2. MPU, diesmal wegen Alkohol

Nancy

Super-Moderator und MPU Profi
Teammitglied
Administrator
Konnte auch nicht klappen da diese Farbe den Moderatoren vorbehalten ist. ;)
Versuche es beim nächsten Mal einfach mit grün :smiley138:
 

Ciwi

Benutzer
1. Beschreiben Sie den Tag Ihrer Trunkenheitsfahrt aus eigener Sicht mit Datum und Uhrzeiten.
(Wann, wo und mit wem getrunken / wann und wie aufgefallen / Promille)


Der Tag meiner Trunkenheitsfahrt war Samstag, der 19. Februar 2022. Ich hatte am Tag zuvor (Freitag) beim Einkaufen eine ehemalige Kollegin getroffen, die ich schon seit Jahren nicht mehr gesehen habe. Wir haben uns lange unterhalten und sie lud mich und meinen Freund am nächsten Tag zum Brunch anlässlich ihres Geburtstages ein. Mein Freund war aber an diesem Wochenende Ski fahren und ich ging allein zum Brunch. Sie hatte auch noch zwei andere Kollegen von damals eingeladen und ich freute mich sehr darauf, alle mal wieder zu sehen.

Ich traf pünktlich um 11 Uhr ein und als alle Gäste da waren (insgesamt ca. 15 Personen), stießen wir erstmal mit einem Glas Sekt (200 ml) auf das Geburtstagskind an. Während des Essens trank ich noch 1 weiteres Glas Sekt. Da ich von zu viel Sekt Sodbrennen kriege, bin ich danach auf Wein (Rosè) umgestiegen. Im Laufe des frühen Nachmittags verabschiedeten sich die meisten Gäste und ab ca. 14 Uhr waren nur noch meine Ex-Kollegin, ihr Mann, die beiden anderen Kollegen und ich da. Wir redeten über damals und heute und tranken dabei weiterhin Wein.

Gegen 16:30 Uhr waren wir alle ziemlich betrunken und beendeten die Feier. Da meine ehemaligen Kollegen in einer komplett anderen Richtung wohnen, als ich, konnten wir kein gemeinsames Taxi nehmen. Dummerweise hatte ich mein Geld in meinem Rucksack im Auto vergessen, welches ein paar Straßen weiter stand. Also verabschiedete ich mich und ging zu meinem Auto um mein Geld zu holen. Auf dem Weg dorthin rief ich bei einem Taxi-Unternehmen an. Mir wurde gesagt es sei möglich, mich zu fahren, allerdings erst in 40 Minuten. Also bedankte ich mich und sagte, ich würde es erst nochmal wo anders versuchen. Da war ich dann auch schon an meinem Auto. Und als ich drin saß hab ich die dämliche Entscheidung getroffen, „die paar Kilometer“ doch noch selbst zu fahren. Der Heimweg betrug ungefähr 10 km. Ich fuhr also auf die Autobahn, 2 Ausfahrten später wieder runter und in der nächsten Ortschaft wurde ich von der Polizei gestoppt (17:15 Uhr). Ein Zeuge hatte mich wohl gemeldet, weil ihm meine Schlangenlinien aufgefallen sind. AAK 1,8 ‰. Ich wurde mit auf die Wache genommen und die BAK ergab 1,6 ‰ (18:30 Uhr).


2. Was und wie viel haben Sie am Tattag insgesamt getrunken?
(Genaue Angaben in Sorte, Menge, Trinkzeit)

400 ml Sekt und ca. 1,5 l Wein zwischen 11 Uhr und 16:30 Uhr

Hab ich mir mit der Widmark Formel ausgerechnet….


3. Wie viel Kilometer fuhren Sie, bis Sie aufgefallen sind und wie viel Kilometer wollten Sie insgesamt fahren?
Ich wollte ca. 10 km fahren, nach etwa 7 km wurde ich angehalten.


4. Hatten Sie das Gefühl, noch sicher fahren zu können?
(Ja/Nein + Begründung)

Als ich zu meinem Auto gelaufen bin war mein Gangbild ein bisschen wacklig und unsicher. Dennoch bin ich eingestiegen und losgefahren. Die 7 km Autobahn kamen mir normal vor, was aber wohl Selbstüberschätzung und eine absolut falsche Wahrnehmung war, denn ich bin ja in Schlangenlinien gefahren.


