Warum ist es passiert?
21. Welche persönlichen Hintergründe gab es für den Cannabis-/ Drogenkonsum?
Ich bin als Älteste von vier Kindern in einer Großfamilie auf einem Bauernhof aufgewachsen, meine Eltern haben immer versucht, das Beste für uns zu geben, hatten aber nie wirklich viel Zeit für uns Kinder. Meine jüngere Schwester, 1,5 Jahre nach mir geboren, erlitt mit einem halben Jahr eine Hirnhautentzündung und ist seitdem schwer geistig behindert. Seitdem galt alle Aufmerksamkeit meiner Eltern gefühlt nur noch meiner Schwester, später stellten sich noch mein jüngerer Bruder und die ganz kleine Schwester ein. Positive Aufmerksamkeit erfuhr ich, wenn ich gut funktionierte, z.B. gute Noten schrieb, meinen Eltern oder Großeltern half, im Haus oder auf dem Hof.
Ich machte daher schon als Kind viel mit mir selber aus z.B. wenn ich traurig, wütend oder enttäuscht war. Ich war verschlossen und still und schüchtern, hatte eher wenig Selbstbewusstsein und nur wenige Freunde. Genau genommen hatte ich nur eine wirkliche Freundin (Mit ihr bin ich immer noch befreundet, insgesamt habe ich drei sehr gute Freundinnen). Das zog sich so weiter durch meine gesamte Jugend und änderte sich auch während meiner Studienzeit nicht wirklich, ich war immer eher eine Einzelgängerin, wünschte mir aber nichts sehnlicher, als zu einer Clique dazuzugehören, viele Freunde zu haben und beliebt zu sein.
Dieser Wunsch schien sich durch Jolo und seine Clique, zu erfüllen. Sie waren scheinbar immer gut drauf und nahmen mich so wie ich war ohne dass ich irgendetwas abliefern musste, um gemocht zu werden. Die chemischen Drogen enthemmten mich, plötzlich war auch ich bester Laune, konnte Witze reißen, blödelte mit den Leuten herum und strahlte wie der Sonnenschein. Das machte mich selbstbewusst und zufrieden.
Wenn ich MDMA genommen hatte, fühlte ich mich, als könnte ich die ganze Welt umarmen, wir waren alle eine "one big family" und hatten uns sooo lieb. Ich hatte das Gefühl, all die Zuneigung und Liebe, die ich bisher in meinem Leben vermisst hatte, nun zu bekommen. Die Schattenseiten, z.B. dass ich mich manchmal aus dem nichts heraus übergeben musste, weil mein Magen die Chemie nicht gut vertrug, oder dass ich manchmal nur noch Blödsinn faselte oder nicht mehr klar wahrnehmen konnte, mit wem ich eigentlich grade sprach oder kuschelte, sowie die negativen Nachwirkungen, die nach jedem Konsum eintraten, verdrängte ich zunächst.
22. Wie hat sich Ihr Umfeld über Ihren Drogenkonsum geäußert?
Ich habe meinen Konsum zunächst einmal verschwiegen, mich aber im Laufe der Zeit meinen drei besten Freundinnen und meinen zwei jüngsten Geschwistern (meine Schwester mit der geistigen Behinderung, hätte nicht verstanden, worum es geht) anvertraut. Alle sahen mein Verhältnis zu Jolo und die neue Richtung, die mein Leben damit einschlug, äußerst kritisch und fanden es sehr bedenklich. Sie haben sich große Sorgen um mich gemacht, verurteilten mich aber nie dafür und waren immer für mich da. Meinen Eltern, Großeltern und dem Rest, also der Großfamilie, habe ich nie davon erzählt, sie wissen bis heute nicht, dass ich mir der Führerschein entzogen wurde. Meine Geschwister und Freunde haben mich nie verraten. Ich hätte es nicht übers Herz gebracht, meinen Eltern zu gestehen, in was ich da hineingerutscht war, für sie war ich ja immer die vorbildliche Vorzeigetochter und dieses Bild konnte ich einfach nicht zerstören.
