Was ist Alkoholismus

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Alkoholismus als Krankheit

Was ist Alkoholismus?
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Alkoholismus bedeutet, dass ein Mensch in Bezug auf Alkohol in eine seelische und körperliche Abhängigkeit gerät. Dabei wird die körperliche Abhängigkeit durch physische Entzugssymptome in Trinkpausen, die seelische Abhängigkeit durch das zwingende Verlangen nach weiterem Alkoholkonsum charakterisiert. Der Konsum von alkoholischen Getränken hat für die betroffene Person Vorrang gegenüber Verhaltensweisen, die zuvor einen höheren Stellenwert besessen haben, so dass es in weiterer Folge zu psychosozialen und körperlichen Schäden kommt. In diesem Fall spricht man von Alkoholkrankheit.

Wann ist ein Mensch alkoholkrank?
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Ein Mensch ist alkoholkrank, wenn

er nach dem Konsum einer geringen Alkoholmenge ein unzähmbares Verlangen nach mehr Alkohol verspürt,
er weiter trinkt, obwohl er weiß, dass er aufhören sollte,
er immer mehr Alkohol braucht, um dieselbe Wirkung zu erzielen,
er heimlich und alleine trinkt,
er durch seinen Alkoholkonsum einen Organschaden in Kauf nimmt,
er durch sein Trinkverhalten die Beziehung zu seinen Mitmenschen stört,
er trinkt, um Entzugssymptome zu mildern,
es zu einer Zentrierung des Denkens und Strebens nach Alkohol kommt und dies zu einer fortschreitenden Vernachlässigung des sozialen Lebens oder anderer Interessen führt.

Wann ist man gefährdet, alkoholkrank zu werden?
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Alkoholkrank wird man nicht von heute auf morgen. Diese Krankheit entwickelt sich schleichend, und kein Konsument alkoholischer Getränke ist davor gefeit.

Kritisch wird die Situation, wenn
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Alkohol zum Essen oder Ausgehen einfach dazugehört und nicht mehr wegzudenken ist,
bei psychischen oder sozialen Belastungen getrunken wird,
die Vorstellung, für einige Zeit abstinent zu leben, Unbehagen bereitet,
man sich erst nach einigen Gläsern richtig ausgeglichen und wohl fühlt.
Treffen mehrere dieser Punkte zu, sollte man sein Trinkverhalten grundsätzlich überdenken. Ein tägliches Quantum bis zu 16 g reinen Alkohols bei Fraün und 24 g bei Männern (20 g entsprechen einem halben Liter Bier oder einem Viertel Wein) gilt nach derzeitigem Stand der Wissenschaft als unbedenklich (Harmlosigkeitsgrenze). Überschreitet der tägliche Konsum 20-40 g bei Fraün bzw. 60 g bei Männern spricht man von Alkoholmissbrauch, der ein deutlich erhöhtes Risiko für Folgeschäden nach sich zieht (Gefährdungsgrenze). Derzeit gibt es Bestrebungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Toleranzgrenze auf 7 g zu senken.

Entwicklung und Erscheinungsformen der Alkoholkrankheit
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Die Entwicklung der Alkoholkrankheit kann in Phasen verlaufen. Nach dem gängigen Modell von Prof. E.M. Jellinek beginnt diese Entwicklung mit der:

Voralkoholischen Phase:
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Gelegentliches bis häufiges Erleichterungstrinken wird immer mehr zum Ersatz für andere Problemlösungsmöglichkeiten. Das Entlastungstrinken wird allmählich zur Gewohnheit und zwangloser Alkoholkonsum geht in Missbrauch über. Es folgt die:

Anfangsphase:
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In dieser drehen sich die Gedanken des Betroffenen verstärkt um den Alkohol, der immer mehr ins Zentrum des Denkens und Handelns rückt. So kommt es in weiterer Folge zum heimlichen Trinken, es werden größere Alkoholvorräte angelegt und gut versteckt. Ist vom Alkohol die Rede, versuchen die Betroffenen dem Thema auszuweichen. Zudem treten aufgrund des Trinkverhaltens vermehrt Schuldgefühle auf.