5. Wie haben Sie die Trunkenheitsfahrt vermeiden wollen (wenn überhaupt)?
Ursprünglich hatte ich nicht geplant, soviel zu trinken. Als der Nachmittag dann seinen Lauf nahm, wollte ich eigentlich das Auto stehen lassen und mit dem Taxi nach Hause fahren.


6. Haben Sie bereits früher im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss gestanden und sind aufgefallen?
Ja, im August 2017 bin ich bereits unter Cannabiseinfluss und mit 0,86 ‰ aufgefallen.


7. Wie oft haben Sie alkoholisiert am Straßenverkehr teilgenommen ohne aufzufallen und was folgern Sie daraus?
Wenn ich alle Fahrten, mit Restalkohol, mit unter 0,5 ‰ und oberhalb der erlaubten Promillegrenze zusammen zähle, komme ich auf bestimmt 800 Fahrten. Mit einem so hohen Pegel wie am Tattag vielleicht 5-6 mal.

Daraus folgere ich, daß ich die Wirkung des Alkohols und auch die geltenden Regeln nicht ausreichend ernst genommen habe. Es zeigt mir auch, daß ich mich und meine Fahrkünste überschätzt habe, indem ich dachte „kein Problem, ich kann noch fahren!“. Auch folgere ich daraus, daß ich nicht in der Lage bin, Trinken und Fahren ausreichend voneinander zu trennen.


8. Wann hatten Sie den ersten Kontakt mit Alkohol und wann haben Sie das erste Mal Alkohol zu sich genommen?
(Allererste Erinnerung und erster Konsum)


Meine erste Erinnerung an Alkohol reicht sehr weit zurück, denn wir hatten früher einen Nachbarn, der schwer alkoholabhängig war und schon mittags durch den Garten getorkelt ist und uns als Kinder vollgequatscht oder angepöbelt hat. Unsere Eltern haben uns dann aufgeklärt, was mit ihm los sei und wollten, daß wir uns von ihm fernhalten. Da war ich 8 oder 9 Jahre alt, also 1989/90.

Zum ersten Mal selbst Alkohol getrunken habe ich mit 14 Jahren (ca. 1996) im Rahmen der Konfirmation. In der Kirche hat jeder Konfirmand einen Schluck Wein bekommen und am Abend fand der sogenannte Rundgang statt. Dabei kehrt die gesamte Gruppe nacheinander bei jedem Konfirmanden zu Hause ein und nimmt ein Getränk zu sich. Total verrückt, wenn man mal drüber nachdenkt... Im Gegensatz zu manch anderem habe ich diesen Abend gut überstanden.

9. Haben Sie regelmäßig Alkohol getrunken, und wie hat sich ihr Trinkverhalten in den letzten Jahren entwickelt?

Ich hatte viele Phasen in meinem Leben, in denen Alkohol eine Rolle gespielt hat. Es gab aber auch immer wieder Abschnitte, in denen ich sehr wenig oder gar nichts getrunken habe. Ich habe, mit sehr wenigen Ausnahmen immer nur am Wochenende getrunken, nie alleine und purer Schnaps hat bei mir schon immer einen Würgereiz verursacht, weshalb ich keinen getrunken habe. Den meisten Alkohol habe ich in den Jahren von 18-20 (1999-2001) und von 23-26 (2005-2007) zu mir genommen. Von 20-23 war es sehr wenig.

Von 26-34 (2007-15) wurden die Trinkanlässe zwar weniger, die Menge ist aber konstant geblieben. Damals habe ich ganztags in einem anstrengenden Beruf (Physiotherapie) gearbeitet und war abends und am Wochenende oft froh, einfach auf dem Sofa liegen zu können und mich zu entspannen. Ab 2015, als ich mit meinem damaligen Freund zusammen kam, wurden die Trinkanlässe und auch die Trinkmenge wieder mehr.

Seit meiner Trunkenheitsfahrt 2017 habe ich 4 Jahre abstinent gelebt. Als ich dann im Juni 2021 wieder angefangen habe Alkohol zu trinken, haben sich die Menge und die Trinkanlässe wieder ziemlich schnell gesteigert.

