Hallo Karl-Heinz.
Vielen Dank für Deine ehrlichen Worte. Nur so komme ich weiter, und finde die defekt-gewordene Schaltung.
Das soll jetzt keine Ausrede sein, was ich jetzt schreibe, aber vielleicht bringt es auch etwas Licht ins dunkle, warum ich so reagiere, wie ich reagiere:
Ich bin Mediziner, für mich gibt es Krankheiten, die ich anfassen kann, um die ich mich kümmern kann, und hoffe, dass alles gut wird. Mit dieser Beichte entsetze ich jetzt einige, weil "der sollte es ja dann besser wissen!" Ja, "wusste" ich auch, dass mir sowas wie anderen niemals passiert, ich nicht besoffen (und damit meine ich besoffen) Autofahren, und schon gar niemanden verletze..... ich weiß ja was passieren kann. Zum Thema "Wissen".....da gehe ich voll mit euch mit, ich wusste einen Sch.....
Ich bin rational, ich sehe etwas, ich repariere etwas, Problem gelöst. Warum bin ich so rational, weniger emotional.....weil ich das so nicht gelernt habe. Auch nicht gelernt habe mit Problemen umzugehen, zu kommunizieren, dahingehend offen und ehrlich zu sein...... so wie meine Eltern.
Ich kann jetzt (zum Glück) nicht mit einer tragischen Geschichte um die Ecke kommen, was in meiner Kindheit alles schief gelaufen ist.
Meine Mutter hatte einen gut bezahlten Job, mein Vater hatte einen handwerklichen Beruf, war vor und nach meiner Geburt viel unterwegs auf Montage, bis er irgendwann damit schluß gemacht hat, damit er zuhause bei seiner Familie ist. Trotzdem war er von Mo-Fr arbeiten. Auch meine Mutter, ich kam in den Kindergarten, meine Oma hat mich dort abgeholt, war mit mir zuhause, bis meine Mutter von der Arbeit kam.
Mit der zweiten Schwangerschaft, falsch......vierte Schwangerschaft und zweites Kind, hat meine Mutter ihren Job gekündigt, um bei uns zu sein.
Vielleicht fingen damit die Probleme meiner Eltern an, Geld war weniger, zwei Kinder......... ich erinnere mich nicht an jede Minute aus meiner Kindheit. Ich erinnere mich an Urlaube, wo nur meine Mutter mit uns und Freunden im Urlaub war. Wenn ich meine Mutter vorher gefragt habe, was mit meinem Vater ist, war die Antwort, dass er arbeiten müsse und nicht mitkommen kann, weil ich ja auch (irgendwelche Sachen) wollte.....ok. Ob mein Vater nun zuhause saß und getrunken hat.... ich weiß es nicht. Beim ersten gemeinsamen Urlaub da war ich 16, Kroatien.
Nicht im Urlaub, aber etwa um die Zeit (war ich 15, 16....ich weiß es nicht) habe ich meinen Vater einmal emotional erlebt, als mich meine Mutter bei der Polizei abholen musste, weil ich zwei CDs geklaut habe. Das hat meinem Vater die Tränen in die Augen getrieben. Ich wurde nie verprügelt, mißhandelt, ab und zu habe ich einen "Denkanstoß" bekommen, das war es.
Probleme wurden nie offen, also in unserem Beisein, besprochen. Das haben meine Eltern wohl gemacht, wenn überhaupt, wenn wir geschlafen haben. Bei Streit war Funkstille, irgendwann haben meine Eltern wieder miteinander geredet. OK, stimmt nicht ganz. Meine Eltern haben ganze vier mal vor uns gestritten...... Was ich geschrieben habe mit den Schwangerschaften, ich weiß bis heute nicht, was wo wie warum; es war ein Tabuthema, über das wir nicht geredet haben. Und so gibt es noch andere Themen, die nie besprochen wurden, diese wurden nur so hingenommen, uns (mir und meiner Schwester) nicht weiter erläutert.
Gehe ich weiter in meine Familiengeschichte, so muss ich sagen, dass Alkohol immer getrunken wurde. Alle zwei Wochen hatten wir in der Familie ein gemeinsames Essen, bei der Familie väterlicherseits saß mein Vater bei seinem (nicht leiblichen) Großvater, da war es tabu für uns Kinder, meine Onkels, meinen Großvater und meinen Vater zu stören. Nein, da wurden keine kriminellen Dinge organisiert; es war die Männerrunde, es wurden Männersachen besprochen..... Bei Familienfesten wurde getrunken, die Stimmung war lustig, war heiter, fröhlich, zeitweise wurde gestritten, soweit ich das noch in Erinnerung habe. Auch hier kann ich mich nur dran erinnern, dass ich und meine Cousins faxen gemacht haben; da wir noch zu jung waren, war Alkohol für uns natürlich tabu.
Ich habe geschrieben, dass mein erster Eigenkontakt mit Alkohol mit 13 war. Danach kam die erste Zeit mit 16, wo ich weggehen durfte, und im Freundeskreis Biermischgetränke (Mixery) getrunken haben. Wir hatten es als "Filmabend bei einem Freund" getarnt, ich durfte nicht mit einer Fahne nach Hause kommen. Auch bei Geburtstagen, 22:00 Uhr Zapfenstreich, natürlich ohne Alkohol. Wie geschrieben, wenn ich mal mit Freunden am Wochenende weg war, habe ich außerhalb geschlafen........bloß nicht anmerken lassen, dass ich Alkohol getrunken habe!
