Exploration
8. Wann hatten Sie den ersten Kontakt mit Alkohol und wann haben Sie das erste Mal Alkohol zu sich genommen?
Mit 16 auf einer Geburtstagsparty. Ich habe damals 1 Bier und einen Schluck „Berentzen Grüner Apfel“ getrunken. Es hat nicht besonders geschmeckt, war aber spannend.
9. Haben Sie regelmäßig Alkohol getrunken, und wie hat sich ihr Trinkverhalten in den letzten Jahren entwickelt?
Seit meinem 16. Lebensjahr trinke ich Alkohol (siehe Trinkkurve). Es gab immer wieder Phasen in denen es mehr und Phasen in denen es weniger war. Nach der Erstellung meiner Trinkkurve habe ich vier Phasen entdeckt in denen ich zwar unregelmäßig, aber oft und viel Alkohol getrunken habe und die ich im Nachhinein als problematisch ansehe. (leider ist die Trinkkurve um ein halbes Jahr "verrutscht".
Phase 1 = Mitte 2003- Anfang 2004: Ich war gerade Student im ersten/zweiten Semester, zog erstmalig von zu Hause aus in eine WG mit 5 Personen. Die Freiheit seine Studium selbst zu organisieren und einzuteilen (war damals an der Uni noch möglich) nahm ich wahr. In unserer WG waren ständig Gäste und es stieg die eine oder andere Party. Ich trank ca. jeden zweiten Tag Bier. Mal nur zwei Bier, dann auch mal wieder 6, je nach Gelegenheit und wer gerade dabei war. Gleichzeitig entdeckte ich das studentische Nachtleben in xxxx (Studentenpartys). Auch dort habe ich viel Alkohol getrunken. Bier, Wein, Glühwein, Longdrinks, was es eben günstig gab. Irgendwann ebbte die Feierlaune etwas ab und ich konzentrierte mich wieder eher auf das Studium.
Phase 2 = Mitte 2005 – Mitte 2006: Auslandsstudium in Amerika. Das Studium dort war deutlich einfacher als in Deutschland und wir waren eine Gruppe von 80 internationale Studenten, welche die Kneipen und Clubs der neuen Großstadt kennenlernten. Auch hier haben ich oft und viel Alkohol getrunken, ähnlich wie bei Studienbeginn in Deutschland. Die beiden Phasen haben eine positive Konnotation für Alkohol geschaffen. Unterbewusst verband ich Alkohol mit „Freiheit, guter Laune, neuen Bekanntschaften, Abenteuer“.
Phase 3 = Mitte 2009- Anfang 2010: Umzug aus der „Heimat“ in eine andere Stadt zu meinem ersten Vollzeitjob, gleich in einer verantwortungsvollen Position, in der ich mich beweisen wollte . Gleichzeitig trennte sich meine damalige langjährige Freundin von mir. Es folgte eine Phase in der ich den Schmerz der Trennung und die neue Belastung durch meine eigene Erwartungshaltung mit exzessivem „Ausgehen“. Ich war jedes Wochenende in der alten Heimat unterwegs mit meiner Clique um Frauen kennenzulernen um zu feiern, zu tanzen und den Job auszublenden. Dabei floss viel Alkohol. Unter der Woche suchte ich gleichzeitig Anschluss in der neuen Stadt. In den vergangenen beiden Phasen hatte ich unterbewusst gelernt, dass das in Kneipen und auf Festen wo Alkohol getrunken wird gut funktioniert. Also war ich auch unter der Woche nach einem langen Arbeitstag manchmal in der Kneipe anzutreffen. Anfang 2010 merkte ich, dass ich nicht mit meinem Lebenswandel zufrieden bin, da mich das viele Feiern nicht wirklich ausfüllte. Ich merkte, dass ich damit was kompensiere. In der Zeit beschäftigte ich mich viel mit der (späten) Verarbeitung meiner Trennung und lernte Mitte 2010 auch meine aktuelle Partnerin kennen. Dadurch wurde mein Leben wieder ruhiger und ausgeglichener. Gleichzeitig merkte ich, dass ich den Erwartungen im Job gerecht werden kann, auch hier setzte eine Entspannung ein. Folglich wurde mein Alkoholkonsum wieder weniger. Ich trank zwar immer noch und ging ab und zu feiern, aber nicht mehr so häufig und exzessiv wie zuvor.
