenzung eines problematischen Trinkverhaltens, das grundsätzlich noch ein kontrolliertes Trinken in der Zukunft zulässt (H3), von den Missbrauchsmustern, die einen völligen Alkoholverzicht z. B. dann erforderlich machen, wenn aus der Lerngeschichte ersichtlich ist, dass der Betroffene Trinken und Fahren nicht voneinander trennen kann (H2), verbessert. Damit ist es für die Gutachter, aber auch für Berater und Therapeuten, im Vorfeld leichter zu entscheiden, in welchen Fällen Abstinenz- bzw. Alkoholverzichtskontrollprogramme erforderlich sind. Dies ist auch deshalb von großer Bedeutung, als die Anforderungen an die Abstinenz- bzw. Alkoholverzichtsbelege gestiegen sind.

Die Regelungen in den Drogen- und Alkoholkriterien wurden besser miteinander abgeglichen. Insbesondere beziehen sich die Diagnosekriterien für die Substanzabhängigkeit nun einheitlich auf die in der ICD-102 und im DSM-IV3 aufgeführten diagnostischen Kriterien.

1 Schubert, W. & Mattern, R. (Hrsg.)(2009). Urteilsbildung in der Medizinisch-Psychologischen Fahreignungsdiagnostik.
Beurteilungskriterien. Kirschbaum Verlag Bonn.
2 Dilling, H., Mombour, W. u. Schmidt, M.H. (Hrsg.) (2005). WHO – Internationale Klassifikation psychischer
Störungen ICD-10 Kapitel V (F). Göttingen: Verlag Hans Huber.
3 Saß, H., Wittchen, H.-U., Zaudig, M. u. Houben, I.(Hrsg. dtsch. Bearbeitung) (2003). Diagnostische Kriterien
des Diagnostischen und statistischen Manuals Psychischer Störungen – DSM-IV-TR. Göttingen: Hogrefe
- Verlag für Psychologie.

In Kapitel 7 wurden die Ausführungen zur Toxikologie weitgehend überarbeitet. So wurde nun erstmals der Umfang eines polytoxikologischen Screenings beschrieben und Bestimmungsgrenzen für die Analyse von Urin und Haar festgelegt. Damit ist künftig sichergestellt, dass alle in Begutachtungsstellen für Fahreignung und in akkreditierten Laboren durchgeführten Abstinenzkontrollen den selben Standards genügen und mit der selben Sensitivität messen. Zusätzlich wurde in Kapitel 7 ein neür Abschnitt „7.2 Psychologische Testverfahren“ aufgenommen, der den Einsatz von Leistungstestverfahren im Rahmen der Fahrreignungsdiagnostik detailliert beschreibt.

Auf ausgewählte Punkte, die im Rahmen der Einführung der erweiterten und überarbeiteten 2. Auflage der „Beurteilungskriterien“ intensiv diskutiert wurden, soll im Folgenden genaür eingegangen werden.

Anforderungen an Abstinenzbelege.

Es wurde in den „Beurteilungskriterien“ nun deutlicher geregelt, dass bei einer notwendigen Abstinenz- bzw. einem Alkoholverzicht, diese auch durch geeignete Belege nachvollziehbar gemacht werden müssen.
Sowohl bei Alkoholabhängigkeit als auch bei daürhaft fehlender Trinkkontrolle ist von dem Betroffenen der Verzicht auf jeglichen Konsum von alkoholischen Getränken zu belegen, was in der Regel mit Urinkontrollen oder eine Haaranalyse auf EtG (Ethylglucuronid) erfolgen kann. Eine Haaranalyse auf EtG ist jedoch nur für einen Zeitraum von 3 Monaten verwertbar, da sich das EtG auch bei normalem Waschen des Haares soweit verdünnt, dass länger zurückliegender Konsum nicht mehr sicher nachweisbar ist. Es ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass allein die Vorlage unauffälliger Leberlaborbefunde eine Alkoholabstinenz nicht hinreichend belegen kann, da auffällige Leberwerte nur bei regelmäßig erhöhtem Konsum zu finden sind. Eine Ausnahme stellen Verlaufskontrollen von früher erhöhten Laborparametern dar, da in diesen Fällen zu erwarten ist, dass bei erneutem Alkoholkonsum auch wieder eine Erhöhung der Leberwerte stattfindet. Der Gutachter muss also künftig deutlicher unterscheiden zwischen Personen, die aktüll zwar auf Alkohol verzichten, denen aber grundsätzlich ein kontrollierter Alkoholkonsum noch zugetraut werden kann und solchen, bei denen die Fähigkeit zum kontrollierten Trinken auf Daür nicht mehr besteht. In den letztgenannten Fällen ist ein nachvollziehbarer Beleg des Alkoholverzichts erforderlich, in den anderen Fällen genügen weiterhin die Leberlaborkontrollen, um nachvollziehbar zu machen, dass kein überhöhter Alkoholkonsum mehr stattfindet.
Bei fehlenden Belegen oder Vorlage von Belegen mit fraglicher Nachvollziehbarkeit kann der vom Betroffenen behauptete Alkoholverzicht i.d.R. nicht als hinreichend bestätigt gelten. Es können jedoch bei der Befundabwägung in der Gesamtkonstellation auch weitere Gesichtspunkte, wie etwa im Rahmen von (teil-)stationären Behandlungen durchgeführte Urinkontrollen berücksichtigt werden, deren Stellenwert dann abhängig von den Durchführungsstandards zu bewerten ist.