Kritische Phase:
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Zunehmend kommt es zum Kontrollverlust über das Trinken. Menschen in dieser Situation versprechen zwar oft die Abstinenz und versuchen diese auch einzuhalten, was ihnen auf Daür allerdings nicht gelingt. Deutliche Veränderungen in der Persönlichkeit führen zu häufigeren Konflikten im privaten wie beruflichen Bereich (Wechsel des Arbeitsplatzes). Der Alkoholiker "lebt" in dieser Phase den Selbstbetrug und verliert dadurch den Kontakt zur Umgebung. Erste körperliche Konseqünzen - wie Händezittern, Schweißausbrüche und sexülle Störungen - treten auf

Chronische Phase:
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Jede Form von Alkoholika wird getrunken, es kommt zu tagelangen Vollräuschen und massiven Beeinträchtigungen der Wahrnehmung. Die organischen Störungen nehmen zu, eine deutliche körperliche Abhängigkeit und der rasche soziale Abstieg prägen diese Phase.
 

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Welche körperlichen Folgen kann Alkoholmissbrauch haben?
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Akute Alkohol-Intoxikation (Rausch):
Die Verträglichkeit von Alkohol und seine Auswirkungen haben je nach Toleranzlage ein sehr breites individülles Spektrum. Bei einer Blutalkohol-Konzentration von etwa 3 Promillen zeigen die meisten Menschen das Bild einer schweren Alkoholvergiftung (nach verhaltensdeutlichen Koordinations- und Artikulationsstörungen kommt es zur Beeinträchtigung der Bewusstseinslage, und zwar von ausgeprägter Schläfrigkeit bis hin zum Koma). Ab 5 Promille ist in der Regel mit einem tödlichen Ausgang zu rechnen.

Entzugserscheinungen treten auf, wenn der Alkoholiker die Alkoholzufuhr unterbricht oder stark reduziert.
Folgende Symptome sind möglich:

Magen-Darm-Störungen (Brechreiz, Durchfälle etc.)
Kreislaufstörungen (Kollapsneigung, "Herzrasen" etc.)
Schlafstörungen
Starkes Schwitzen
Neurologische Störungen (Zittern, Sprachstörungen, starke Nervosität oder epileptische Anfälle)
Psychische Störungen (Unruhe, depressive Verstimmung, Halluzinationen oder Angstzustände)

Alkoholdelir (Delirium tremens):
Dies ist die schwerste Form des Alkoholentzug-Syndroms. Es stellt eine lebensgefährdende Erkrankung dar (bis zu 20 % Todesfälle) und bedarf einer sofortigen stationären Behandlung. Die Anzeichen sind Bewusstseinsstörungen, ausgeprägte Angstzustände, starke Unruhe, Desorientiertheit und Halluzinationen (die berühmten weißen Mäuse).

Persönlichkeits- und Hirnleistungsstörungen (organisches Psychosyndrom): Durch den Abbau von Gehirnsubstanz kommt es zu Störungen der Gedächtnisleistung, der Feinmotorik, der Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit. In weiterer Folge können sich auch Depressionen, Phobien (Angstzustände) und paranoide Störungen mit hoher Selbstmordgefährdung entwickeln.

Schädigungen der Nervenbahnen (Polyneuropathien):
Bei etwa 20 Prozent der Alkoholiker treten Taubheitsgefühle, Empfindungen wie "Ameisenkribbeln" (Parästhesien), Muskelschwäche oder -krämpfe und Nervenschmerzen auf. Auch der bei Alkoholikern oft zu beobachtende tapsige, unsichere Gang ist auf die Schädigung der Nervenbahnen zurückzuführen.

Erkrankungen des oberen Verdauungstraktes:
1. Gastritis
2. Entzündungen der Speiseröhre (Ösophagitis)
3. Mallory-Weiß-Syndrom (Schleimhaut-Einrisse im Übergang von der Speiseröhre zum Magen, die durch Erbrechen entstehen können und sehr leicht zu Blutungen führen)
4. Speiseröhren- und Magenkrebs

Resorptionsstörungen, die einen Mangel an Vitaminen (v.a. Vitamin B) und anderen wichtigen Substanzen (z. B. Folsäure) verursachen.