Phase 4 = Mitte 2014- Mitte 2015: Neue Perspektiven im Job und Umstrukturierung. Ende 2014 wurde klar, dass sich unsere Firma grundlegend Umstrukturieren musste. Innerer und äußerer Druck machten das unausweichlich. Es stand im Raum unser Europageschäft komplett abzustoßen und dafür unsere Energie auf neue Geschäftsfelder in Deutschland zu bündeln. Ich wurde vom Vorstand in diese Überlegungen involviert, da ich bis dahin für unser Europageschäft verantwortlich war. Im Raum stand auch, dass ich im Zuge der Umstrukturierungen zum Vorstand ernannt werden sollte um als Stellvertreter meines bisherigen Chefs zu fungieren. Dies löste eine Menge „positiven“ Stress in mir aus. Ich hatte die Erwartungshaltung an mich, diese Chance wahrzunehmen und gleichzeitig hatte ich sehr viel Arbeit bei der Umstrukturierung mitzuwirken. Dazu kam noch die Unsicherheit wie es letztlich mit der Firma weitergeht und wie die Umstrukturierungsmaßnahmen greifen würden. Ich trank in dieser Phase langsam aber sicher wieder mehr Alkohol. Nach langen Arbeitstagen war ich oft noch mit den mir näher stehenden Kollegen in der Kneipe um die ein oder andere Umstrukturierung bei ein paar Bier zu besprechen oder um Fußball zu schauen und eben NICHT über die Arbeit nachzudenken. Mit meiner Freundin habe ich zu Hause ab und zu (im Schnitt 1 mal pro Woche) 1 bis 2 Glas Wein getrunken um den gemeinsamen „Feierabend“ zu genießen. Am Wochenende haben wir uns oft mit unserer Clique verabredet, zum Grillen bei uns zu auf der Terasse, zu Weindorf, Cannstatter Wasen, Stadtfest, WG-Partys oder in irgendeinem Club in Stuttgart. Gelegenheiten gab es immer und bei all diesen Gelegenheiten (ca. 40 Wochenenden im Jahr) floss wieder reichlich Alkohol.
10. Wie viel und wie oft haben Sie getrunken? (Genaue Angaben in Sorte, Menge, Häufigkeit) Sehr schwere Frage, vielleicht greife ich da eher zu hoch? Klingt verdammt viel so schwarz auf weiß.
Phase 1: 15 x pro Monat jeweils durchschnittlich 2-3 kleine Bier und 4 x pro Monat zusätzlich ca. 2 Longdrinks.
Phase 2: 12 x pro Monat jeweils 5-6 kleine Bier und 4x pro Monat zusätzlich ca. 3 Longdrinks.
Phase 3: 12 x pro Monat jeweils 5-6 kleine Bier und 6 x pro Monat zusätzlich ca. 4 Longdrinks
Phase 4: 10 x pro Monat jeweils 6-7 kleine Bier und 4x pro Monat zusätzlich ca 3-4 Longdrinks. Zusätzlich 4 x pro Monat 2 Glas Wein.
Zwischen diesen „Hochphasen“ habe ich auch Alkohol getrunken und zwar ca. 6-mal pro Monat jeweils zwischen 3-4 kleine Bier und ab und zu zusätzlich 2 Longdrinks.
11. Wo und mit wem haben Sie überwiegend getrunken? In Gaststätten, auf Festen, in Clubs oder bei Partys oder gemeinsamen Abendessen mit Freunden, Bekannten oder Arbeitskollegen. Fast ausschließlich in Gesellschaft und fast ausschließlich Abends und am Wochenende.
12. Warum haben Sie getrunken? Neben dem Genusstrinken (was zwischendurch auch mal stattfand) und dem sozialen Druck, sehe ich 2 Gründe, die meinen problematischen Umgang mit Alkohol erklären.
- Verdrängung von Problemen: Vor allem 2009 war das der Fall. Meine Gefühle nach der Trennung von meiner Freundin habe ich erst nicht richtig verarbeitet sondern durch das Feiern gehen und den vielen Alkohol vor mir hergeschoben. Ich habe den Verlust an Nähe kompensiert indem ich immer neue Leute kennenlernte. Dabei floß oft viel Alkohol. Auch meine anfängliche Einsamkeit in der neuen Stadt verdrängte ich. Die unterbewusste Angst im neuen Job nicht zu genügen gehörte sicher auch dazu.
- Entspannung, abschalten und Bewältigung von positivem Stress: Vor allem seit Mitte 2014 stand dieses Trinkmotiv bei mir im Vordergrund. Es zieht sich aber rückblickend wahrscheinlich durch mein ganzes Leben. Neue Situationen in denen ich angespannt, vielleicht sogar freudig aufgeregt bin, Umzüge, neue soziale Kontakte, neue Anforderungen gingen bei mir Hand in Hand mit mehr „Feiern gehen“ und somit höherem Alkoholkonsum. Ich bin jemand, der sich selbst hohem Leistungsdruck aussetzt, welchen ich aber auch bewältige. Ich kann mich unter Anspannung im Job zur Höchstleistung bringen und das macht mir sogar riesigen Spaß. Ich trage Verantwortung und halte Druck im Job stand. ABER: Um wieder einen Gang zurückzuschalten, die Anspannung abzubauen und vom hohen Tempo runterzukommen und die Verantwortung mal nicht zu spüren nutzte ich Feiern und Feste, gemeinsame Abendessen mit Freunden und Ausgehen als Ausgleich. Dabei habe ich rückblickend zu oft zu viel Alkohol getrunken.