23. Gab es Ereignisse in Ihrem Leben, die zu verstärktem Konsum geführt haben?
Nein, keine konkreten Ereignisse, ich würde meinen Konsum als eine zunächst stetig aber langsam steigende Kurve bezeichnen, die dann erst langsam und dann abrupt wieder abfällt. Ich habe Mitte März 2013 das erste Mal synthetische Drogen konsumiert, eine viertel Ecstasy Pille, eine so genannte Partyflocke, rötlich-lilafarben mit zwei Männchen, einem größeren und einem kleineren, aufgedruckt. Anfang Juli, zu der Zeit, als ich auch im Straßenverkehr auffällig wurde, konsumierte ich am Meisten. Danach hatte ich erstmal genug, habe dann jedoch noch ca. sechs Wochen weitergemacht, allerdings seltener als zuvor, bevor ich meine 'Drogenkarriere' dann Ende August 2013 an den Nagel hängte. Ein einziges Mal habe ich danach noch wieder konsumiert. Silvester 2014 als ich auf einer Silvesterparty zufällig einen Bekannten von damals wieder traf. Der gab mir eine Ecsytasytablette. Ich war schon etwas angetrunken und habe sie genommen. Das war furchtbar, mir war kotzübel, ich hatte Herzasen, Schweißausbrüche, war ganz zittrig. Das war das zweite Mal, dass ich Drogen und Alkohol gemischt habe. Ich habe es furchtbar bereut.
24. Haben Sie sich an Jemand um Hilfe gewandt, um den Drogenkonsum zu beenden?
Ich habe mich an keine spezielle Institution gewandt, um aufzuhören. Ich habe sehr viel mit meinen Freundinnen und meinen Geschwistern über meine Drogenerfahrungen des vergangenen halben Jahres gesprochen, sie waren immer für mich da, wenn ich sie brauchte, haben mich sehr unterstützt und ich habe wieder viel mehr Zeit mit ihnen verbracht als in den vergangenen paar Monaten. Das hat mir sehr gut getan und geholfen, zu verarbeiten, was den Sommer über alles passiert ist. Ich bin ihnen für ihre Unterstützung und dafür, dass sie immer zu mir gehalten haben, sehr dankbar.
25. Gibt es in Ihrer Familie aktenkundige Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz oder Suchtkrankheiten?
Nein, ich bin die einzige in meiner Familie die mit Drogen in Berührung gekommen ist.
26. Hatten sie Konsumpausen/spitzen?
Warum? Wann?
Ich würde meine 'Drogenkarriere' in Form einer Kurve beschreiben. Ich war zu Beginn sehr vorsichtig, fühlte mich jedoch, mit jedem Mal dass ich konsumierte sicherer und traute mich, mehr zu konsumieren. Nachdem ich dann auf der Rückfahrt des Festivals auffällig wurde, hatte ich erst einmal genug und war an den darauf folgenden drei Wochenenden auf keiner Party und habe auch nichts konsumiert. Danach habe ich noch zwei mal wieder etwas konsumiert, war aber auch öfters nüchtern mit auf den Partys um die ganze Szene mal aus einer anderen Perspektive zu betrachten.
Wenn man meinen ersten Kontakt mit Cannabis im Jahre 2003 und die letzte Ecstasy-Tablette Silvester 2014 mitzählt, hatte ich eine Konsumpause von 10 Jahren zwischen 2003 und 2013 und eine Pause von ca. 1 1/4 Jahren zwischen September 2013 und Dezember 2014. Konsumspitzen hatte ich keine, im Sommer 2013 konsumierte ich in unregelmäßigen Abständen an den Wochenenden Drogen. Seit dem 01.01.2015 lebe ich strikt abstinent.
27. Was hat Sie daran gehindert, ohne Droge abzuschalten?
Ich fühlte mich, wenn ich Drogen genommen hatte, insbesondere Ecstasy oder MDMA einfach gut. Ich fühlte mich freier als sonst, selbstbewusster, kontaktfreudiger, ungehemmter, ich hatte immer etwas zu erzählen. Die Schattenseiten der Droge, nämlich dass man jedes Hochgefühl mit einem emotionalen Tief in der darauf folgenden Woche bezahlt, dass man während der Party teilweise schlimme Gesichtsentgleisungen und geistige Aussetzer hatte und dass das ganze tolle gemeinschaftliche Gefühl eine bloße, durch die Droge induzierte Illusion war, bemerkte ich erst nach und nach.