Entzündungen der Bauchspeicheldrüse (chronische und akute Pankreatitis)

Störungen der Leber:
Toxische Alkoholgrenzen für die Leber sind individüll verschieden, bewegen sich aber bei Männern im Bereich von etwa 60 g reinem Alkohol (entspricht 1,5 l Bier oder 0,75 l Wein) und bei Fraün im Bereich von ca. 40 g (1,0 l Bier oder 0,5 l Wein). Bei fortlaufendem Überschreiten dieser Grenzwerte entwickelt sich eine Fettleber. Diese ruft zunächst keine Beschwerden hervor, es zeichnet sich aber oft schon eine deutliche Lebervergrößerung ab.

In weiterer Folge kann der Alkoholkonsum zur Fettleber-Hepatitis führen. Auch diese bleibt anfangs meist symptomlos, nach einiger Zeit treten jedoch Appetitlosigkeit, Übelkeit, Gewichtsverlust, Schmerzen im rechten Oberbauch, erhöhte Temperatur und eine Gelbfärbung der Skleren (Lederhaut des Auges) sowie der Haut auf.

Die Leberzirrhose wird durch den Untergang von Leberzellen und deren Ersatz durch einfaches Gewebe charakterisiert. Anfänglich müssen auch hier keine Symptome auftreten, in weiterer Folge zieht die Zirrhose aber die söben beschriebenen Beschwerden nach sich. Oftmals entwickeln sich darüber hinaus ein Aszites (Wasseransammlung in der Bauchhöhle), Hautveränderungen, Gynäkomastie (Brustwachstum des Mannes) und Potenzstörungen. Die mittlere Überlebenszeit von Patienten mit Zirrhose beträgt in etwa zwölf Jahre, die Todesursache ist häufig Koma durch Leberversagen.

Alkoholtoxische Kardiomyopathie:
Pathologische Vergrößerung des Herzens, die zu einer verminderten Leistungsfähigkeit führt (Herzinsuffizienz).

Hypoglykämie (Unterzucker)

Alkoholtoxische Embryopathie: Der erhöhte Alkoholkonsum in der Schwangerschaft verursacht eine Schädigung des Embryos.

Autor: Kleinlaut
 

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Welche Erscheinungsformen gibt es beim Alkoholismus?
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Die gebräuchlichste Klassifikation und Einteilung geht ebenfalls auf Jellinek zurück. Der Pionier in der Erforschung der Alkoholkrankheit beschreibt fünf Typen (durch griechische Buchstaben gekennzeichnet), die sich durch Schweregrad und Art des Alkoholkonsums voneinander unterscheiden.

Alpha-Typ:
Dieser Typ benutzt den Alkohol, um innere Spannungen und Konflikte zu bekämpfen. Die Trinkmenge ist abhängig von der jeweiligen Stresssituation. Somit besteht die Gefahr einer psychischen Abhängigkeit. Die Fähigkeit zur Abstinenz ist vorhanden, da noch keine körperliche Abhängigkeit eingetreten ist.

Beta-Typ:
Hier handelt es sich um so genannte Gelegenheitstrinker, Menschen also, die bei sozialen Anlässen zwar viel trinken, dabei aber sozial und psychisch unauffällig bleiben. Durch den häufigen Alkoholkonsum zeichnen sich jedoch bald gesundheitliche Folgen ab.

Gamma-Typ:
Für diesen Typ ist die Bezeichnung "Rauschtrinker" gebräuchlich, da sich hier Phasen der starken Berauschung mit längeren abstinenten Phasen abwechseln. Typisch für den Gamma-Alkoholiker ist, dass er - hat er einmal zu trinken begonnen - nicht mehr aufhören kann, selbst dann, wenn er bereits das Gefühl hat, genug zu haben. Dies wird als Kontrollverlust bezeichnet. Das Vermögen, auch längere Abstinenzphasen einzuhalten, wiegt die Vertreter dieses Alkoholiker-Typus in trügerischer Sicherheit - sie sind überzeugt, nicht abhängig zu sein.

Delta-Typ:
Damit ist der "Spiegeltrinker" gemeint. Dieser bleibt lange Zeit sozial unauffällig, da er selten erkennbar betrunken ist. Jedoch besteht bei ihm eine starke körperliche Abhängigkeit, so dass er ständig Alkohol konsumieren muss, um Entzugserscheinungen zu vermeiden. Durch das permanente Trinken entstehen zahlreiche körperliche Folgeschäden.

