Mickey
Benutzer
[COLOR="Blü"]Ich dachte mir, daß ich als Beispiel, wie das Psychologengespräch aussehen kann und auch das Ergebenis, hier mal meine Explo hinein setze.
Zwar sind dort im Text Fragen zu sehen, diese wurden jedoch nicht gestellt. Im Wesentlichen habe ich einen 70 minütigen Monolog geführt, getreu dem Motto: Wer was verändert hat, der hat auch was zu erzählen.
Scheinbar war für das Gutachten alles Wichtige enthalten, so daß die Psychologin dort die einzelnen Fragen mit einbinden konnte
Ich habe das ganze mit OCR gescannt, kann also sein, daß dementsprechend hier und da mal ein Buchstabe fehl....[/COLOR]
Psychologische Exploration
Das verkehrspsychologische Untersuchungsgespräch orientiert sich nach Inhalt, Ablauf und Zielsetzung
an dem vorgegebenen Untersuchungsanlass. Herrn ... wurde zu Beginn der Untersuchungsablauf
und die Verfahrensweise bis zur Versendung des Gutachtens erklärt, sowie das Ziel erläutert, Anhalts-
punkte und Befunde zu erheben, welche eine positive Prognose zukünftigen Verhaltens gestatten.
Herr ... berichtete über sich, er sei ausgebildeter Kfz-Mechaniker und jetzt als Lagermeister bei einer Umzugsfirma beschäftigt. Nebenbei betreibe er einen lnternet-Handel für griechische Produkte.
Herr ... gab an, er sei seit 1995 verheiratet.
Er habe ja an einem Alkoholkontrollprogramm als Abstinenzbeleg teilgenommen.
Wann er zuletzt Alkohol in irgendeiner Form konsumiert habe?
,,Am 22.03.letztes Jahr. lrgendwann um sieben, viertel nach sieben abends ungefähr."
Warum er seinen Alkoholkonsum danach ganz eingestellt habe?
,,Zürst war das der Frust. Ich habe einen Fehler gemacht, bin betrunken Auto gefahren. Hatte mir
immer gesagt, so was macht man nicht. Dann habe ich es gemacht. Dann wird man den Führerschein
los, ist frustriert. War so mein erster Gedanke: Kann nicht sein! Scheiß Alkohol!
Dann kamen nach einer Woche die Werte, die mich sehr schockiert haben, 2,1 Promille. Hätte ich nicht
gedacht, dass ich damit noch was steürn kann. Dann musste ich mir Gedanken machen. Und bei 2,1 promille auzuhö-
ren war für mich klar. Das bedeutet, ich muss ja schon seit Jahren zuviel getrunken haben. (...) Und
ich möchte nicht in dieses endgültige Abseits abdriften. Da gab es nur die eine Möglichkeit. Jetzt trinke
ich halt gar nichts mehr. Auch wenn es am Anfang ziemlich schwer war, auf das Feierabendbier zu
vezichten, wenn ich ehrlich bin."
Wie sein Alkoholkonsum vor der Trunkenheitsfahrt generell ausgesehen habe?
,,Wenn wir mal das letzte halbe Jahr vor der Trunkenheitsfahrt außen vor lassen, das gehört eigentlich
alles zur Trunkenheitsfahrt dazu, habe ich nach Feierabend schon seitdem ich im Berufsleben stehe
anfangs ein, zwei Bier getrunken. Dann wurden es kontinuierlich mehr. Es wurden dann doch vier,
fünf Bier am Abend, halbe Liter."
Ob er jeden Abend diese Feierabendbiere getrunken habe?
,,Ja. Es gab mal einen Abend, wo ich sagte, ich trinke nicht. Oder wenn ich sehr lange gearbeitet habe,
war nicht die Zeit. Dann hat man Bier kein getrunken und ist ins Bett gegangen. (...) Dann war die
einfach die Zeit nicht da. Aber man kann sagen, ich habe schon jeden Abend Bier getrunken. War
schon vom Lehrberuf so üblich. Es war normal. (...) Aber es wurde über die Jahre immer mehr. Für
mich war die Trunkenheitsfahrt oder die Bremse der Polizei perfekt. War wie ein Knopf: überprüf mal
deinen Alkoholkonsum."
Ob es Anlässe gegeben habe, bei denen er mehr als fünf Bier a 0,5 l getrunken habe?
,,Ja, bei Familienfeiern habe ich wenig getrunken, aber wenn ich mit Freunden Geburtstag gefeiert
habe oder Silvester habe ich sicher mehr getrunken. Dann habe ich im einzelnen auch nicht gezählt.
Aber das waren dann sicherlich auch mal neun, immer halbe Liter wohlgemerkt."
Aus welchen Gründen oder Motiven sich sein Alkoholkonsum so gesteigert habe?
,,Ich denke, die Wirkung des Alkohols... Ich habe das Bier abends zum Abschalten getrunken, zum
Entspannen. Früher waren es acht, neun Stunden, die man gearbeitet hat. Man kam nach einem
stressigen Tag nach Hause, hat sich vor den Fernseher gesetzt, wollte abschalten und hat Bier ge-
trunken. Ich habe es damals als normal empfunden."
Ob er immer mehr getrunken habe, weil die Menge weniger Wirkung gehabt habe?
,,Ich denke, die Wirkung des Alkohols hat nachgelassen, die entspannende Wirkung. Mir ist jetzt beim
Nachdenken auch aufgefallen, dass ich immer, wenn ich früher frustriert war von der Arbeit oder wegen
privater Probleme, die dann immer in Alkohol ertränkt habe. Einfach weil ich nicht in der Lage war zu
Freunden zu gehen und zu sagen: Können wir mal reden."
