Glückwunsch, hast den Kopf nochmal aus der Schlinge gezogen.
Sagen wir es so: In diesen 15 langen Jahren ohne Schein hab ich doch einige Male darüber nachgedacht, was ich alles aufs Spiel gesetzt hatte und es tat oft sehr weh, darüber nachzudenken.
Ich erzähle mal meine Geschichte:
Ich hatte die FE seit 5 Jahren, als sie 2001 zum ersten Mal entzogen wurde, weil ich mit 1,2 Promille einen Auffahrunfall verursacht hatte. Dafür erhielt ich 10 Monate Sperre, kurz darauf folgten weitere alkoholisierte Fahrten, zwar mit weniger Promille, dafür auch Fahrten unter Btm-Einfluss (Canabis) und mehrfach FoFE.
Trotzdem wurde mir nach Ablauf der Sperrfrist erstmal auf Antrag ein neuer Schein erteilt.
Ca. 1 Jahr später, 2003, als die o.g. Fahrten bei der FE-Behörde dann aktenkundig wurden, folgte ein rechtskräftiger Entzug.
Die Bedingung für die Neuerteilung war die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens zur Alkohol und Cannabis Problematik sowie eine verkehrsrechtliche MPU wegen mehrfachen FoFE mit der Fragestellung, ob sowas zukünftig wieder passieren wird.
Dazu gehörten ein paar Drogen Screenings.
Diese MPU hatte ich bestanden, die Zweifel konnten vollständig ausgeräumt werden.
Ich gebe zu, dass ich in dem Gutachten gelogen hatte. Ich habe erzählt was sie vermeintlich von mir hören wollten, habe eine Konsumpause eingelegt, um die Screenings zu bestehen und wollte in Wahrheit nicht wirklich mein Verhalten ändern, ich wollte damals nur meinen Schein wiederhaben.
Ich habe damals gelegentlich Cannabis konsumiert und keinerlei Probleme darin gesehen. Dass mir das jederzeit in einer Verkehrskontrolle zum Verhängnis werden kann, selbst wenn der Konsum gar nicht im Zusammenhang mit dem Fahren steht, habe ich nicht wahrhaben wollen.
Ende 2003 nach der positiven MPU wurde mir die FE wiedererteilt. Daraufhin fuhr ich beinahe 3 Jahre, ohne aufzufallen.
1995 hatte ich erstmals mit Cannabis Kontakt und dies konsumiert, über einen Zeitraum von 10 Jahren teils gelegentlich, teils regelmäßig. Später kamen härtere Drogen dazu. Anfangs eher gelegentlich auf Parties, 2005 hörte ich auf zu kiffen, dafür nahm der Konsum der härteren Drogen immer mehr zu, bis ich über einen Zeitraum von 1,5 Jahren von Ende 2005 bis Anfang 2007 bei nahezu täglichem Konsum von hauptsächlich Methamphetamin gelandet bin. Teils in wilder Kombination mit anderen Substanzen und teils mit sehr viel Alkohol.
Den isolierten Alkoholkonsum hatte ich nie auf dem Schirm, ich muss auch sagen, dass in Kombination mit solchen Aufputschmitteln der Alkohol ganz anders wirkt, als wenn man nur einen Rausch vom trinken hat. Ich habe Alkohol in dieser Zeit eher als Ersatz verwendet, um mich irgendwie zu berauschen, wenn gerade keine anderen Drogen verfügbar waren. Deshalb war ich überrascht, dass später Alkoholsucht bei mir diagnostiziert wurde.
Im Zeitraum von 2006 bis Anfang 2007 kam es dann zu mehreren Auffälligkeiten im Straßenverkehr. Diverse Alkohol- und/oder diverse Drogenfahrten (mehrfach Amphetamine, Methamphetamin und MDMA nachgewiesen).
Im Januar 2007 wurde mir der Verzicht auf die FE eingeräumt, das verweigerte ich, im Februar 2007 deshalb der unanfechtbare Entzug.
Trotzdem bin ich weiterhin Auto gefahren, war zu dem Zeitpunkt schwer abhängig von Methamphetamin, habe beinahe 1 Gramm pro Tag konsumiert. Fahren und Drogenkonsum konnte ich gar nicht trennen, da die Drogen meinen Alltag bestimmten. Begleitend zu dieser Sucht auch Beschaffungskriminalität, ebenfalls diverse Straftaten mit dem PKW begangen.