Epsilon-Typ:
Die gängigere Bezeichnung für diesen Typ lautet "Quartalsäufer", da er in unregelmäßigen Intervallen durchbruchhaft - in teilweise tagelangen Phasen - exzessiven Alkoholkonsum erlebt. Dazwischen kann er auch monatelang abstinent bleiben.
 

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Jellinek Schema

Hier könnt ihr den Alkoholverlauf vom ersten Schluck bis zur Abhängigkeit sehen.
Daran lehnen sich die Psychologen an.

http://www.loleh.de/html/jellinek-schema.html


Das Jellinek - Schema

Phasen und Stufen



A. Voralkoholische Phase

Gelegentliches Erleichterungstrinken Erhöhung der Alkoholtoleranz Häufiges Erleichterungstrinken.

Der erste Beginn des Konsums alkoholischer Getränke ist bei dem potentiellen Alkoholiker meist sozial motiviert, wie bei jedem anderen auch. Im Gegensatz zum durchschnittlichen Gesellschaftstrinker empfindet der spätere Alkoholiker bald eine befriedigende Erleichterung beim Trinken. Dabei schreibt er seine Erleichterung eher der Situation als dem Trinken zu, z.B. der lustigen Gesellschaft, dem Fest, dem Kegeln oder Skatspielen usw.; daher sucht er Gelegenheiten, in denen beiläufig getrunken wird.
Nach einer bestimmten Zeit des Trinkens wird eine Erhöhung der Alkoholtoleranz festgestellt, d.h. der Trinker braucht eine größere Menge Alkohol als früher zur Erreichung des gewünschten euphorischen Stadiums. Diese Trinkmethode daürt je nach Umständen Monate und Jahre, - sie geht vom Stadium des gelegentlichen zum häufigeren Erleichterungstrinken über. Im gleichen Maße fällt die Toleranz des Trinkers für seelische Belastungen in solch einem Umfang ab, dass er praktisch täglich Zuflucht zur alkoholischen Erleichterung nimmt. Sein Trinken erscheint jedoch weder seinen Angehörigen, Freunden noch ihm selbst verdächtig.

B. Anfangsphase

1. Gedächtnislücken

Plötzliches Auftreten von Erinnerungslücken - medizinisch Amnesien genannt. Sie können ohne Anzeichen von Trunkenheit auftreten. Der Trinker kann eine vernünftige Unterhaltung führen oder schwierige Arbeit leisten, ohne am nächsten Tag eine Erinnerung daran zu haben, wenn auch noch einzelne Erinnerungsfetzen bestehen. Der Alkohol hört praktisch auf, ein Getränk zu sein, sondern er wird als "Medizin" benötigt, die der Trinker braucht.

2. Heimliches Trinken

Aus dem Unterbewussten entwickelt sich bei dem Trinker die vage Vorstellung, dass er anders als andere Leute trinkt. Um nun nicht aufzufallen oder falsch beurteilt zu werden, sucht er bei Geselligkeiten Gelegenheiten zum Trinken von ein paar Gläsern ohne das Wissen der anderen; er trinkt "heimlich".

3. Daürndes Denken an Alkohol

Ohne sich dessen recht bewusst zu werden, denkt der Trinker oft und über das normale Maß hinaus an Alkohol, ein Beweis für seinen erhöhten Bedarf.

4. Gieriges Trinken

Wegen seiner vermehrten Alkoholabhängigkeit tritt jetzt das "gierige Trinken", nämlich das hastige Herunterkippen der ersten Gläser, auf.

5. Schuldgefühle wegen der Trinkart

Da der Trinker sich allmählich bewusst wird, dass sein Trinken ungewöhnlich ist, entwickeln sich bei ihm "Schuldgefühle" wegen seiner Trinkart.

6. Vermeiden von Anspielungen auf Alkohol

Aus dem vorgenannten Schuldgefühl heraus beginnt der Trinker, bei Unterhaltungen "Anspielungen auf Alkohol" zu vermeiden.

7. Häufigkeit der Gedächtnislücken

Die Häufigkeit von Gedächtnislücken, in Verbindung mit dem Verhalten 2.-6., wirft den Schatten der Alkoholsucht voraus und sollte dem Trinker als dringende Warnung dienen.
 