28. Waren Sie gefährdet in eine Drogenabhängigkeit zu geraten?
Jeder Mensch, der Drogen nimmt und sich in Kreisen bewegt, in denen Drogen konsumiert werden, ist gefährdet, in einen Drogenabhängigkeit zu geraten. Ich kann von mir sagen, das Glück zu haben, ein intaktes, stabiles soziales Umfeld zu haben, meine drei besten Freundinnen, die ich schon sehr lange kenne, meine Geschwister und meine Familie, die für mich da sind und mich unterstützen. Ich kann mich gut reflektieren, bin zielstrebig, habe einen starken Willen und einen hohen Bildungsgrad - das alles sind Faktoren, die sicherlich dazu beigetragen haben, mich davor zu schützen, zu tief in die Drogenszene und die Abhängigkeit abzurutschen. Die Gefahr war trotzdem immer da und auch nicht zu unterschätzen.
29. Waren sie drogenabhängig?
Nein. Ich konsumierte in unregelmäßigen Abständen an den Wochenenden, zu bestimmten Anlässen, den Technopartys. Unter der Woche habe ich keine Drogen konsumiert. Es bereitete mir keine Probleme, den Konsum einzustellen, als ich mich schlussendlich dafür entschied. Ich hatte keinerlei Entzugserscheinungen. Ich konnte Nein sagen und nichts konsumieren, wenn mir andere Leute etwas anboten.
Wieso passiert das nicht wieder?
30. Hätten sie, rückblickend, eine Drogenkarriere verhindern können?
Sicherlich hätte ich die Drogenkarriere verhindern können, hätte ich schon damals, als ich Jolo kennen lernte, klar Nein gesagt und mich positioniert, so wie ich es immer öfter und schließlich endgültig getan habe, nachdem ich auffällig geworden bin. Ich hatte damals aber die rosarote Brille auf, war ziemlich verknallt, wollte auch cool wirken vor Jolo und seinen Freunden und sagte mir, dass es gut wäre, alles im Leben mal auszuprobieren. Heute weiß ich es besser, diese Erfahrungen hätte ich mir gut sparen können, es hat einen guten Grund, dass diese Substanzen illegal sind!
31. Wieso haben Sie sich für eine Abstinenz entschieden?
Ich begann nach gewisser Zeit, die Szene kritisch zu hinterfragen. Die Menschen, mit denen ich zu tun hatte, lebten nur auf das Wochenende hin, die nächste Party hin, es schien als sei es nur möglich, auf Drogen glücklich zu sein obwohl dieses Glück kein echtes war, es war nicht real und kostete eine hohen Preis. Ich wurde mir der negativen Folgen des Konsums auf mein Leben immer bewusster. Ich wollte kein Teil dieser Parallelgesellschaft mehr sein, da dies äußerst negative Auswirkungen auf mein Leben hatte.
32. Beschreiben Sie den Punkt, an dem Sie sich für ein abstinentes Leben entschieden haben (Knackpunkt)
Bei mir gab es genau genommen zwei Knackpunkte, den ersten, als ich mich quasi endgültig dagegen entschied, weiterhin Drogen zu nehmen und den zweiten, als mein Großvater starb und ich mich plötzlich mit der Frage konfrontiert sah: "Was ist im Leben eigentlich wirklich wichtig und von Bedeutung?"