10. Wie viel und wie oft haben Sie getrunken?
(Genaue Angaben in Sorte, Menge, Häufigkeit)


Nach der Konfirmation bis zum Erreichen der Volljährigkeit war es noch eher selten. Vielleicht alle 8-10 Wochen mal 2-3 Bier oder gespritzten Apfelwein (0,33l). Meine Mutter war immer sehr wachsam, was Alkohol anging und da ich auf dem Land lebe und sie mich damals abends abgeholt hat, hielt sich der Konsum zu dieser Zeit noch sehr in Grenzen.

Als ich dann volljährig war und dachte ich sei erwachsen und frei, hat der Konsum von Alkohol erst mal zugenommen. Ich hab mich um die Häuser getrieben, war am Wochenende selten zu Hause und habe zu dieser Zeit etwa 4-6 mal im Monat ca. 2l Bier, eine Flasche Apfelwein oder eine halbe bis ganze Flasche Wein getrunken.

Von 20- 23 Jahren hatte ich meinen ersten richtigen Freund. Da sein Vater Alkoholiker war und er in seiner Kindheit sehr negative Erfahrungen mit Alkohol gemacht hat, hat er gar nichts getrunken und ich somit auch nicht. Nicht wenn er dabei war. Da er fast immer dabei war, beschränkte sich mein Konsum zu dieser Zeit auf einen Anlass in ca. 3 Monaten mit ähnlichen Mengen wie zuvor. Im Frühjahr 2005 hat er sich von mir getrennt. Daraufhin hat sich mein Trinkverhalten erst mal radikal verändert, ich trank fast jedes Wochenende Alkohol, meistens freitags und samstags jeweils 1-2 Bier (0,33l) und ca. 1l Apfelwein oder 4-5 Gläser Wein (0,2l) oder Sekt. Das ging etwa 2 Jahre lang so. Zu dieser Zeit war ich in meiner Ausbildung, wohnte im Wohnheim und habe viel Zeit mit meinen Mitschülern und auf Partys verbracht. Es kam auch einige Male vor, daß wir zu dritt in einer Wohnung im Wohnheim den Abend verbracht haben und mit 3 Personen 6-7 Flaschen Wein getrunken haben.

Nach dem Examen von 2007 bis 2014 hat sich das Trinken dann auf 1-2 Anlässe im Monat eingependelt, die Menge ist in etwa gleich geblieben, vor allem Bier und Apfelwein, hin und wieder auch Wein. Zu dieser Zeit habe ich viel gearbeitet und war abends und am Wochenende meistens zu müde und kaputt, um noch auf die Piste zu gehen.

Von 2015 bis 2017 war ich mit einem alkoholtrinkenden Kiffer zusammen und der Konsum wurde exzessiver. Da waren es 6-8 mal im Monat 2-3 Bier (0,33l) plus 3-4 Gläser Wein (0,2l). Ab 2016 kamen auch noch Longdrinks dazu. Also 2-3 Bier und 2-3 Longdrinks a 300 ml zu einem Trinkanlass. Meistens Gin Tonic.

Nach meiner Trinkpause von 2017 bis 2021 hat sich der Konsum innerhalb von 8 Monaten auf letzten Endes 400 ml Sekt und 1,5l Wein gesteigert. Zu dieser Zeit habe ich etwa alle 2 Wochen an einem Tag des Wochenendes Alkohol getrunken, allerdings nicht immer so viel. Diese Menge hab ich in besagten 8 Monaten maximal 3 mal erreicht.

Das sind jetzt aber alles durchschnittliche Angaben. Es kam auch vor, daß ich nach 2 Bier oder 2 Gläsern Wein genug hatte und nach Hause gegangen bin.

11. Wo und mit wem haben Sie überwiegend getrunken?

Ich habe überwiegend mit meinen jeweiligen Freunden und Bekannten getrunken. Manchmal habe ich auch im Kreise der Familie zu Weihnachten, Ostern oder an Geburtstagen 2–3 Gläser Wein getrunken.

In jüngeren Jahren haben wir uns bei einem aus der Clique zu Hause getroffen und da getrunken. Meistens, wenn die jeweiligen Erziehungsberechtigten nicht da waren.