Einen neu beschriebenen Sonderfall stellen Abstinenzbelege bei einer Opiatvorgeschichte dar. Hier ist der Untersuchungsumfang auf Buprenorphin (Subutex®) sowie Tramadol und Tilidin zu erweitern.
Hinsichtlich der Einbestellfristen wurde deutlicher geregelt, dass die Untersuchung am Folgetag der telefonischen Einbestellung oder des Posteingangs erfolgen muss.

Abstinenzzeiträume

Bei der Beschreibung der für eine günstige Verkehrsverhaltensprognose erforderlichen Abstinenz- bzw. Alkoholverzichtszeiträume wurde der Tatsache Rechnung getragen, dass suchttherapeutische Einrichtungen vermehrt ambulante Langzeittherapien anbieten, die neben der eigentlichen Entwöhnung auch eine Integration und Stabilisierung des Alkohol- oder Drogenverzichts in den allgemeinen Lebenskontext zum Ziel haben und über einen Zeitraum von deutlich länger als einem halben Jahr andaürn. Damit musste die in den „Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung“ 4 geforderte Frist von in der Regel einem Jahr nach Abschluss der Entwöhnungstherapie auf solche Sonderfälle angewendet werden. Es gilt hier der Grundsatz, dass der gesamte Zeitraum des nachvollziehbaren Alkohol- oder Drogenverzichts nennenswert länger als ein Jahr sein soll, und dass davon 12 Monate im Zeitraum seit Beginn der Therapie liegen sollen. Das Ende einer Therapiemaßnahme ist in diesen Fällen nicht mehr von so zentraler Bedeutung, da ja auch eine therapeutische Begleitung bei der Stabilisierung einer Abstinenz im Grunde wünschenswert ist und dieser Aspekt daher im Vordergrund steht. In vergleichbarer Weise kann künftig auch berücksichtigt werden, dass jemand bereits nachvollziehbar abstinent eine Therapie aufgenommen hat. Liegt auch hier insgesamt ein nennenswert länger als ein Jahr andaürnder Abstinenzzeitraum vor, genügen nach Abschluss der Therapie noch 6 Monate des nachgewiesenen Alkohol- oder Drogenverzichts. Sofern keine Abhängigkeit vorliegt, kann im Einzelfall unter Berücksichtigung vom Zeitverlauf und von der Zielrichtung der Therapie auch ein kürzerer Zeitraum nach deren Abschluss ausreichen.

Zu gelegentlichen Missverständnissen ist es bei der Frage gekommen, wie die geforderten Abstinenz- bzw. Alkoholverzichtszeiträume bei Inhabern der Fahrerlaubnis anzuwenden sind, da sie ja in der Regel nicht im Rahmen der behördlichen Vorlagefrist für ein Gutachten absolviert werden können. Hier ist klar festzustellen, dass in den Fällen, in denen die Nichteignung für die Behörde noch nicht feststeht, auch noch keine Aussage über die Problematik gemacht werden kann. Ob von Abhängigkeit, fehlender Kontrollfähigkeit oder nur von Gefährdung auszugehen ist, ob also Abstinenz bzw. Alkoholverzicht erforderlich ist oder nicht und wenn ja, wie lange, kann hier oft erst im Rahmen eines Gutachtens festgestellt werden. Die behördliche 4 Bundesanstalt für Straßenwesen (Hrsg.)(2000). Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung. Berichte der BASt, Heft M 115. Bremerhaven: Wirtschaftsverlag NW.