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C. Kritische Phase

8. Unwiderstehliches Verlangen nach mehr
Alkohol nach dem ersten Glas
(Kontrollverlust)

Es ist das Stadium erreicht, in dem bei dem Trinker ein unwiderstehliches Verlangen nach mehr Alkohol entsteht, sobald eine kleine Menge Alkohol in seinen Körper gelangt ist. Dieses Verlangen wird als zwingender Bedarf empfunden und hält gewöhnlich an, bis der Trinker zu betrunken oder zu krank für eine weitere Alkoholaufnahme ist. Dieser alkoholische Exzess, medizinisch Alkoholabusus genannt, braucht nicht durch irgendein persönliches oder psychisch bedingtes Bedürfnis eingeleitet zu werden, sondern kann aus einer "harmlosen" gesellschaftlichen Gelegenheit entstehen. Der "Kontrollverlust" bedeutet nicht, dass der Trinker immer trinken muss, er setzt vielmehr erst während des Trinkens und durch das Trinken ein.

Der Trinker hat in der konkreten Situation noch immer die Entscheidungsfreiheit darüber, ob er trinken will oder nicht. Das wird allein durch die freiwilligen abstinenten Perioden bewiesen, die oft nach derartigen Exzessen eingehalten werden.

In diesem Zusammenhang wird oft die Frage erhoben, warum der Trinker nach seinen verhängnisvollen Erfahrungen anlässlich seiner wiederholten Exzesse denn dann immer wieder anfängt zu trinken. Er ist in diesem Stadium bereits alkoholabhängig geworden, wenn es ihm auch nicht bewusst ist. Sein Wille in Verbindung mit Alkohol ist mindestens beeinträchtigt, er selbst jedoch glaubt, dass er seine diesbezügliche Willenskraft nur vorübergehend verloren hat und sie daher wiedererlangen kann und muss. Er ist sich jedoch darüber nicht im klaren, dass in ihm ein Vorgang (Abhängigkeitserkrankung) abgelaufen ist, der es ihm unmöglich macht, seinen Alkoholkonsum über längere Zeiträume hinweg einzuschränken oder zu kontrollieren.

9. Erklärungen, warum man so trinke
(Alkoholausreden, Alibis)

Mit dem Einsetzen des Kontrollverlustes beginnt der Alkoholiker sein Trinkverhalten zu erklären und schafft sich durch "Alkoholausreden" Alibis, d.h. Erklärungen, die ihn selbst davon überzeugen sollen, dass er die Kontrolle nicht verloren hat. Er redet sich selbst ein, dass er "guten" Grund zum Sichbetrinken habe und er ohne "diesen" Grund genauso mäßig oder überhaupt nicht wie die anderen trinken könne. Hier setzt der große unbewusste Selbstbetrug des Alkoholikers ein und damit verbunden der Betrug an seiner Umwelt.

10. Soziale Belastungen

Dieser Selbstbetrug ist nun beim Alkoholiker der Anfang eines ganzen "Erklärsystems", das sich immer mehr auf jede Ebene seines Lebens ausbreitet. Dieses "System" dient nun auch als Widerstand gegen die "sozialen Belastungen", die zusammen mit dem "Kontrollverlust" entstehen. Seine Trinkart fällt unterdessen auch der Umwelt auf. Angehörige, Freunde, Kollegen und Arbeitgeber beginnen, den Alkoholiker zu tadeln oder zu warnen.

11. Übergroße Selbstsicherheit

Auf das Verhalten der Umwelt reagiert der Alkoholiker mit "übergroßer Selbstsicherheit" nach außen, obwohl bei ihm selbst ein deutlicher Verlust an Selbstachtung einsetzt. Er versucht, diesen Verlust durch Extravaganz und Großspurigkeit zu kompensieren, um sich selber davon zu überzeugen, dass er noch nicht so schlecht dran ist, wie er manchmal gedacht habe.

12. Auffällig aggressives Benehmen
(die anderen sind schuld)

Durch sein "Erklärsystem" isoliert sich der Alkoholiker in zunehmendem Maß von seiner Umwelt, die in seinen Augen an allem schuld ist. Auf dieses angebliche "Schuldsein" der Umwelt reagiert er dann mit auffällig aggressivem Benehmen.