Nach meiner Verkehrsauffälligkeit zog ich mich, wie bereits beschrieben etwas aus der Feierszene zurück, ging weniger aus, ging auch mal nüchtern auf Partys und begann, die letzten Monate kritisch zu reflektieren. Jolo, mit dem ich gern und viel darüber sprechen wollte, welchen Sinn und Nutzen uns dieses Leben bot, fand die Diskussionen die ich begann, lästig und unnütz. Er war ziemlich genervt von mir und meiner Haltung die ich entwickelte. Nämlich, dass das ganze keine heile Welt war, keine ‚one big family’ keine Parallelgesellschaft die eine lebenswerte Alternative zu unserem gesellschaftlichen System bot, sondern ein Haufen verlorener Seelen, viele von ihnen mit massiven Problemen, die es nicht schafften in der normalen Welt Fuß zu fassen und sich durch den Konsum ablenkten, sich einbildeten dadurch etwas Besseres zu sein aber in Wirklichkeit furchtbar unglücklich waren. Einen Abend im August, nachdem Jolo und ich den ganzen Tag am Unisee in der Sonne verbracht hatten, begann ich auf dem Nachhauseweg wieder eine Diskussion. Ich war der Meinung, dass es gut und richtig sei, dass illegale Drogen illegal sind, da sie die Menschen kaputt machen und ihnen bloß eine Illusion vorgaukeln, einen Moment lang Glücksgefühle hervorrufen die aber nicht echt sind und dass sie im Grunde genommen, Menschenleben immer nur zerstören, statt diese zu bereichern. Jolo war völlig anderer Meinung, wir redeten uns immer mehr in Rage und begannen einen heftigen streit der total eskalierte. Jolo wurde richtig ausfallend und begann mich aufs Übelste zu beschimpfen. Als faschistische, kapitalistische Hure die sich doch am Besten gleich den nächsten Banker angeln und bis zu ihrem spießbürgerlichen Tod dem Staat dienen sollte... Es war fürchterlich, ich habe mich noch nie zuvor mit jemandem so gestritten. Ich wollte ihn nicht mehr sehen und alleine nach Hause und als er merkte, dass es mir ernst damit war, switschte er plötzlich wieder um, begann sich zu entschuldigen, kleinzureden, was er grade noch von sich gegeben hatte, weinte, wollte unbedingt mit zu mir nach Hause und mich nicht alleine gehen lassen. Diese Ambivalenz, dieser plötzliche Sinneswandel von einem Extrem ins andere machte mir Angst und bestärkte mich nur in meiner Meinung, dass Drogen Menschen zerstören. Ich bin an dem Abend alleine nach Hause gegangen und brauchte erst mal eine Woche Abstand. Ich glaube, ich hatte als ich begann, die Partyszene aus anderen Augen zu sehen, die Hoffnung, Jolo von meinen Ansichten überzeugen zu können und gemeinsam mit ihm auszusteigen, merkte aber mit der Zeit, wie verblendet und auf eine gewisse Art und Weise auch abhängig er war. Nach diesem heftigen Streit haben wir uns nur noch ein paar mal getroffen, es war nicht mehr so wie vorher, er war mir suspekt geworden, widerte mich an. Zunächst hatte ich ihn bewundert, fand seine Art und seine Sicht auf das Leben faszinierend, aber jetzt wurde er mir zunehmend unheimlicher, er war nichts weiter als ein armseliges Drogenopfer, der es nie schaffen würde, irgend etwas im Leben auf die Beine zu stellen, der versuchte, anderen seine Lebensweise überzustülpen und der neben seiner verblendeten Weltsicht keine anderen Ansichten zulassen konnte.
Einen weiteren Knackpunkt gab es für mich im August 2015 als ich bereits abstinent lebte. Mein Großvater (der, der nicht bei uns auf dem Hof lebte) starb. Ich hatte bisher das Glück dass all meine Großeltern, obwohl ich zu dem Zeitpunkt schon 29 Jahre alt war, noch lebten. Er war der erste Opa der starb und ich hatte ihn sehr gern. Mir wurde plötzlich bewusst, dass meine Großeltern eigentlich ein riesengroßes Vorbild für mich waren, die Art und Weise wie sie ihre Partnerschaft gelebt hatten, immer voller Respekt und Fürsorge füreinander und bis zum Schluss auch noch voller Liebe. Sie waren immer ehrlich interessiert an den Menschen und waren immer für alle da, die sie brauchten, haben immer gegeben. Dies wurde mir mit seinem Tod plötzlich so wirklich bewusst. Bisher hatte ich das alles immer für selbstverständlich genommen und nun, da mein Opa tot war und meine Oma plötzlich ganz allein, merkte ich erst, was für ein Geschenk dies war. Mir war plötzlich klar, dass ich für meine Oma da sein will, ihr etwas zurück geben will, von all dem was sie in ihrem Leben für unsere Familie gegeben hat und dass ich in der Lage sein will, sie immer und zu jeder Zeit selbstständig besuchen zu können und dass ich mich im Notfall nachts alleine auf den Weg machen kann um zu ihr zu fahren und für sie da zu sein. Das war der Punkt an dem ich wusste, dass ich mich zu den Abstinenznachweisen und der MPU anmelden würde um selbstständig und mobil zu sein, um genau dies gewährleisten zu können.