Heute scheinen wir die Trinkmotive und mein problematischer Umgang mit Alkohol offensichtlich. Damals habe ich einfach nicht darüber nachgedacht und den Zusammenhang nicht gesehen.
13. Welche Wirkung haben Sie in der Vergangenheit nach Alkoholgenuss bei sich beobachtet? Bei wenig Alkohol war ich locker, entspannt, fröhlich, gesellig. Bei viel Alkohol wurde ich irgendwann peinlich redselig wobei mit fortschreitendem Pegel der Sinngehalt meiner Ausführungen immer weiter nachließ.
14. Gab es kritische Hinweise Anderer auf Ihren Alkoholkonsum und wie haben Sie darauf reagiert? Ernsthafte kritische Hinweise gab es nicht. Einmal sagte meine Freundin nach einer Party, auf der ich viel getrunken hatte und irgendwann müde und besoffen heim wollte, dass ich doch das nächste Mal nicht so viel trinken solle, dann könnten wir auch länger bleiben. Ich habe darauf reagiert indem ich das nächste Mal weniger getrunken habe.
15. Welche Auswirkungen und Folgen hatte Ihr Alkoholkonsum auf Ihr Leben und Ihr Umfeld? Die Tage nach übermäßigem Alkoholkonsum (meist Samstag oder Sonntag) waren häufig verlorene Tage. Zum Glück (oder leider) war ich nicht anfällig für Kopfschmerzen, aber Katertage hießen weniger Aktivität, Müdigkeit und rumhocken auf der Couch. Wenn ich unter der Woche viel Alkohol getrunken hatte, fiel mir das Aufstehen schwerer als sonst und ich war bei der Arbeit etwas weniger produktiv als sonst.
16. Gab es in Ihrem bisherigen Leben frühere Zeiten, in denen sie weit mehr Alkohol als heute getrunken haben? Nein (siehe Frage 9). Phase 3 und Phase 4 sind in etwa vergleichbar, was die Trinkmenge angeht.
17. Haben sie jemals die Kontrolle über ihre Trinkmenge verloren und bis zur Volltrunkenheit Alkohol konsumiert? Richtig volltrunken laut der Definition war ich noch nicht. Aber ich war schon manchmal stockbesoffen. Kontrolle über die Trinkmenge hatte ich mir zu diesen Gelegenheiten gar nicht erst auferlegt, sondern es war von Anfang an klar, dass man gegen Ende des Abends torkelnd und in Klamotten ins Bett fallen wird. Außerdem hatte ich schon 3-5 Mal Erinnerungslücken an den Vorabend.
18. Haben Sie früher schon einmal oder öfter über einen längeren Zeitraum bewusst und mit Absicht völlig auf den Genuss von Alkohol verzichtet? Nein.
19. In welcher Kategorie von Trinker haben sie sich früher gesehen und wie stufen Sie sich heute rückblickend ein? Früher habe ich mich überhaupt nicht als „Trinker“ eingestuft, sondern fand meinen Konsum völlig normal. In meinem gesamten sozialen Umfeld (und in der Gesellschaft an sich) gehört Alkohol zum täglichen Leben. Im Vergleich zu meinen Peers sah ich meinen persönlichen Konsum nie als problematisch an. Nachdem ich mich jedoch mit meinem Trinkverhalten auseinandergesetzt habe erkenne ich heute den durchaus problematischen Umgang mit Alkohol. In der Typologie nach Jellinek stufe ich mich rückblickend als Betatrinker ein mit Tendenzen in Richtung Alphatrinker (Ich finde es übrigens schwer hier eine klare Trennung zu ziehen. Die Typologie trennt schwarz und weiß in der Realität gibt es viele Zwischentöne). Betatrinker deshalb, weil ich nie alleine getrunken habe, und mein Konsum vom sozialen Umfeld und den Gelegenheiten bestimmt wurde. Tendenzen zum Alphatrinker, weil ich mir mein soziales Umfeld und die Gelegenheiten immer dann unterbewusst „gesucht“ habe, wenn ich gerade Phasen von Anspannung oder emotionalem Stress durchlebte.