13. Innere Zerknirschung, daürndes Schuldgefühl
(Anlass zum erneuten Trinken)

Das auffällige Verhalten des Alkoholikers gegenüber seiner Umwelt reflektiert auf ihn selbst und ruft nun auch in ihm Schuldgefühle hervor, die zur inneren Zerknirschung führen. Diese Zerknirschung sucht er erneut mit Alkohol zu überspielen, und so setzt der circulus vitiosus (Teufelskreis) ein.

14. Perioden völliger Abstinenz

Bisweilen gelingt es dem Alkoholiker, diesen "circulus vitiosus" zu durchbrechen, indem er Perioden völliger Abstinenz durchläuft. Dabei folgt er dann auch dem zunehmenden sozialen Druck.

15. Änderung des Trinksystems

Die abstinenten Perioden führen jedoch wieder zum Rückfall, da er seinem Grundübel, dem "Selbstbetrug", nicht begegnet und daher dem ständigen inneren Druck nicht standhält. Aus diesem "Selbstbetrug" heraus ändert der Alkoholiker jetzt sogar sein Trinksystem, indem er sich selber "Regeln" aufstellt, so z.B. nicht vor einer bestimmten Tageszeit zu trinken oder nur an bestimmten Orten, oder nur diese und jene Art und Menge Alkohol zu trinken, usw.

16. Fallenlassen von Freunden
(Feindseiligkeit gegen die Umwelt)

Die Umwelt erkennt natürlich die Änderung der Verhaltensweise des Alkoholikers, entlarvt ihn ob seiner "scheinbaren" Abstinenz und durchschaut die Änderung seines "Trinksystems". Darauf reagiert der Alkoholiker mit Feindseligkeit und lässt seine Freunde fallen.

17. Verlassen oder Wechseln des Arbeitsplatzes

Das Verlassen oder Wechseln des Arbeitsplatzes ist nur eine Konseqünz aus seinem feindseligen Verhalten gegenüber der Umwelt. Freunde und Bekannte lassen den Alkoholiker fallen, oft verliert er auch den Arbeitsplatz. In vielen Fällen übernimmt er auch in dieser Richtung selber die Initiative als vorausschaünde Verteidigung und zum Sich- Entziehen unliebsamer Tadel und Mahnungen.

18. Konzentrierung des Benehmens auf Alkohol

Da sich der Alkoholiker immer mehr verlassen sieht, konzentriert er sich im verstärkten Maß auf den Alkohol als "Medizin und Seelentröster".

19. Verlust an äußeren Interessen

Der Alkoholiker denkt darüber nach, wie eine bestimmte Arbeit sein Trinken stören könnte (statt umgekehrt) und lehnt alle Interessen ab, die ihn daran hindern können.

20. Neuauslegung mitmenschlicher Beziehungen

Im Alkoholiker verstärkt sich zunehmend das Gefühl, dass die Umwelt an seinem Fehlverhalten schuld sei. Dieses Gefühl ruft in ihm eine immer stärker werdende Anspruchshaltung hervor, aus der heraus er nur noch den Wert oder Unwert seiner mitmenschlichen Beziehungen bemisst.

21. Auffallendes Selbstmitleid

Diese Auslegung seiner mitmenschlichen Beziehungen ist mit einem auffallenden Selbstmitleid verbunden. Er kann doch nichts dafür, die anderen wollen ihm doch immer etwas!

22. Gedankliche oder tatsächliche Flucht

Sein "Erklärsystem", seine "Isolation" und sein "Selbstmitleid" haben jetzt derartige Formen angenommen, dass der Alkoholiker versucht, sich den daraus entstandenen Problemen durch gedankliche Flucht (sich selber etwas vorgaukeln und gedanklich in eine bessere Atmosphäre versetzen) oder tatsächliche (geographische) Flucht zu entziehen.

23. Änderungen im Familienleben

Unter dem Eindruck dieser Vorfälle tritt eine Änderung im Familienleben ein. Nicht nur der Alkoholiker hat sich zunehmend isoliert, sondern auch seine Familienangehörigen ziehen sich zunehmend von ihm zurück. Auch entwickeln sie eine ausgiebige Betriebsamkeit, um dadurch der häuslichen Umgebung zu entkommen.

24. Grundloser Unwillen

Der Alkoholiker selbst lebt jetzt in einem anhaltenden Spannungszustand, der oft bei ihm grundlosen Unwillen auslöst.