Als ich dann volljährig war, sind wir oft in Bars und Kneipen gegangen, um dort etwas zu trinken. Später dann, in den Jahren von 23 bis 26 während meiner Ausbildung, fand der Konsum vor allem im Wohnheim und auf Partys statt.

Auch nach der Ausbildung trank ich entweder mit oder bei Bekannten und hin und wieder auch mal in der Kneipe.

In ganz seltenen Fällen habe ich mal im Sommer nach Feierabend mit meinem Freund ein kaltes Bier auf unserem Balkon getrunken.


12. Warum haben Sie getrunken?
(Innere + äußere Motive)


Ich bin in einem idyllischen Dorf auf dem Land aufgewachsen, in einem verhältnismässig stabilen Umfeld, ohne Alkohol, Drogen, finanzielle Sorgen, Gewalt oder sonstige negative Einflüsse. Ich hatte eine Astrid-Lindgren-mäßige Bilderbuchkindheit und wurde besonders von meiner Mutter vor allem Bösen behütet.
Das änderte sich schlagartig, als ich 14 Jahre alt war und mein Vater mit der Mutter meiner damals besten Freundin durchgebrannt ist. Meine Mutter wurde davon eiskalt erwischt und war für lange Zeit ein psychisches Wrack. Aus diesem Grund habe ich es nicht gewagt, meine Pubertät auszuleben, wie andere es getan haben. Meine Mutter hatte genug eigene Sorgen und ich wollte sie nicht noch zusätzlich belasten.

Hinzu kommt, daß ich einen 4 Jahre älteren Bruder habe, der schon immer das Sorgenkind war. Seit dem Tag, als er in die Schule gekommen ist, haben meine Eltern das volle Programm mit Nachhilfe, Erziehungsberatung, Lehrergespräche, ihn bei der Polizei abholen etc. durchgemacht. Er hat kein Fettnäpfchen ausgelassen, hat nur über Umwege den Hauptschulabschluss erreicht, viele Ausbildungen abgebrochen und ist bis heute nicht erwerbstätig. Mittlerweile wurde bei ihm eine Borderline-Störung diagnostiziert und er ist endgültig aus dem System ausgeschieden.

Ich war also schon immer das gute Kind und auf mir lag alle Hoffnung. Also hab ich die Füße still gehalten und meinen schulischen und beruflichen Werdegang ohne Hilfe und größere Zwischenfälle bestritten. Aufgrund der familiären Situation habe ich dann mit 14 Jahren viel zu viel Verantwortung übernommen, um den Scherbenhaufen, den mein Vater hinterlassen hat irgendwie zu beseitigen und mit dem unbeschwerten Leben war es vorbei. Ich war brav, stark und habe versucht, meine Mutter irgendwie zu trösten und keine Probleme zu machen. Wenn ich irgendwelche Sorgen oder Probleme hatte, so habe ich diese mit mir selbst ausgemacht. Bis dahin kannte ich meine Mutter immer nur als stolze und starke Frau. Die Familienmanagerin, die die Kinder großgezogen und bespaßt hat, nebenbei noch arbeiten gegangen ist, den kompletten Haushalt geschmissen hat und die Familie zusammen gehalten hat. Dieses Frauenbild wurde mir schon immer vorgelebt und somit bin ich in diese Rolle rein gewachsen und habe sie dann, als meine Mutter sie nicht mehr erfüllen konnte, übernommen. Und gerade dieses stark sein ist ein Problem, das mich bis heute beschäftigt. Ich arbeite zwar stetig daran, aber es fällt mir immer noch schwer, Schwächen zu zeigen.

Natürlich konnte ich mit 14 Jahren nicht an allen Fronten stark sein und alle Probleme und Schwierigkeiten, die man in diesem Alter ja mit sich selbst eh schon zur Genüge hat, meistern. Also habe ich in der Schule komplett versagt und mußte nach der 8. Klasse das Gymnasium verlassen und sie auf der Realschule nochmal wiederholen. Das war die einzige Ausnahme, wo ich mal nicht unauffällig und reibungslos durchgekommen bin. Somit war dann alles, was ich bis dahin hatte auf einmal weg. Die Freundschaft zu meiner besten Freundin hat diese Herausforderung natürlich nicht überstanden. Mein Vater war weg, bzw. wohnte bei meiner Freundin und ihrer Mutter, meine Mutter hing total in den Seilen und die Schulfreunde vom Gymnasium waren auch nicht mehr da. Ich kam in eine neue Klasse, in der ich niemanden kannte.