Bei dieser Gelegenheit, schlafen bei Freunden, fällt mir ein, dass ich irgendwann in der Pubertät, ich weiß nicht mehr wie alt ich war, angefangen habe, auf andere neidisch zu werden. Habe ich so von meinen Eltern nie beigebracht bekommen, aber trotzdem habe ich mich "geschämt" dafür, dass wir in einer Wohnung wohnten, nicht in einem Haus; dass andere Markenklamotten hatten, ich nicht, ....... habe ich auch so zu meinen Eltern gesagt. Ich denke heute, dass ich meine Eltern damit getroffen habe. Sie sich den Arsch aufreissen, und ich undankbar bin. Dass ich damit vielleicht am Ego meiner Eltern gekratzt habe, sie vielleicht damit nicht wertgeschätzt habe...... auch das ein Thema, was ich heute noch nie bei meiner Mutter angesprochen habe, aber ich vermute, dass es so ist.
Das erste Mal, dass ich getrunken habe im Beisein meiner Eltern, da war ich 18. Meinen eigenen 18.ten Geburtstag durfte ich nicht feiern, da ich vorher mal wieder Mist gebaut hatte, Konsequenz.......ja, war ICH dran schuld, sonst niemand.
Aber was meine Eltern zum 18.ten gemacht haben, mir mein erstes Auto gekauft, bzw. zwei. Das erste, VW Käfer, Baujahr 1982...... 2000.- Mark, über den Tisch gezogen worden......meine Eltern haben dann aber doch noch das Geld zusammen gekratzt, um mir schnell ein anderes Auto zu kaufen...... zum Thema Undankbarkeit.
Meine Schwester ist 4,5 jünger als ich; als sie ihren ersten "Freund" hatte, der auch ein Freund von meinen Cousins war, hat mein Vater bei einer Familienfeier einen, ich nenne es "sehr unpassenden Kommentar" von diesem Typen aufgeschnappt......Ende vom Lied, er hat ihn geschnappt, die Wand hochgedrückt, und nur gesagt "wenn du meiner Tochter......" das einzige mal in meinem Leben, dass ich meinen Vater aggressiv erlebt habe!
Ich habe an dieser Stelle meine Mutter nicht vergessen. Sie hat bei Feierlichkeiten getrunken, seltenst abends (ich kann mich gar nicht erinnern wie oft oder besser selten ich das mitbekommen habe). Ob auch sie heimlich getrunken hat, weiß ich nicht.
Mit 19y (Januar 2022) bin ich zur Bundeswehr, war nur alle zwei/drei Wochen zuhause (meinen Werdegang erspare ich euch hier, habe ich im FB geschrieben). Im April sind meine Eltern aus der Wohnung ausgezogen, da sie sich entschlossen hatten, ein Haus zu kaufen. Hier habe ich erfahren, dass meine Mutter säckeweise Bierdosen aus dem Keller ausgeräumt hatte, hier habe ich mir dann zusammenreimen können, warum mein Vater immer so oft im Keller und/oder in der Werkstatt war. Dort hat er heimlich getrunken.
Im neuen Haus haben wir zusammen renoviert, ich hatte Zeit mit meinem Vater, viel gelacht, geredet, aber ehrlicherweise keine tiefen Gespräche. Mein Vater war dahingehend emotionslos, hat wenig über sich geredet, ihn hat eher interessiert, wie es mir geht, wie es läuft. Fast eine Art Small-talk.
Mein Vater starb 2005, hat uns alle den Boden weggerissen. Das Emotionale erspare ich mir jetzt. Meine Mutter war der Prügelknabe der Familie väterlicherseits, weil sie ja Schuld daran ist, dass er gestorben ist, dass sie ihn nur ausgenutzt habe (richtig: Lungenkrebs kommt genau davon!).
Meine Mutter ist immer tiefer in das Loch gefallen, hatte vieles um dass sie sich kümmern musste über die ganzen Jahre. Sie ist bis zum heutigen Tage alleine, weil kein anderer Mann meinem Vater das Wasser reichen konnte.......
Wenn ich nun lese was ich schreibe (und ja, ich weiß, ich springe in den Gedanken), stelle ich mir die Frage, warum ich so bin wie ich bin, warum sich das alles so entwickelt hat. Es gab Zeiten wo ich mehr getrunken habe, auch die habe ich im FB angegeben, aber ich hing nicht ständig an der Flasche.
Ich hatte mich letzte Woche mit zwei Kollegen, die auch zu meinem Freundeskreis zählen, zum Essen verabredet. Wir haben über alles mögliche geredet, kamen auch auf das Thema "Alkohol". Einer meiner Freunde sagte zu mir "bei dir passierte immer Scheisse wenn Frauen im Spiel waren."
Dieser Satz hat mich auch nachdenklich gemacht. Ich kam zu dem Schluß, auch mit dem was wir hier geschrieben oder ausgegraben haben, dass das wohl die Lösung sei. Ich zwar rational denke bzw. mich so sehe, aber tief in mir doch emotional bin, und diese Emotionalität nicht rauslassen konnte. Sei es Traurigkeit, Freude, Sorgen, Wünsche. Ich konnte nie damit umgehen, Probleme, die mein Inneres betreffen, anzusprechen. Beruflich sehe ich Probleme, kann sie anfassen, weiß, was ich zu tun habe, um es zu lösen. Ich muss rational denken, emotionsfrei, schnell Entscheidungen treffen, und ja, manchmal habe ich auch die falschen getroffen. Alles Dinge mit denen ich umgehen kann, das ist mein Job, mein Beruf, meine Berufung....... privat bin bzw. war ich eher ein "emotionaler Krüppel", und das ist das, was ich meinen Eltern vorwerfe, dass Probleme immer geschoben wurden, verschwiegen wurden, unter den Tisch fallen gelassen worden, aber selten gelöst.