25. Sichern des Alkoholvorrats

Das vorherrschende Interesse an Alkohol veranlasst den Alkoholiker, sich seinen "Alkoholvorrat" immer zu sichern, wobei er auch dazu übergeht, ihn zu verstecken.

26. Vernachlässigung angemessener Ernährung

Sowohl das "Sichern des Alkoholvorrats" als auch die ersten Auswirkungen auf den Organismus durch das ständige Trinken (Appetitlosigkeit) bringen den Alkoholiker dazu, seine Ernährung zu vernachlässigen bzw. sich völlig einseitig zu ernähren (Kotelett, Frikadellen, Würstchen, Brühen usw. - Vitaminmangel).

27. Erste Krankenhauseinweisung wegen alkoholischen Beschwerden

Die ersten organischen Schäden werden akut (Gastritis, Leberschäden, neurotische Störungen), stationäre Behandlung wird erforderlich.

28. Abnahme des Sexualtriebes

Während sich zu Beginn der Trinkerzeit eine erhöhte Potenz bemerkbar machte und an die Ehefrau oft unzumutbare Forderungen gestellt wurden, zeigt sich jetzt eine zunehmende Impotenz des Alkoholikers.

29. Alkoholische Eifersucht

Auf Grund der eigenen zunehmenden Impotenz steigert sich beim Alkoholiker die Feindschaft gegen seine Ehefrau. Er unterstellt ihr außerehelichen Geschlechtsverkehr und verfällt dadurch in die "alkoholische Eifersucht". Reaktionen seiner Ehefrau auf sein Fehlverhalten werden von ihm grundsätzlich missverstanden, ein anderer Mann wird dahinter vermutet.

30. Regelmäßiges morgendliches Trinken

In diesem Stadium haben Gewissensbisse, Unwillen, Kampf zwischen Alkoholverlangen und Pflichten, Verlust der Selbstachtung und Selbstmitleid, Zweifel und Selbsttäuschung den Alkoholiker so zerrüttet, dass er den Tag nicht beginnen kann, ohne sich nach dem Aufstehen oder noch vorher mit Alkohol zu beruhigen. Ja, er kann schon seine Arbeit ohne Alkohol nicht mehr ausführen. Durch den bisherigen Prozess des Alkoholismus ist die moralische und körperliche Widerstandskraft des Alkoholikers schon völlig untergraben.
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D. Chronische Phase

31. Einsetzen des verlängerten Rausches

Die zunehmend beherrschende Rolle des Alkohols und das durch das morgendliche Trinken entstandene "Verlangen" brechen schließlich den Widerstand des Alkoholikers. Er ist jetzt auch am hellen Tag und bisweilen öfters in der Woche betrunken. Oft verharrt er mehrere Tage hintereinander in diesem Zustand, so dass er dem "verlängerten Rausch" unterliegt, bis er völlig unfähig ist (geistig und körperlich), noch etwas zu unternehmen.

32. Bemerkenswerter ethischer Abbau

Die mit diesen anhaltenden Exzessen verbundene Gleichgültigkeit gegenüber der Umwelt haben bei dem Alkoholiker einen erheblichen ethischen Abbau zur Folge.

33. Beeinträchtigung des Denkens

Auch das Denkvermögen weist erhebliche Ausfallerscheinungen auf Sachliche Überlegungen vermag der Alkoholiker nicht mehr anzustellen, seine Gedanken verfolgen nur noch "krumme Wege".

34. Alkoholische Psychosen

Bei vielen Alkoholikern treten in diesem Stadium die ersten "alkoholischen Psychosen" auf, das sind durch Alkohol bedingte Geistesstörungen, Halluzinationen, psychosomatische und psychoasthenische Reaktionen.

35. Trinken mit Personen unter Niveau

Der Verlust der Moral und oft auch der Verlust der eigenen sozialen Stellung bewirken häufig, dass der Alkoholiker nach dem Motto: "Unter den Blinden ist der Einäugige König" mit Personen weit unter seinem Niveau trinkt, oder allgemeiner: mit Personen, mit denen er sonst im Leben kaum Kontakt suchen würde.

36. Zuflucht zu technischen Produkten

Wenn der Alkoholiker nichts anderes hat oder seine finanziellen Mittel nicht mehr ausreichen, nimmt er zur Befriedigung seiner Gier Zuflucht zu technischen Produkten, wie Kölnisch Wasser oder Haarwasser, Franzbranntwein oder minderwertigem Wermut.