Es ging dann aber relativ schnell, daß ich in einen neuen Freundeskreis kam und hier fing dann der Kontakt mit dem Alkohol an. Wir gingen alle auf die 16 Jahre zu und begannen uns an das Trinken heran zu tasten. Ich war natürlich sehr froh und erleichtert, integriert und auf Partys eingeladen zu werden und wollte nicht die Spaßbremse sein, die nichts trinkt. Außerdem bin ich von Haus aus etwas schüchtern und habe dann schnell gemerkt, daß ich mit Alkohol lockerer und aufgeschlossener werde und meine familiären Probleme und das Gefühl, immer erwachsen und vernünftig sein zu müssen, etwas in den Hintergrund schieben konnte. In dieser Zeit habe ich wohl den Grundstein für meinen missbräuchlichen Umgang mit Alkohol gelegt.

So war das bis zur Trunkenheitsfahrt. Ich habe meistens Alkohol getrunken, um von den Verantwortungen des Alltags abzuschalten und mal die Zügel etwas zu lockern.

In den 3 Jahren davor ist mir die Arbeit immer mehr über den Kopf gestiegen. 2014 habe ich mich selbständig gemacht. Ich hatte zwar einen Mitarbeiter, habe aber trotzdem teilweise 50- 55 Stunden pro Woche gearbeitet. Ich habe die Terminvergabe geregelt, bin ans Telefon gegangen, habe die Praxis selbst geputzt und mich am Wochenende noch um Abrechnung, Dokumentation und Buchführung gekümmert. Ich bin zeitweise wirklich auf dem Zahnfleisch gegangen, habe mir aber immer eingeredet, daß ich froh sein muss, daß das Geschäft gut läuft und ich das schon alles schaffe, ich bin ja stark. Burnout ist nur was für Weicheier... Und dann kam Corona.

Wie wir alle, wurde ich von dieser neuen Situation völlig überrascht. Im ersten Lockdown, im Frühjahr 2020, musste ich meine Praxis aufgrund der allgemeinen Verunsicherung und vieler Terminabsagen für 4 Wochen schließen. Meinen Mitarbeiter musste ich in Kurzarbeit schicken. Es gab dann strenge und teilweise unrealistische Vorschriften, in welcher Form medizinische Heilmittel weiterhin verabreicht werden dürfen. Trotz aller Widrigkeiten lief das Geschäft dann aber wieder sehr schnell an. Es dauerte nicht lange und ich stand wieder jeden Tag 10 Stunden an der Behandlungsbank, jetzt allerdings mit FFP2-Maske, was die körperliche Arbeit nicht unbedingt leichter gemacht hat. Da medizinische Betriebe vom Lockdown nicht betroffen waren, konnte ich ab da wieder durchgehend arbeiten. Was ich auch getan habe. Auf Urlaub habe ich 2 Jahre lang weitestgehend verzichtet, um die entstandenen Verluste wieder aufzuholen und weil man ja nicht wußte, was vielleicht noch kommt.

Ein weiterer Punkt, der mich in dieser Zeit sehr belastet hat, waren die geltenden Abstandsregeln und Kontaktverbote. Es kam mir zwar ziemlich unsinnig vor, daß ich täglich 20 Patienten behandelt habe, mich aber abends und am Wochenende nicht mit meinen Freunden treffen durfte. Ich hab mich aber größtenteils daran gehalten, denn ich wollte weder selbst für 2 Wochen in Quarantäne, noch wollte ich Corona mit nach Hause bringen und eventuell meine mittlerweile 85 jährige Mutter infizieren. Somit bestand mein Leben eigentlich nur noch aus Arbeiten, essen und schlafen. Von Work-Life-Ballance war da keine Rede.