21. Welche persönlichen Hintergründe gab es für den Cannabis-/ Drogenkonsum?
Ich bin als Älteste von vier Kindern in einer Großfamilie auf einem Bauernhof aufgewachsen, meine Eltern haben immer versucht, das Beste für uns zu geben, hatten aber nie wirklich viel Zeit für uns Kinder. Meine jüngere Schwester, 1,5 Jahre nach mir geboren, erlitt mit einem halben Jahr eine Hirnhautentzündung und ist seitdem schwer geistig behindert. Seitdem galt alle Aufmerksamkeit meiner Eltern gefühlt nur noch meiner Schwester, später stellten sich noch mein jüngerer Bruder und die ganz kleine Schwester ein. Positive Aufmerksamkeit erfuhr ich, wenn ich gut funktionierte, z.B. gute Noten schrieb, meinen Eltern oder Großeltern half, im Haus oder auf dem Hof.
Ich machte daher schon als Kind viel mit mir selber aus z.B. wenn ich traurig, wütend oder enttäuscht war. Ich war verschlossen und still und schüchtern, hatte eher wenig Selbstbewusstsein und nur wenige Freunde. Genau genommen hatte ich nur eine wirkliche Freundin (Mit ihr bin ich immer noch befreundet, insgesamt habe ich drei sehr gute Freundinnen). Das zog sich so weiter durch meine gesamte Jugend und änderte sich auch während meiner Studienzeit nicht wirklich, ich war immer eher eine Einzelgängerin, wünschte mir aber nichts sehnlicher, als zu einer Clique dazuzugehören, viele Freunde zu haben und beliebt zu sein.
Dieser Wunsch schien sich durch Jolo und seine Clique, zu erfüllen. Sie waren scheinbar immer gut drauf und nahmen mich so wie ich war ohne dass ich irgendetwas abliefern musste, um gemocht zu werden. Die chemischen Drogen enthemmten mich, plötzlich war auch ich bester Laune, konnte Witze reißen, blödelte mit den Leuten herum und strahlte wie der Sonnenschein. Das machte mich selbstbewusst und zufrieden.
Wenn ich MDMA genommen hatte, fühlte ich mich, als könnte ich die ganze Welt umarmen, wir waren alle eine "one big family" und hatten uns sooo lieb. Ich hatte das Gefühl, all die Zuneigung und Liebe, die ich bisher in meinem Leben vermisst hatte, nun zu bekommen. Die Schattenseiten, z.B. dass ich mich manchmal aus dem nichts heraus übergeben musste, weil mein Magen die Chemie nicht gut vertrug, oder dass ich manchmal nur noch Blödsinn faselte oder nicht mehr klar wahrnehmen konnte, mit wem ich eigentlich grade sprach oder kuschelte, sowie die negativen Nachwirkungen, die nach jedem Konsum eintraten, verdrängte ich zunächst.
22. Wie hat sich Ihr Umfeld über Ihren Drogenkonsum geäußert?
Ich habe meinen Konsum zunächst einmal verschwiegen, mich aber im Laufe der Zeit meinen drei besten Freundinnen und meinen zwei jüngsten Geschwistern (meine Schwester mit der geistigen Behinderung, hätte nicht verstanden, worum es geht) anvertraut. Alle sahen mein Verhältnis zu Jolo und die neue Richtung, die mein Leben damit einschlug, äußerst kritisch und fanden es sehr bedenklich. Sie haben sich große Sorgen um mich gemacht, verurteilten mich aber nie dafür und waren immer für mich da. Meinen Eltern, Großeltern und dem Rest, also der Großfamilie, habe ich nie davon erzählt, sie wissen bis heute nicht, dass ich mir der Führerschein entzogen wurde. Meine Geschwister und Freunde haben mich nie verraten. Ich hätte es nicht übers Herz gebracht, meinen Eltern zu gestehen, in was ich da hineingerutscht war, für sie war ich ja immer die vorbildliche Vorzeigetochter und dieses Bild konnte ich einfach nicht zerstören.