Was ihm der Alkohol in solchen Situationen gebracht habe?
,,In dem Moment hat er das vergessen gemacht. Nächsten Tag waren die Probleme natürlich immer
noch da. Man hat über nichts gesprochen. Es war immer noch alles unklar. lch erinnere mich an eine
gescheiterte Beziehung, wo ich nachher sehr viel getrunken habe. Meine Familie, die Freundin und ihre
Tochter, sind dann ausgezogen. Das hat mich sehr zurückgeschmissen. Da habe ich sehr, sehr viel
getrunken."
Was das heiße?
,,Weiß ich nicht. Wesentlich mehr als normal. lch denke, damals habe ich schon 10, 12 Halbe ge-
trunken, bestimmt. Da habe ich mich regerecht vollaufen lassen. Das Problem war, dass die Probleme
immer noch da waren. lch kam morgens nicht aus dem Bett, konnte nicht zur Arbeit gehen. Das Pro-
blem wurde eigentlich mehr verschärft als dass es gelöst wurde."
Wann diese Phase gewesen sei?
,,Das war direkt vor meiner Ehe. (...) 15 Jahre ist es vielleicht her. Muss Anfang 94 gewesen sein."
Er habe eingangs angedeutet, dass es etwa ein halbes Jahr direkt vor der Trunkenheitsfahrt noch an-
ders mit seinem Alkoholkonsum gewesen sei:
,,Im Grunde gehört das halbe Jahr vor der Trunkenheitsfahrt alles zur Trunkenheitsfahrt dazu. Da
habe ich auch sehr viel getrunken. Wesentlich mehr, die ganze Zeit über. Da wurde ich sogar von
meiner Frau drauf angesprochen, habe dann aber abgewiegelt. Deswegen würde ich das gern in die
Trunkenheitsfahrt mit hineinnehmen. (...) Die Trunkenheitsfahrt war nur das Ergebnis von dem halben
Jahr."
Dann möge er diese Zeit und die Trunkenheitsfahrt schildern:
,,Im September 08 hat mich meine Jugendliebe angerufen, meine allererste Freundin. Wir haben
dann immer viel telefoniert im September. Dann haben wir gesagt, wir treffen uns mal. Dann haben
wir uns getroffen. Da hat es dann bisschen gefunkt, gefühlstechnisch. Problem war, die ist verheiratet,
ich bin verheiratet. Und eigentlich liebe ich meine Frau auch. (...) Dann haben wir ein Verhältnis ange-
fangen. Aber irgendwie kam meine Seele damit nicht klar.
So ein Gefühl war da, ich bin verliebt. Aber meine Seele sagte: Das geht nicht, du liebst deine Frau. (...) Wir haben jeden Abend über lnternet-Chat kommuniziert. lch habe mich dann abends zurückgezogen in mein Arbeitszimmer. Meine Frau hat gedacht, ich arbeite.
lch habe wesentlich mehr getrunken in der Zeit.lch würde sagen, jeden Abend sieben, acht Halbe. Dadurch sollte eigentlich irgendwie mein Gefühl beruhigt werden. lch war verliebt, aber glücklich verheiratet. Und dieser Zwiespalt, den habe ich versucht durch den Alkohol zu betäuben.
Und an den Tagen, wo ich mein Verhältnis getroffen habe, habe ich gar nichts getrunken.
So steigerte sich das auch kontinuierlich der Alkoholkonsum bis Dezember. An meinem Geburtstag hat
sie dann das Verhältnis beendet. Zwei Tage vor Weihnachten. Da bin ich innerlich ganz kollabiert. Das
war für mich der letzte Punkt. Wir haben uns weiterhin im Chat getroffen jeden Abend. Nun war aber
die Frustsituation noch viel größer. Jetzt war nicht mehr der innere Zwiespalt da. Meine Frau wusste
nichts davon. Ich versuchte dann durch den Alkohol im Grunde den Frust loszuwerden, der durch die
Trennung entstanden ist, und trank dementsprechend noch mehr."
Was in der Zeit eine wirklich hohe Trinkmenge für ihn gewesen sei?
,,Meine Frau hat mal ein Resümee mit mir gezogen. Wir haben lange gesprochen, waren bei einer
Partnerschaftsberatung. (...) Es waren vier Kisten pro Woche, also 80 Flaschen Weißbier in einer Wo-
che. Da trinken andere Leute ein halbes Jahr von. Es war wirklich sehr viel."
Was an einem Tag eine hohe Menge gewesen sei?
,,Pro Woche bin ich zwei-, dreimal in den Getränkeladen gefahren und habe Bier gekauft. (...) Wenn
ich wusste, ich habe kein Bier im Kühlschrank, habe ich eine halbe Kiste geholt, die konnte ich tragen.
Die waren dann drei viertel leer an dem Abend. Also, 12 Flaschen und davon waren am nächsten Tag
vielleicht noch zwei da. Meine Frau hatte mich dann auch drauf angesprochen, dass ich zuviel trinke.
Aber ich war nicht mutig genug, ihr das alles zu erzählen. Ich habe durch den Alkohol versucht, das
Ganze zu betäuben. (...) lch habe mich in der Zeit auch sehr zurück gezogen von Freunden, von fast
allem.
Außer von der Arbeit, da blieb mir ja nichts übrig. Aber meinem Chef ist auch aufgefallen, dass ich ziemlich unmotiviert war."
Ob er selbst damals mal das Gefühl gehabt habe, dass er zuviel trinke?