37. Verlust der Alkoholtoleranz

Geistige und körperliche Widerstandskraft sind abgebaut, der Alkoholiker benötigt keine große Menge mehr, um in den Vollrausch zu kommen. Jedoch der Vollrausch wird in seiner Wirkung immer kürzer. Das Trinken wird daher immer hektischer, der circulus vitiosus rotiert immer schneller.

38. Undefinierbare Ängste und Zittern werden Daürerscheinungen

Anhaltendes Zittern (Tremor),

39. ständige Niedergedrücktheit

(Depression), Angstzustände (traumatische Neurosen) sind in diesem Stadium Symptome beim Alkoholiker, die auftreten, sobald in seinem Organismus kein Alkohol mehr vorhanden ist. Die ersten prädeliranten Zustände treten auf. Diese Zustände versucht der Alkoholiker dann wiederum mit Hilfe von Alkohol unter Kontrolle zu bekommen bzw. sie damit zu überbrücken

40. Organische Nervenschädigungen
(Polyneuropathie)

Infolge der chronischen Alkoholintoxikation (Vergiftung) treten länger daürnde Schädigungen des peripheren Nervensystems auf, die also auch noch nach dem Entzug Störungen verursachen: Kribbeln und Taubheitsgefühle (sensibles Nervensystem), Greif- und Gangstörungen (motorisches Nervensystem) - vorwiegend in Händen, Armen, Füßen, Beinen.

41. Trinken wird Besessenheit

Aus der Notwendigkeit heraus, Ängste, Zittern, Hemmungen usw. zu überwinden, sieht der Alkoholiker sich gezwungen, ständig zu trinken. Damit nimmt sein Trinken den Charakter der Besessenheit (Obsession) an.

42. Unbestimmte religiöse Wünsche

Da der Alkoholiker für sein Fehlverhalten, das er allmählich als solches erkannt hat, immer weniger eine Erklärung findet, gibt er sich dubiosen "religiösen" Vorstellungen hin, die sich bis zum "religiösen Wahn" steigern können.

43. Das Erklärsystem versagt

Aber auch die vorerwähnten "religiösen Vorstellungen und Wünsche" vermögen dem Alkoholiker keine Antwort auf seine ständige Frage nach dem "Warum" zu geben. Die Erklärungen, die er sich aus seinem eigenen "Erklärsystem" gibt, werden so häufig und unbarmherzig der Wirklichkeit gegenübergestellt, dass sie vollständig versagen. Er weiß sich keine Antwort mehr und gesteht seine Niederlage ein.

44. Zusammenbrüche

Als Folge dieser Niederlagen ergeben sich für den Alkoholiker seelische Zusammenbrüche, oft verbunden mit der "alkoholischen Epilepsie". Diese Zusammenbrüche sind oft so schwerer Natur, dass die ärztliche Behandlung unbedingt notwendig ist. Selbstmordversuche sind in diesem Stadium nicht selten.

45. Alkoholdelirium

Beim Alkoholiker tritt - meist im Entzug - ein hochgradiger Verwirrtheitszustand auf, mit Wahnideen und schwerer motorischer Unruhe (evtl. mit Fieber verbunden; der Ausgang kann tödlich sein). Wird in dieser Stufe (Endstufe) das Stadium der Korsakow'schen Erkrankung erreicht, ist die Zerstörung der Gehirnzellen irreparabel.

Korsakow-Syndrom: psychischer Folgezustand nach schweren toxischen, infektiösen, traumatischen oder arteriosklerotischen Hirnschädigungen.

Symptomkomplex, der gekennzeichnet ist durch hochgradige Störungen der Merkfähigkeit, Aufmerksamkeit, Auffassung und Reproduktion sowie Gedächtnisausfälle, die durch Erinnerungsfälschungen (Konfabulationen) ersetzt werden; daneben zeitliche und örtliche Desorientierung, euphorische, später stumpfe und gleichgültige Stimmungslage, Initiativlosigkeit und rasche Ermüdbarkeit.

Der Alkoholische Korsakow (Korsakow-Psychose) beginnt meist mit einem Delirium tremens und ist oft verbunden mit der alkoholischen Polyneuropathie.
 
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