23. Gab es Ereignisse in Ihrem Leben, die zu verstärktem Konsum geführt haben?
Nein, keine konkreten Ereignisse, ich würde meinen Konsum als eine zunächst stetig aber langsam steigende Kurve bezeichnen, die dann erst langsam und dann abrupt wieder abfällt. Ich habe Mitte März 2013 das erste Mal synthetische Drogen konsumiert, eine viertel Ecstasy Pille, eine so genannte Partyflocke, rötlich-lilafarben mit zwei Männchen, einem größeren und einem kleineren, aufgedruckt. Anfang Juli, zu der Zeit, als ich auch im Straßenverkehr auffällig wurde, konsumierte ich am Meisten. Danach hatte ich erstmal genug, habe dann jedoch noch ca. sechs Wochen weitergemacht, allerdings seltener als zuvor, bevor ich meine 'Drogenkarriere' dann Ende August 2013 an den Nagel hängte. Ein einziges Mal habe ich danach noch wieder konsumiert. Silvester 2014 als ich auf einer Silvesterparty zufällig einen Bekannten von damals wieder traf. Der gab mir eine Ecsytasytablette. Ich war schon etwas angetrunken und habe sie genommen. Das war furchtbar, mir war kotzübel, ich hatte Herzasen, Schweißausbrüche, war ganz zittrig. Das war das zweite Mal, dass ich Drogen und Alkohol gemischt habe. Ich habe es furchtbar bereut.
24. Haben Sie sich an Jemand um Hilfe gewandt, um den Drogenkonsum zu beenden?
Ich habe mich an keine spezielle Institution gewandt, um aufzuhören. Ich habe sehr viel mit meinen Freundinnen und meinen Geschwistern über meine Drogenerfahrungen des vergangenen halben Jahres gesprochen, sie waren immer für mich da, wenn ich sie brauchte, haben mich sehr unterstützt und ich habe wieder viel mehr Zeit mit ihnen verbracht als in den vergangenen paar Monaten. Das hat mir sehr gut getan und geholfen, zu verarbeiten, was den Sommer über alles passiert ist. Ich bin ihnen für ihre Unterstützung und dafür, dass sie immer zu mir gehalten haben, sehr dankbar.
25. Gibt es in Ihrer Familie aktenkundige Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz oder Suchtkrankheiten?
Nein, ich bin die einzige in meiner Familie die mit Drogen in Berührung gekommen ist.
26. Hatten sie Konsumpausen/spitzen?
Warum? Wann?
Ich würde meine 'Drogenkarriere' in Form einer Kurve beschreiben. Ich war zu Beginn sehr vorsichtig, fühlte mich jedoch, mit jedem Mal dass ich konsumierte sicherer und traute mich, mehr zu konsumieren. Nachdem ich dann auf der Rückfahrt des Festivals auffällig wurde, hatte ich erst einmal genug und war an den darauf folgenden drei Wochenenden auf keiner Party und habe auch nichts konsumiert. Danach habe ich noch zwei mal wieder etwas konsumiert, war aber auch öfters nüchtern mit auf den Partys um die ganze Szene mal aus einer anderen Perspektive zu betrachten.
Wenn man meinen ersten Kontakt mit Cannabis im Jahre 2003 und die letzte Ecstasy-Tablette Silvester 2014 mitzählt, hatte ich eine Konsumpause von 10 Jahren zwischen 2003 und 2013 und eine Pause von ca. 1 1/4 Jahren zwischen September 2013 und Dezember 2014. Konsumspitzen hatte ich keine, im Sommer 2013 konsumierte ich in unregelmäßigen Abständen an den Wochenenden Drogen. Seit dem 01.01.2015 lebe ich strikt abstinent.
27. Was hat Sie daran gehindert, ohne Droge abzuschalten?
Ich fühlte mich, wenn ich Drogen genommen hatte, insbesondere Ecstasy oder MDMA einfach gut. Ich fühlte mich freier als sonst, selbstbewusster, kontaktfreudiger, ungehemmter, ich hatte immer etwas zu erzählen. Die Schattenseiten der Droge, nämlich dass man jedes Hochgefühl mit einem emotionalen Tief in der darauf folgenden Woche bezahlt, dass man während der Party teilweise schlimme Gesichtsentgleisungen und geistige Aussetzer hatte und dass das ganze tolle gemeinschaftliche Gefühl eine bloße, durch die Droge induzierte Illusion war, bemerkte ich erst nach und nach.