,,Nein, nie! Für mich war das normal: lch bin frustriert. Januar, Februar war es für mich normal. Ich
habe da gar nicht so drüber nachgedacht. Bin zum Kühlschrank gegangen, habe Bier getrunken. Bier
war alle, das nächste genommen. (.. ) Im Grunde sind ja auch fünf Bier am Abend zuviel. Aber ich
habe nie das Gefühl gehabt, anders zu sein als andere Kollegen. Liegt sicher auch daran, dass ich
seit 22 Jahren in einer Möbelspedition arbeite. Da wurde früher immer sehr viel getrunken. (...) Das
ist allerdings heute nicht mehr so.
Aber dann spielt sicher eine Rolle, dass es Bier war. Harten Alkohol trinke ich nicht, das Bier ging so als Nahrungsmittel durch (...)"
Herr ... wurde gebeten zu schildern, wie es zu der Trunkenheitsfahrt vom 22.03.09 gekommen sei:
,,Die fing am Samstag an. Die Fahrt selber war am Sonntag. Aber am Samstagabend bin ich in diesen
Internetchat reingegangen, wie üblich Bier auf und getrunken. Nächstes Bier geholt. (...) Hatte da
mitgekriegt, dass sie sich mit einem Bekannten von mir eingelassen hat, obwohl sie sich von mir ge-
trennt hat, um ihre Ehe zu schützen. (...) Dadurch eskalierte die Situation.
An dem Samstag habe ich angefangen, sie zur Rede zu stellen, habe immer mehr getrunken. Dann war es irgendwann zwischen
zwei und drei. Da habe ich aufgehört zu trinken und bin ins Bett gegangen, war sehr betrunken. Kann
mich auch ans Ende des Chats nicht mehr erinnern. (...) Dann bin ich um 11 aufgestanden, meine Frau
war schon auf der Arbeit. (...) Hab Kaffee getrunken. Gegen 12 habe ich mein erstes Bier getrun-
ken. Habe dann mit einer Freundin, die in Griechenland lebt, kommuniziert. Die aber nicht wusste,
dass ich was trinke. Zwischen zwei und drei hat meine Ex-Freundin mich bestimmt eine Stunde lang
am Telefon angeschrieben. Irgendwann habe ich sie einfach schreien lassen, habe dabei weiter über Skype gechatet. Ich war ja schon betrunken, war ja noch betrunken. Ich muss, als ich aufgestanden bin, noch
ungefähr 1 Promille gehabt haben."
Was und wie viel er insgesamt an dem Tag bzw. Vorabend getrunken habe?
,,Am Abend vorher habe ich von sechs Uhr bis drei Uhr morgens getrunken, im Schnitt ein Bier pro
stunde' Das müssten neun Bier gewesen sein, halbe Liter. Dann habe ich geschlafen acht stunden.
Dann habe ich eine Stunde lang Kaffee getrunken. Und dann habe ich weitergetrunken." (...)
Wie vieler an dem Tag der Fahrt, also dem sonntag noch getrunken habe?
,,Da habe ich von 12 bis 19 Uhr auch definitiv noch einen Schnaps getrunken, weil ich bei griechi-
schen Freunden war, die das eingeschenkt haben, die allerdings auch nicht wussten, dass ich mit dem
Auto da war. Das war einer, sicher, ist aber auch möglich, dass es zwei waren. Ouzo mit 40 %. Und
das Biertrinken setzte ich fleißig weiter fort. (. .) Man kann immer von einem Bier pro Stunde ausge-
hen, halbe Liter. Die Schnäpse waren immer Doppelte. 4 cl passt da rein. (...) Nachmittags um vier
meinte meine Freundin in Griechenland: Geh doch einfach mal raus, fahr eine Runde Auto.
Dann habe ich das gemacht! Gegen fünf bin ich aus dem Haus gegangen. Reine Bauchentscheidung: lch
muss raus aus der Wohnung. Überhaupt nicht nachgedacht, bin betrunken losgefahren zu meinen
Freunden. Circa sieben Kilometer entfernt. Bin nicht aufgefallen, was mich immer noch erschüttert,
was zeigt, dass ich Alkohol gewohnt war. Habe da noch zwei Bier getrunken und den Schnaps. Bin
dann zu meinem Auto gegangen, was die auch nicht wussten, bin eingestiegen und losgefahren und
nach 300 - 400 Meter aufgefallen. Das war ein Polizist, der auf dem Weg zum Dienst war.
(...) Dem fielen meine leichten Schlangenlinien auf (...) Unsichere Fahrweise (.. ) Und gefahren bin ich
drei Kilometer. (...) Dann haben die mich auf einer Bushaltestelle angehalten (...) lch habe auch ge-
pustet, kann mich daran aber gar nicht erinnern. Bin dann zur Wache gefahren worden, habe offen-
sichtlich auch noch meine Frau angerufen, dass sie mich abholt. Und das war der letzte Tag, wo ich
was getrunken hatte. Die ersten Wochen war es halt der Frust, dann kam das Ergebnis der Blutprobe.
Dann musste ich anfangen umzudenken.,'(...)
Wie er die Umstellung auf Abstinenz generell erlebt habe?
,,Man kommt abends nach Hause, sitzt da mit einem Glas Apfelschorle oder O-Saft oder bei diesen
Temperaturen einem Tee. Das ist nicht einfach, es fehlt was. Es ist kein Entzug da. Aber es fehlt am Anfang das gemütliche Glas Bier. Es war ja im Kopf vorhanden. (...) Das sind ja über Jahre erlernte Dinge."
Ob er in der ersten zeitmal Schlafstörungen oder Unruhe bemerkt habe?