Im Februar 2007 kam dann ein Schlüsselerlebnis, weshalb ich mit dem Drogenkonsum aufgehört habe. Nicht sofort, aber ich habe in den Wochen danach angefangen nachzudenken, mein Verhalten zu hinterfragen und festgestellt, dass ich ganz unten angekommen bin und ich nicht will, dass es so weitergeht. 2 Monate hat es noch gedauert, dann habe ich von einem Tag auf den anderen aufgehört zu konsumieren.
Zuerst bin ich noch weiter Auto gefahren, das letzte Mal dokumentiertes FoFE fand im Juli 2007 statt.
Dann habe ich auch das bleiben lassen, weil mir nach und nach klar wurde, dass ich anfangen muss, mich an Regeln zu halten, wenn ich irgendwie mein Leben wieder in den Griff bekommen will.
Seit April 2007 lebe ich abstinent. Heute weiß ich einiges über Suchtkrankheit.
Nachdem ich mich nun erholt hatte und beinahe 2 Jahre schon abstinent gelebt hatte, beantragte ich die FE neu.
Nahm an der angeordneten MPU teil und war erstmal sehr überheblich. Weil ich ja wenige Jahre vorher auf Anhieb eine mit doppelter Fragestellung bestanden hatte, habe ich gemeint, ich könnte auch diesmal relativ einfach bestehen. Einfach in dem Sinne war die erste zwar nicht, aber bestanden hatte ich trotzdem, so war ich der Meinung, das funktioniert auch ein 2. Mal und ich könnte mit ähnlichem Aufwand ohne Probleme bestehen. Deshalb bin ich völlig unvorbereitet reingegangen. Ich hatte ja fast 2 Jahre Verhaltensänderung gelebt, fühlte mich gut damit und hatte deutlich an Lebensqualität gewonnen, ich war sehr optimistisch bezüglich der MPU.
Im Rahmen dieser angeordneten MPU wurde eine kombinierte Alkohol- und Drogensucht diagnostiziert. Keine ärztliche Diagnose sondern eine Feststellung anhand der Schilderung meines Konsums in der besuchten Suchtberatung vor der Begutachtung sowie die Annahme des GA im MPI, anhand der Schilderung meines Konsums, bei mir müsse eine ausgeprägte Sucht vorliegen. (Als „Polytoxikomanie“ wurde mein Verhalten im Gutachten bezeichnet.)
Als ich das Gutachten dann erhalten hatte, eine Haaranalyse hatte ich dazugegeben, kam der Gutachter zur Einschätzung, dass ich meine Problematik zwar aufgearbeitet habe, das allein aber nicht genügt. Es wurde als Bedingung für ein positives Gutachten eine professionelle Aufarbeitung empfohlen, hier fand ich es schwierig, anzusetzen. Ich hatte mich ja praktisch ohne fremde Hilfe selbst therapiert und die Verhaltensänderung bereits vollzogen, mir war nicht ganz klar, wenn kein akuter Therapiebedarf mehr besteht, wie ich dann vorgehen sollte.
Der nachgewiesene AB Zeitraum per Haaranalyse war zu kurz, man hätte mir bis 8 Monate AB anerkannt, gefordert wurde aber mindestens 1 Jahr. Zusätzlich wurde je eine weitere Begutachtung gefordert, eine wegen Alkoholsucht incl. AB Nachweis und eine aufgrund der verkehrsrechtlichen Belange.
Aufgrund der Dicke meiner Akte und der Vielzahl der Vorfälle gab es in meinem Fall keinerlei Ermessensspielraum, da es sich um fortgeschrittene Drogenproblematik handelte.
Das alles war für mich zu diesem Zeitpunkt finanziell nicht zu leisten, sodass ich mich schließlich für das Aussitzen der Tilgungsfrist entschied.
Im Nachhinein betrachtet aus der Sicht des Gutachters war diese Einschätzung absolut nachvollziehbar. Aus heutiger Sicht anhand der Aktenlage und Fakten würde ich das genauso sehen. Wenn man die Taten betrachtet, geht sowas natürlich gar nicht.
Mit meinem heutigen Wissen denke ich, dass es mit guter Vorbereitung und wenn man die nötigen finanziellen Mittel hat, auch unter diesen Umständen möglich gewesen wäre, die MPU zu bestehen, auch wenn es begründet natürlich nicht mehr so einfach gewesen wäre.
Heute habe ich mich von all dem distanziert und ich bin froh, dass ich jetzt ein ganz normales Leben führe. Früher hatte ich gar kein Unrechtsbewusstsein, heute schäme mich für alles, was damals vorgefallen ist und ich bin froh, dass keine Menschen durch meine Gefährdung im Straßenverkehr zu Schaden gekommen sind.