28. Waren Sie gefährdet in eine Drogenabhängigkeit zu geraten?
Jeder Mensch, der Drogen nimmt und sich in Kreisen bewegt, in denen Drogen konsumiert werden, ist gefährdet, in einen Drogenabhängigkeit zu geraten. Ich kann von mir sagen, das Glück zu haben, ein intaktes, stabiles soziales Umfeld zu haben, meine drei besten Freundinnen, die ich schon sehr lange kenne, meine Geschwister und meine Familie, die für mich da sind und mich unterstützen. Ich kann mich gut reflektieren, bin zielstrebig, habe einen starken Willen und einen hohen Bildungsgrad - das alles sind Faktoren, die sicherlich dazu beigetragen haben, mich davor zu schützen, zu tief in die Drogenszene und die Abhängigkeit abzurutschen. Die Gefahr war trotzdem immer da und auch nicht zu unterschätzen.
29. Waren sie drogenabhängig?
Nein. Ich konsumierte in unregelmäßigen Abständen an den Wochenenden, zu bestimmten Anlässen, den Technopartys. Unter der Woche habe ich keine Drogen konsumiert. Es bereitete mir keine Probleme, den Konsum einzustellen, als ich mich schlussendlich dafür entschied. Ich hatte keinerlei Entzugserscheinungen. Ich konnte Nein sagen und nichts konsumieren, wenn mir andere Leute etwas anboten.
Wieso passiert das nicht wieder?
30. Hätten sie, rückblickend, eine Drogenkarriere verhindern können?
Sicherlich hätte ich die Drogenkarriere verhindern können, hätte ich schon damals, als ich Jolo kennen lernte, klar Nein gesagt und mich positioniert, so wie ich es immer öfter und schließlich endgültig getan habe, nachdem ich auffällig geworden bin. Ich hatte damals aber die rosarote Brille auf, war ziemlich verknallt, wollte auch cool wirken vor Jolo und seinen Freunden und sagte mir, dass es gut wäre, alles im Leben mal auszuprobieren. Heute weiß ich es besser, diese Erfahrungen hätte ich mir gut sparen können, es hat einen guten Grund, dass diese Substanzen illegal sind!
31. Wieso haben Sie sich für eine Abstinenz entschieden?
Ich begann nach gewisser Zeit, die Szene kritisch zu hinterfragen. Die Menschen, mit denen ich zu tun hatte, lebten nur auf das Wochenende hin, die nächste Party hin, es schien als sei es nur möglich, auf Drogen glücklich zu sein obwohl dieses Glück kein echtes war, es war nicht real und kostete eine hohen Preis. Ich wurde mir der negativen Folgen des Konsums auf mein Leben immer bewusster. Ich wollte kein Teil dieser Parallelgesellschaft mehr sein, da dies äußerst negative Auswirkungen auf mein Leben hatte.
32. Beschreiben Sie den Punkt, an dem Sie sich für ein abstinentes Leben entschieden haben (Knackpunkt)
Bei mir gab es genau genommen zwei Knackpunkte, den ersten, als ich mich quasi endgültig dagegen entschied, weiterhin Drogen zu nehmen und den zweiten, als mein Großvater starb und ich mich plötzlich mit der Frage konfrontiert sah: "Was ist im Leben eigentlich wirklich wichtig und von Bedeutung?"