"Nein, komischerweise konnte ich sogar besser schlafen. Ich habe früher ganz oft gesagt, ich trinke ein
Bier und brauche die nötige Bettschwere, wenn ich erst spät vom Umzug kam. (...) Und ich schlafe
auch besser ohne Alkohol, viel besser, komme auch morgens besser hoch. Was mein Chef auch
gleich ausgenutzt hat und mich zu einer Schulung geschickt fur Computer und Netzwerke. (...) Der hat
ja mitgekriegt, dass ich gar nichts mehr trinke, dass ich mehr arbeite und besser arbeite. (...) Dann hat
er mich gefragt, ob ich Lust hätte, zusätzlich zu meinem Job mit einem anderen Kollegen die Netz-
werkbetreuung zu machen.,, (...)
Was Kollegen und Freunde dazu gesagt hätten, dass er keinen Alkohol mehr trinke?
"Wirklich gute Freunde fanden das gut. Und von Bekannten habe ich mich zum Teil trennen müssen,
die es überhaupt nicht nachvollziehen konnten. (...)
Gute Freunde haben mich unterstützt und motiviert.
Zusätzlich habe ich noch Unterstützung durch die AA gefunden habe. Anfangs war ich überwiegend in geschlossenen Meetings in Eidelstedt.
Das schaffe ich zeiflich nicht mehr, da bin ich jetzt auf einem geschlossenen Meeting für Leute, die abends lange arbeiten. Das sind Online-Meetings. Man trägt sich da ein, wird Mitglied und kann sich 24 stunden am Tag an den Computer setzen und E-Mails
schicken. (...)
Und man bekommt auch immer Resonanz, irgend einer ist immer da. Und man kann es mal loswerden' und ich musste ja umlernen. lch musste lernen, meinen Frust nicht weg zu trinken,sondern über meinen Frust zu reden.
Das bekommen die wirklich guten Freunde zu spüren, wo ich sonst sporadisch Kontakt hatte alle zwei Wochen. Jetzt müssen sie damit rechnen, dass ich sie besuche und den ganzen Abend voll quatsche. Aber dafur hat man gute Freunde. (...) Mein bester Freund hat mich gerade in diesem Alkoholding sehr bestärkt und unterstützt nichts mehr zu trinken."
Ob er eine Idee habe, warum er immer so reagiert und bei Probleme nicht darüber gesprochen, son-
dern zu Alkohol gegriffen habe?
"Ich war nicht in der Lage. Ich wollte niemandem zur Last fallen. Ich habe mich auch nicht getraut. Ich
kam gestresst von der Arbeit, mochte mit meiner Frau nicht sprechen, wollte sie mit meinen Problemen
von der Arbeit nicht belasten. Wollte auch keine Freunde damit belasten. Habe auch die Probleme auf
der Arbeit nicht direkt geklärt sondern mit nach Hause geschleppt. (...) Ich saß zwischen den Stühlen:
Früher war ich Betriebsrat. (...) Dann war ich leitender Angesellter. Hatte plötzlich eigene Angestellte
und zwei Lehrlinge. (...) Ich habe plötzlich Druck von allen Seiten bekommen. (...) Und hatte da mit nie-
mandem drüber gesprochen. (...) Deswegen bin ich auch so froh, dass ich letztes Jahr durch eine
Freundin, die ich schon lange kenne, zu einer Psychologin gegangen bin. Das ist ja jemand, den ich
dafür auch bezahle. (...) Die macht eigentlich Eheberatung aber auch anderes. (...) und immer wenn
ich Probleme habe und keinen meiner Freunde erreiche oder auch die AAs nicht belasten möchte, rufe ich da an. (...) Und das hilft tatsächlich. (...) Ich bin immer wieder erschüttert, wie schnell so eine Stunde vorbei ist, die viel Geld kostet. Aber das Geld habe ich jetzt über, jetzt trinke ich keinen Alkohol. (...) ... heißt die."
Wie oft und wie lange er dort Gespräche geführt habe?
,,Mit der Eheberatung waren wir fünfmal da. lch war erst allein da. lch habe ihr dieses halbe Jahr er-
zählt. (...) Als sie das gehört hat, hat sie gesagt, wir müssen erst mal alleine sprechen. Sie wollte erst
mal das halbe Jahr aufarbeiten. (...) Das war nur dreimal. Dann kam die Eheberatung. Wobei ich
mich mit meiner Frau schon ausgesprochen hatte. Nach der Trunkenheitsfahrt habe ich es ihr ge-
beichtet, als ich nüchtern war. Und dann ist das passiert, womit ich nicht gerechnet hatte, meine Frau
stand hinter mir. Das hat auch mein Verhalten in der Ehe verändert. (...) Und wir haben angefangen,
Sachen zu machen, die wir früher nicht oder lange nicht gemacht haben, sind viel mehr unterwegs
gewesen. (...) Ich hätte ja Menschen über den Haufen fahren und einen schweren Unfall verursachen
können. Darf ich gar nicht drüber nachdenken." (...)
Wie er in Zukunft langfristig mit Alkohol umgehen wolle?
,,Ich möchte ihn nicht mehr trinken. Ich bleibe auch bei den AA. lch habe auch
kein Problem mehr damit, meine Freunde mit meinen Problemen zu belästigen. lch habe auch kein
Problem, eine Psychologin ins Anspruch zu nehmen." (...)
Was dagegen spreche, dass er bei einem besonderen Anlass mal ein Bier trinke?
,,Ich habe bei den AA gelernt, da ging es immer um die 24-Stundenregel, das erste
Glas stehen lassen. Ich weiß nicht, wenn ich das erste Glas trinke, ob ich ein zweites oder drittes
trinke. Wenn ich das erste Glas stehen lasse, das kann ich. Also tü ich das. Das war ein Lernprozess.
Ich halte mich nicht für einen Alkoholiker, aber für schwer alkoholgefährdet und möchte auf keinen Fall
Alkoholiker werden. lch kenne Leute, die auf Entgiftung waren. Das muss ich nicht haben." (...)