Frist für die Überprüfung eines möglichen Eignungsmangels ist naturgemäß in Anbetracht der erforderlichen Gefahrenabwehr häufiger kürzer zu fassen, als dies für die Forderungen nach einer Stabilisierung einer Verhaltensänderung in Folge eines bestehenden Eignungsmangels der Fall ist.

Die erweiterte und überarbeitete 2. Auflage der „Beurteilungskriterien“ ist im Rahmen der Fahreignungsbegutachtung durch Fachärzte und die amtlich anerkannten Begutachtungsstellen für Fahreignung (a. a. BfF) ab dem Zeitpunkt verbindlich zu beachten, an dem sie von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) in deren Anforderungen an Träger von a. a. BfF aufgenommen werden. Das ist zum 01.07.2009 der Fall. Damit entfällt auch die in der Hypothese CTU 3 in Fußnote 10 genannte Umsetzungsfrist (S. 176 der „Beurteilungskriterien“). Die nach diesem Zeitpunkt gestarteten Abstinenz- bzw. Alkoholverzichtskontrollprogramme müssen die beschriebenen Anforderungen erfüllen, um im Rahmen der Begutachtung der Fahreignung verwendet werden zu können.

Daraus folgt, dass es im Verlauf des Jahres 2009/2010 Betroffene geben kann, die noch Kontrollprogramme nach den bisherigen, nicht einheitlich beschriebenen Standards durchgeführt haben. Hier kann im Rahmen der Begutachtung individüll geprüft werden, ob unter Berücksichtigung des gesamten Befundbildes trotzdem von einer ausreichend nachvollziehbar belegten sowie glaubhaft dargelegten Abstinenz bzw. Alkoholverzicht von Alkohol und/oder Drogen ausgegangen werden kann. Hinsichtlich der Auswahl der Labore sind ab dem 01.07.2009 nur noch Labore mit der toxikologischen Analyse im Rahmen von Abstinenz- bzw. Alkoholverzichtskontrollen zu beauftragen, welche die in der Hypothese CTU beschriebenen Standards einhalten. Ab dem 01.01.2010 ist dies durch eine Akkreditierung der Labore für forensische Zwecke nach DIN ISO EN 17025 nachzuweisen. Die Liste der akkreditierten Labore kann u. a. auf der Internetseite des Deutschen Akkreditierungsrats (www.dar.bam.de/ast/) eingesehen werden.

Prof. Dr. Wolfgang Schubert Prof. Dr. Volker Dittmann J. Brenner-Hartmann
DGVP, 1. Vorsitzender DGVM, Präsident StAB, Federführender



[COLOR=Blü]An dieser Stelle bedanke ich mich bei *[/COLOR][COLOR=Blü]PaintSplasher*[/COLOR][COLOR=Blü] für die Hilfestellung, die PDF-Datei in kopierbare Form umzuwandeln.[/COLOR]
 

Nancy

Super-Moderator und MPU Profi
Teammitglied
Administrator
Urteilsbildung in der Fahreignungsdiagnostik auf der Grundlage der Beurteilungskriterien der DGVP und DGVM:


Es ergibt sich eine Hypotheseneinteilung (H1-H4) der Begutachterrichtlinien:


H1: Der Proband ist alk.abhängig (und hat bereits eine Therapie gemacht) In diesem Fall ist KT nicht möglich, AB muss über einen Zeitraum von mind. 12 Monaten nachgewiesen werden.



H2: Der Proband ist nicht in der Lage seinen Alk.konsum zu kontrollieren (Kontrollverlust). Er verzichtet daher freiwillig auf diese Substanz. Für diesen Fall ist eine (Mindest)zeit der belegten AB von 6 Monaten zu fordern.



H3: Der Proband war alk.gefährdet**, hat dies jedoch durch Reflexion seines Verhaltens eingesehen und sein Konsumverhalten entsprechend verändert. Er ist somit in der Lage, KT zu praktizieren



H4: Der Proband ist nicht, bzw. nicht mehr, gefährdet ein KFZ nach Alk.genuss zu führen, da er seine Trinkanlässe und das Führen eines KFZ sicher trennen kann.


** Auch wenn während der MPU statt von Alk.gefährdung, von Alk.missbrauch gesprochen wird, ist hierdurch allein nicht von einem neg. Ga auszugehen. Wichtig ist hierbei die individülle Geschichte des Probanden (und auch das Einsehen seines Fehlverhaltens, mit ensprechender Veränderung und Stabilisierung).
 
Status
Für weitere Antworten geschlossen.
Oben