Nach meiner Verkehrsauffälligkeit zog ich mich, wie bereits beschrieben etwas aus der Feierszene zurück, ging weniger aus, ging auch mal nüchtern auf Partys und begann, die letzten Monate kritisch zu reflektieren. Jolo, mit dem ich gern und viel darüber sprechen wollte, welchen Sinn und Nutzen uns dieses Leben bot, fand die Diskussionen die ich begann, lästig und unnütz. Er war ziemlich genervt von mir und meiner Haltung die ich entwickelte. Nämlich, dass das ganze keine heile Welt war, keine ‚one big family’ keine Parallelgesellschaft die eine lebenswerte Alternative zu unserem gesellschaftlichen System bot, sondern ein Haufen verlorener Seelen, viele von ihnen mit massiven Problemen, die es nicht schafften in der normalen Welt Fuß zu fassen und sich durch den Konsum ablenkten, sich einbildeten dadurch etwas Besseres zu sein aber in Wirklichkeit furchtbar unglücklich waren. Einen Abend im August, nachdem Jolo und ich den ganzen Tag am Unisee in der Sonne verbracht hatten, begann ich auf dem Nachhauseweg wieder eine Diskussion. Ich war der Meinung, dass es gut und richtig sei, dass illegale Drogen illegal sind, da sie die Menschen kaputt machen und ihnen bloß eine Illusion vorgaukeln, einen Moment lang Glücksgefühle hervorrufen die aber nicht echt sind und dass sie im Grunde genommen, Menschenleben immer nur zerstören, statt diese zu bereichern. Jolo war völlig anderer Meinung, wir redeten uns immer mehr in Rage und begannen einen heftigen streit der total eskalierte. Jolo wurde richtig ausfallend und begann mich aufs Übelste zu beschimpfen. Als faschistische, kapitalistische Hure die sich doch am Besten gleich den nächsten Banker angeln und bis zu ihrem spießbürgerlichen Tod dem Staat dienen sollte... Es war fürchterlich, ich habe mich noch nie zuvor mit jemandem so gestritten. Ich wollte ihn nicht mehr sehen und alleine nach Hause und als er merkte, dass es mir ernst damit war, switschte er plötzlich wieder um, begann sich zu entschuldigen, kleinzureden, was er grade noch von sich gegeben hatte, weinte, wollte unbedingt mit zu mir nach Hause und mich nicht alleine gehen lassen. Diese Ambivalenz, dieser plötzliche Sinneswandel von einem Extrem ins andere machte mir Angst und bestärkte mich nur in meiner Meinung, dass Drogen Menschen zerstören. Ich bin an dem Abend alleine nach Hause gegangen und brauchte erst mal eine Woche Abstand. Ich glaube, ich hatte als ich begann, die Partyszene aus anderen Augen zu sehen, die Hoffnung, Jolo von meinen Ansichten überzeugen zu können und gemeinsam mit ihm auszusteigen, merkte aber mit der Zeit, wie verblendet und auf eine gewisse Art und Weise auch abhängig er war. Nach diesem heftigen Streit haben wir uns nur noch ein paar mal getroffen, es war nicht mehr so wie vorher, er war mir suspekt geworden, widerte mich an. Zunächst hatte ich ihn bewundert, fand seine Art und seine Sicht auf das Leben faszinierend, aber jetzt wurde er mir zunehmend unheimlicher, er war nichts weiter als ein armseliges Drogenopfer, der es nie schaffen würde, irgend etwas im Leben auf die Beine zu stellen, der versuchte, anderen seine Lebensweise überzustülpen und der neben seiner verblendeten Weltsicht keine anderen Ansichten zulassen konnte.
Einen weiteren Knackpunkt gab es für mich im August 2015 als ich bereits abstinent lebte. Mein Großvater (der, der nicht bei uns auf dem Hof lebte) starb. Ich hatte bisher das Glück dass all meine Großeltern, obwohl ich zu dem Zeitpunkt schon 29 Jahre alt war, noch lebten. Er war der erste Opa der starb und ich hatte ihn sehr gern. Mir wurde plötzlich bewusst, dass meine Großeltern eigentlich ein riesengroßes Vorbild für mich waren, die Art und Weise wie sie ihre Partnerschaft gelebt hatten, immer voller Respekt und Fürsorge füreinander und bis zum Schluss auch noch voller Liebe. Sie waren immer ehrlich interessiert an den Menschen und waren immer für alle da, die sie brauchten, haben immer gegeben. Dies wurde mir mit seinem Tod plötzlich so wirklich bewusst. Bisher hatte ich das alles immer für selbstverständlich genommen und nun, da mein Opa tot war und meine Oma plötzlich ganz allein, merkte ich erst, was für ein Geschenk dies war. Mir war plötzlich klar, dass ich für meine Oma da sein will, ihr etwas zurück geben will, von all dem was sie in ihrem Leben für unsere Familie gegeben hat und dass ich in der Lage sein will, sie immer und zu jeder Zeit selbstständig besuchen zu können und dass ich mich im Notfall nachts alleine auf den Weg machen kann um zu ihr zu fahren und für sie da zu sein. Das war der Punkt an dem ich wusste, dass ich mich zu den Abstinenznachweisen und der MPU anmelden würde um selbstständig und mobil zu sein, um genau dies gewährleisten zu können.