Explorationszeit: 09.26 bis 10.32 Uhr
Zwar sind dort im Text Fragen zu sehen, diese wurden jedoch nicht gestellt. Im Wesentlichen habe ich einen 70 minütigen Monolog geführt, getreu dem Motto: Wer was verändert hat, der hat auch was zu erzählen.
Scheinbar war für das Gutachten alles Wichtige enthalten, so daß die Psychologin dort die einzelnen Fragen mit einbinden konnte
Ich habe das ganze mit OCR gescannt, kann also sein, daß dementsprechend hier und da mal ein Buchstabe fehl....[/COLOR]
Psychologische Exploration
Das verkehrspsychologische Untersuchungsgespräch orientiert sich nach Inhalt, Ablauf und Zielsetzung
an dem vorgegebenen Untersuchungsanlass. Herrn ... wurde zu Beginn der Untersuchungsablauf
und die Verfahrensweise bis zur Versendung des Gutachtens erklärt, sowie das Ziel erläutert, Anhalts-
punkte und Befunde zu erheben, welche eine positive Prognose zukünftigen Verhaltens gestatten.
Herr ... berichtete über sich, er sei ausgebildeter Kfz-Mechaniker und jetzt als Lagermeister bei einer Umzugsfirma beschäftigt. Nebenbei betreibe er einen lnternet-Handel für griechische Produkte.
Herr ... gab an, er sei seit 1995 verheiratet.
Er habe ja an einem Alkoholkontrollprogramm als Abstinenzbeleg teilgenommen.
Wann er zuletzt Alkohol in irgendeiner Form konsumiert habe?
,,Am 22.03.letztes Jahr. lrgendwann um sieben, viertel nach sieben abends ungefähr."
Warum er seinen Alkoholkonsum danach ganz eingestellt habe?
,,Zürst war das der Frust. Ich habe einen Fehler gemacht, bin betrunken Auto gefahren. Hatte mir
immer gesagt, so was macht man nicht. Dann habe ich es gemacht. Dann wird man den Führerschein
los, ist frustriert. War so mein erster Gedanke: Kann nicht sein! Scheiß Alkohol!
Dann kamen nach einer Woche die Werte, die mich sehr schockiert haben, 2,1 Promille. Hätte ich nicht
gedacht, dass ich damit noch was steürn kann. Dann musste ich mir Gedanken machen. Und bei 2,1 promille auzuhö-
ren war für mich klar. Das bedeutet, ich muss ja schon seit Jahren zuviel getrunken haben. (...) Und
ich möchte nicht in dieses endgültige Abseits abdriften. Da gab es nur die eine Möglichkeit. Jetzt trinke
ich halt gar nichts mehr. Auch wenn es am Anfang ziemlich schwer war, auf das Feierabendbier zu
vezichten, wenn ich ehrlich bin."
Wie sein Alkoholkonsum vor der Trunkenheitsfahrt generell ausgesehen habe?
,,Wenn wir mal das letzte halbe Jahr vor der Trunkenheitsfahrt außen vor lassen, das gehört eigentlich
alles zur Trunkenheitsfahrt dazu, habe ich nach Feierabend schon seitdem ich im Berufsleben stehe
anfangs ein, zwei Bier getrunken. Dann wurden es kontinuierlich mehr. Es wurden dann doch vier,
fünf Bier am Abend, halbe Liter."
Ob er jeden Abend diese Feierabendbiere getrunken habe?
,,Ja. Es gab mal einen Abend, wo ich sagte, ich trinke nicht. Oder wenn ich sehr lange gearbeitet habe,
war nicht die Zeit. Dann hat man Bier kein getrunken und ist ins Bett gegangen. (...) Dann war die
einfach die Zeit nicht da. Aber man kann sagen, ich habe schon jeden Abend Bier getrunken. War
schon vom Lehrberuf so üblich. Es war normal. (...) Aber es wurde über die Jahre immer mehr. Für
mich war die Trunkenheitsfahrt oder die Bremse der Polizei perfekt. War wie ein Knopf: überprüf mal
deinen Alkoholkonsum."
Ob es Anlässe gegeben habe, bei denen er mehr als fünf Bier a 0,5 l getrunken habe?
,,Ja, bei Familienfeiern habe ich wenig getrunken, aber wenn ich mit Freunden Geburtstag gefeiert
habe oder Silvester habe ich sicher mehr getrunken. Dann habe ich im einzelnen auch nicht gezählt.
Aber das waren dann sicherlich auch mal neun, immer halbe Liter wohlgemerkt."
Aus welchen Gründen oder Motiven sich sein Alkoholkonsum so gesteigert habe?
,,Ich denke, die Wirkung des Alkohols... Ich habe das Bier abends zum Abschalten getrunken, zum
Entspannen. Früher waren es acht, neun Stunden, die man gearbeitet hat. Man kam nach einem
stressigen Tag nach Hause, hat sich vor den Fernseher gesetzt, wollte abschalten und hat Bier ge-
trunken. Ich habe es damals als normal empfunden."
Ob er immer mehr getrunken habe, weil die Menge weniger Wirkung gehabt habe?
,,Ich denke, die Wirkung des Alkohols hat nachgelassen, die entspannende Wirkung. Mir ist jetzt beim
Nachdenken auch aufgefallen, dass ich immer, wenn ich früher frustriert war von der Arbeit oder wegen
privater Probleme, die dann immer in Alkohol ertränkt habe. Einfach weil ich nicht in der Lage war zu
Freunden zu gehen und zu sagen: Können wir mal reden."
Was ihm der Alkohol in solchen Situationen gebracht habe?
,,In dem Moment hat er das vergessen gemacht. Nächsten Tag waren die Probleme natürlich immer
noch da. Man hat über nichts gesprochen. Es war immer noch alles unklar. lch erinnere mich an eine
gescheiterte Beziehung, wo ich nachher sehr viel getrunken habe. Meine Familie, die Freundin und ihre
Tochter, sind dann ausgezogen. Das hat mich sehr zurückgeschmissen. Da habe ich sehr, sehr viel
getrunken."
Was das heiße?
,,Weiß ich nicht. Wesentlich mehr als normal. lch denke, damals habe ich schon 10, 12 Halbe ge-
trunken, bestimmt. Da habe ich mich regerecht vollaufen lassen. Das Problem war, dass die Probleme
immer noch da waren. lch kam morgens nicht aus dem Bett, konnte nicht zur Arbeit gehen. Das Pro-
blem wurde eigentlich mehr verschärft als dass es gelöst wurde."
Wann diese Phase gewesen sei?
,,Das war direkt vor meiner Ehe. (...) 15 Jahre ist es vielleicht her. Muss Anfang 94 gewesen sein."
Er habe eingangs angedeutet, dass es etwa ein halbes Jahr direkt vor der Trunkenheitsfahrt noch an-
ders mit seinem Alkoholkonsum gewesen sei:
,,Im Grunde gehört das halbe Jahr vor der Trunkenheitsfahrt alles zur Trunkenheitsfahrt dazu. Da
habe ich auch sehr viel getrunken. Wesentlich mehr, die ganze Zeit über. Da wurde ich sogar von
meiner Frau drauf angesprochen, habe dann aber abgewiegelt. Deswegen würde ich das gern in die
Trunkenheitsfahrt mit hineinnehmen. (...) Die Trunkenheitsfahrt war nur das Ergebnis von dem halben
Jahr."
Dann möge er diese Zeit und die Trunkenheitsfahrt schildern:
,,Im September 08 hat mich meine Jugendliebe angerufen, meine allererste Freundin. Wir haben
dann immer viel telefoniert im September. Dann haben wir gesagt, wir treffen uns mal. Dann haben
wir uns getroffen. Da hat es dann bisschen gefunkt, gefühlstechnisch. Problem war, die ist verheiratet,
ich bin verheiratet. Und eigentlich liebe ich meine Frau auch. (...) Dann haben wir ein Verhältnis ange-
fangen. Aber irgendwie kam meine Seele damit nicht klar.
So ein Gefühl war da, ich bin verliebt. Aber meine Seele sagte: Das geht nicht, du liebst deine Frau. (...) Wir haben jeden Abend über lnternet-Chat kommuniziert. lch habe mich dann abends zurückgezogen in mein Arbeitszimmer. Meine Frau hat gedacht, ich arbeite.
lch habe wesentlich mehr getrunken in der Zeit.lch würde sagen, jeden Abend sieben, acht Halbe. Dadurch sollte eigentlich irgendwie mein Gefühl beruhigt werden. lch war verliebt, aber glücklich verheiratet. Und dieser Zwiespalt, den habe ich versucht durch den Alkohol zu betäuben.
Und an den Tagen, wo ich mein Verhältnis getroffen habe, habe ich gar nichts getrunken.
So steigerte sich das auch kontinuierlich der Alkoholkonsum bis Dezember. An meinem Geburtstag hat
sie dann das Verhältnis beendet. Zwei Tage vor Weihnachten. Da bin ich innerlich ganz kollabiert. Das
war für mich der letzte Punkt. Wir haben uns weiterhin im Chat getroffen jeden Abend. Nun war aber
die Frustsituation noch viel größer. Jetzt war nicht mehr der innere Zwiespalt da. Meine Frau wusste
nichts davon. Ich versuchte dann durch den Alkohol im Grunde den Frust loszuwerden, der durch die
Trennung entstanden ist, und trank dementsprechend noch mehr."
Was in der Zeit eine wirklich hohe Trinkmenge für ihn gewesen sei?
,,Meine Frau hat mal ein Resümee mit mir gezogen. Wir haben lange gesprochen, waren bei einer
Partnerschaftsberatung. (...) Es waren vier Kisten pro Woche, also 80 Flaschen Weißbier in einer Wo-
che. Da trinken andere Leute ein halbes Jahr von. Es war wirklich sehr viel."
Was an einem Tag eine hohe Menge gewesen sei?
,,Pro Woche bin ich zwei-, dreimal in den Getränkeladen gefahren und habe Bier gekauft. (...) Wenn
ich wusste, ich habe kein Bier im Kühlschrank, habe ich eine halbe Kiste geholt, die konnte ich tragen.
Die waren dann drei viertel leer an dem Abend. Also, 12 Flaschen und davon waren am nächsten Tag
vielleicht noch zwei da. Meine Frau hatte mich dann auch drauf angesprochen, dass ich zuviel trinke.
Aber ich war nicht mutig genug, ihr das alles zu erzählen. Ich habe durch den Alkohol versucht, das
Ganze zu betäuben. (...) lch habe mich in der Zeit auch sehr zurück gezogen von Freunden, von fast
allem.
Außer von der Arbeit, da blieb mir ja nichts übrig. Aber meinem Chef ist auch aufgefallen, dass ich ziemlich unmotiviert war."
Ob er selbst damals mal das Gefühl gehabt habe, dass er zuviel trinke?
,,Nein, nie! Für mich war das normal: lch bin frustriert. Januar, Februar war es für mich normal. Ich
habe da gar nicht so drüber nachgedacht. Bin zum Kühlschrank gegangen, habe Bier getrunken. Bier
war alle, das nächste genommen. (.. ) Im Grunde sind ja auch fünf Bier am Abend zuviel. Aber ich
habe nie das Gefühl gehabt, anders zu sein als andere Kollegen. Liegt sicher auch daran, dass ich
seit 22 Jahren in einer Möbelspedition arbeite. Da wurde früher immer sehr viel getrunken. (...) Das
ist allerdings heute nicht mehr so.
Aber dann spielt sicher eine Rolle, dass es Bier war. Harten Alkohol trinke ich nicht, das Bier ging so als Nahrungsmittel durch (...)"
Herr ... wurde gebeten zu schildern, wie es zu der Trunkenheitsfahrt vom 22.03.09 gekommen sei:
,,Die fing am Samstag an. Die Fahrt selber war am Sonntag. Aber am Samstagabend bin ich in diesen
Internetchat reingegangen, wie üblich Bier auf und getrunken. Nächstes Bier geholt. (...) Hatte da
mitgekriegt, dass sie sich mit einem Bekannten von mir eingelassen hat, obwohl sie sich von mir ge-
trennt hat, um ihre Ehe zu schützen. (...) Dadurch eskalierte die Situation.
An dem Samstag habe ich angefangen, sie zur Rede zu stellen, habe immer mehr getrunken. Dann war es irgendwann zwischen
zwei und drei. Da habe ich aufgehört zu trinken und bin ins Bett gegangen, war sehr betrunken. Kann
mich auch ans Ende des Chats nicht mehr erinnern. (...) Dann bin ich um 11 aufgestanden, meine Frau
war schon auf der Arbeit. (...) Hab Kaffee getrunken. Gegen 12 habe ich mein erstes Bier getrun-
ken. Habe dann mit einer Freundin, die in Griechenland lebt, kommuniziert. Die aber nicht wusste,
dass ich was trinke. Zwischen zwei und drei hat meine Ex-Freundin mich bestimmt eine Stunde lang
am Telefon angeschrieben. Irgendwann habe ich sie einfach schreien lassen, habe dabei weiter über Skype gechatet. Ich war ja schon betrunken, war ja noch betrunken. Ich muss, als ich aufgestanden bin, noch
ungefähr 1 Promille gehabt haben."
Was und wie viel er insgesamt an dem Tag bzw. Vorabend getrunken habe?
,,Am Abend vorher habe ich von sechs Uhr bis drei Uhr morgens getrunken, im Schnitt ein Bier pro
stunde' Das müssten neun Bier gewesen sein, halbe Liter. Dann habe ich geschlafen acht stunden.
Dann habe ich eine Stunde lang Kaffee getrunken. Und dann habe ich weitergetrunken." (...)
Wie vieler an dem Tag der Fahrt, also dem sonntag noch getrunken habe?
,,Da habe ich von 12 bis 19 Uhr auch definitiv noch einen Schnaps getrunken, weil ich bei griechi-
schen Freunden war, die das eingeschenkt haben, die allerdings auch nicht wussten, dass ich mit dem
Auto da war. Das war einer, sicher, ist aber auch möglich, dass es zwei waren. Ouzo mit 40 %. Und
das Biertrinken setzte ich fleißig weiter fort. (. .) Man kann immer von einem Bier pro Stunde ausge-
hen, halbe Liter. Die Schnäpse waren immer Doppelte. 4 cl passt da rein. (...) Nachmittags um vier
meinte meine Freundin in Griechenland: Geh doch einfach mal raus, fahr eine Runde Auto.
Dann habe ich das gemacht! Gegen fünf bin ich aus dem Haus gegangen. Reine Bauchentscheidung: lch
muss raus aus der Wohnung. Überhaupt nicht nachgedacht, bin betrunken losgefahren zu meinen
Freunden. Circa sieben Kilometer entfernt. Bin nicht aufgefallen, was mich immer noch erschüttert,
was zeigt, dass ich Alkohol gewohnt war. Habe da noch zwei Bier getrunken und den Schnaps. Bin
dann zu meinem Auto gegangen, was die auch nicht wussten, bin eingestiegen und losgefahren und
nach 300 - 400 Meter aufgefallen. Das war ein Polizist, der auf dem Weg zum Dienst war.
(...) Dem fielen meine leichten Schlangenlinien auf (...) Unsichere Fahrweise (.. ) Und gefahren bin ich
drei Kilometer. (...) Dann haben die mich auf einer Bushaltestelle angehalten (...) lch habe auch ge-
pustet, kann mich daran aber gar nicht erinnern. Bin dann zur Wache gefahren worden, habe offen-
sichtlich auch noch meine Frau angerufen, dass sie mich abholt. Und das war der letzte Tag, wo ich
was getrunken hatte. Die ersten Wochen war es halt der Frust, dann kam das Ergebnis der Blutprobe.
Dann musste ich anfangen umzudenken.,'(...)
Wie er die Umstellung auf Abstinenz generell erlebt habe?
,,Man kommt abends nach Hause, sitzt da mit einem Glas Apfelschorle oder O-Saft oder bei diesen
Temperaturen einem Tee. Das ist nicht einfach, es fehlt was. Es ist kein Entzug da. Aber es fehlt am Anfang das gemütliche Glas Bier. Es war ja im Kopf vorhanden. (...) Das sind ja über Jahre erlernte Dinge."
Ob er in der ersten zeitmal Schlafstörungen oder Unruhe bemerkt habe?
"Nein, komischerweise konnte ich sogar besser schlafen. Ich habe früher ganz oft gesagt, ich trinke ein
Bier und brauche die nötige Bettschwere, wenn ich erst spät vom Umzug kam. (...) Und ich schlafe
auch besser ohne Alkohol, viel besser, komme auch morgens besser hoch. Was mein Chef auch
gleich ausgenutzt hat und mich zu einer Schulung geschickt fur Computer und Netzwerke. (...) Der hat
ja mitgekriegt, dass ich gar nichts mehr trinke, dass ich mehr arbeite und besser arbeite. (...) Dann hat
er mich gefragt, ob ich Lust hätte, zusätzlich zu meinem Job mit einem anderen Kollegen die Netz-
werkbetreuung zu machen.,, (...)
Was Kollegen und Freunde dazu gesagt hätten, dass er keinen Alkohol mehr trinke?
"Wirklich gute Freunde fanden das gut. Und von Bekannten habe ich mich zum Teil trennen müssen,
die es überhaupt nicht nachvollziehen konnten. (...)
Gute Freunde haben mich unterstützt und motiviert.
Zusätzlich habe ich noch Unterstützung durch die AA gefunden habe. Anfangs war ich überwiegend in geschlossenen Meetings in Eidelstedt.
Das schaffe ich zeiflich nicht mehr, da bin ich jetzt auf einem geschlossenen Meeting für Leute, die abends lange arbeiten. Das sind Online-Meetings. Man trägt sich da ein, wird Mitglied und kann sich 24 stunden am Tag an den Computer setzen und E-Mails
schicken. (...)
Und man bekommt auch immer Resonanz, irgend einer ist immer da. Und man kann es mal loswerden' und ich musste ja umlernen. lch musste lernen, meinen Frust nicht weg zu trinken,sondern über meinen Frust zu reden.
Das bekommen die wirklich guten Freunde zu spüren, wo ich sonst sporadisch Kontakt hatte alle zwei Wochen. Jetzt müssen sie damit rechnen, dass ich sie besuche und den ganzen Abend voll quatsche. Aber dafur hat man gute Freunde. (...) Mein bester Freund hat mich gerade in diesem Alkoholding sehr bestärkt und unterstützt nichts mehr zu trinken."
Ob er eine Idee habe, warum er immer so reagiert und bei Probleme nicht darüber gesprochen, son-
dern zu Alkohol gegriffen habe?
"Ich war nicht in der Lage. Ich wollte niemandem zur Last fallen. Ich habe mich auch nicht getraut. Ich
kam gestresst von der Arbeit, mochte mit meiner Frau nicht sprechen, wollte sie mit meinen Problemen
von der Arbeit nicht belasten. Wollte auch keine Freunde damit belasten. Habe auch die Probleme auf
der Arbeit nicht direkt geklärt sondern mit nach Hause geschleppt. (...) Ich saß zwischen den Stühlen:
Früher war ich Betriebsrat. (...) Dann war ich leitender Angesellter. Hatte plötzlich eigene Angestellte
und zwei Lehrlinge. (...) Ich habe plötzlich Druck von allen Seiten bekommen. (...) Und hatte da mit nie-
mandem drüber gesprochen. (...) Deswegen bin ich auch so froh, dass ich letztes Jahr durch eine
Freundin, die ich schon lange kenne, zu einer Psychologin gegangen bin. Das ist ja jemand, den ich
dafür auch bezahle. (...) Die macht eigentlich Eheberatung aber auch anderes. (...) und immer wenn
ich Probleme habe und keinen meiner Freunde erreiche oder auch die AAs nicht belasten möchte, rufe ich da an. (...) Und das hilft tatsächlich. (...) Ich bin immer wieder erschüttert, wie schnell so eine Stunde vorbei ist, die viel Geld kostet. Aber das Geld habe ich jetzt über, jetzt trinke ich keinen Alkohol. (...) ... heißt die."
Wie oft und wie lange er dort Gespräche geführt habe?
,,Mit der Eheberatung waren wir fünfmal da. lch war erst allein da. lch habe ihr dieses halbe Jahr er-
zählt. (...) Als sie das gehört hat, hat sie gesagt, wir müssen erst mal alleine sprechen. Sie wollte erst
mal das halbe Jahr aufarbeiten. (...) Das war nur dreimal. Dann kam die Eheberatung. Wobei ich
mich mit meiner Frau schon ausgesprochen hatte. Nach der Trunkenheitsfahrt habe ich es ihr ge-
beichtet, als ich nüchtern war. Und dann ist das passiert, womit ich nicht gerechnet hatte, meine Frau
stand hinter mir. Das hat auch mein Verhalten in der Ehe verändert. (...) Und wir haben angefangen,
Sachen zu machen, die wir früher nicht oder lange nicht gemacht haben, sind viel mehr unterwegs
gewesen. (...) Ich hätte ja Menschen über den Haufen fahren und einen schweren Unfall verursachen
können. Darf ich gar nicht drüber nachdenken." (...)
Wie er in Zukunft langfristig mit Alkohol umgehen wolle?
,,Ich möchte ihn nicht mehr trinken. Ich bleibe auch bei den AA. lch habe auch
kein Problem mehr damit, meine Freunde mit meinen Problemen zu belästigen. lch habe auch kein
Problem, eine Psychologin ins Anspruch zu nehmen." (...)
Was dagegen spreche, dass er bei einem besonderen Anlass mal ein Bier trinke?
,,Ich habe bei den AA gelernt, da ging es immer um die 24-Stundenregel, das erste
Glas stehen lassen. Ich weiß nicht, wenn ich das erste Glas trinke, ob ich ein zweites oder drittes
trinke. Wenn ich das erste Glas stehen lasse, das kann ich. Also tü ich das. Das war ein Lernprozess.
Ich halte mich nicht für einen Alkoholiker, aber für schwer alkoholgefährdet und möchte auf keinen Fall
Alkoholiker werden. lch kenne Leute, die auf Entgiftung waren. Das muss ich nicht haben." (...)
Explorationszeit: 09.26 bis 10.32 Uhr