Am 6. Februar, zwei Wochen vor meiner Auffälligkeit ist meine Tante mit 74 Jahren an Corona verstorben. Sie hatte eine chronische Lungenerkrankung (COPD) und hat am Ende ihres Lebens noch 34 kg gewogen. Gesehen haben wir das allerdings nicht, denn coronabedingt durfte sie niemand im Krankenhaus besuchen. Die Beerdigung war dann am 18. Februar, einen Tag vor meiner TF.

Als dann das normale, soziale Leben langsam wieder erwacht ist, man wieder Leute treffen und ausgehen durfte und ich wieder mit dem Trinken angefangen habe, bin ich ziemlich schnell über das Ziel hinaus geschossen und habe Alkohol wieder als Ventil benutzt, um Frust, Stress und Sorgen für eine kurze Zeit auszublenden.

Überhaupt wurde mir während meiner Aufarbeitung so richtig klar, daß ich meistens dann vermehrt zum Alkohol gegriffen habe, wenn ich Stress abbauen wollte oder unzufrieden war. Bei meiner ersten Auffälligkeit, lange vor Corona, steckte ich in einer im wahrsten Sinne des Wortes toxischen Beziehung, hatte viel beruflichen Stress und hab, als mir alles zuviel wurde, Zuflucht und Trost im Rausch gesucht, anstatt die notwendigen Veränderungen einzuleiten.

Zum Zeitpunkt meines temporären Rückfalls verursachte es mir wiederum erheblichen Stress, dass mein florierendes Geschäft zunächst komplett eingebrochen ist. Das hat mir jegliche finanzielle Sicherheit genommen und ich hatte Angst, meine Kredite nicht mehr bedienen zu können. Als sich die Lage dann wieder etwas stabilisiert hatte, wuchs mir das Arbeitspensum schnell über den Kopf und mein Leben bestand nur noch aus Arbeit. Einen Ausgleich in der Freizeit gab es nicht, weil ich eigentlich gar keine Freizeit hatte. Das hat wiederum meine Beziehung belastet, denn mein Freund fühlte sich zunehmend vernachlässigt. Wenn ich mal etwas Zeit für ihn hatte, dann drehten sich trotzdem alle Gespräche nur um meine Praxis.

Die Entscheidung, wieder Alkohol zu trinken, traf ich dann zwar eher aus einer Laune heraus, rückblickend muss ich aber feststellen, dass das sehr leichtsinnig und blauäugig war. Es hat nicht lange gedauert und ich habe den Alkohol wieder als Werkzeug benutzt, um vom Alltag und dem Stress Abstand zu bekommen.


13. Welche Wirkung haben Sie in der Vergangenheit nach Alkoholgenuss bei sich beobachtet?
(bei wenig und bei viel Alkohol)


Wenig: gelockerte Stimmung, kommunikativ, konnte besser auf fremde Leute zugehen, konnte Alltagssorgen für eine kurze Zeit ausblenden

Viel: von größeren Mengen Alkohol wurde ich müde und war nicht mehr kommunikativ und locker. Manchmal haben größere Mengen Alkohol auch eine gewisse Melancholie bei mir bewirkt und das mit den Alltagssorgen ins Gegenteil umgekehrt

14. Gab es kritische Hinweise Anderer auf Ihren Alkoholkonsum und wie haben Sie darauf reagiert?

Für gewöhnlich gab es solche Hinweise nicht, denn unter der Woche habe ich viel gearbeitet und nichts getrunken. Mein Freund hat einmal gesagt, mit meiner Abstinenz sei es ja auch nicht mehr so weit her. Da er das aber mit einem Lächeln und einem Augenzwinkern rüber gebracht hat, habe ich es mir nicht zu Herzen genommen.
 

Ciwi

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15. Welche Auswirkungen und Folgen hatte Ihr Alkoholkonsum auf Ihr Leben und Ihr Umfeld?

Auf mein Umfeld hatte mein Alkoholkonsum keine wahrnehmbaren Auswirkungen. Auch im beruflichen Bereich hat er keine Spuren hinterlassen, denn ich bin immer allen Verpflichtungen nachgekommen, war stets pünktlich auf der Arbeit und das auch immer ziemlich frisch, denn ich habe ja immer nur am Wochenende getrunken.

Mittlerweile weiß ich aber, daß mein Trinkmuster insofern Einfluss auf mein Leben hatte, daß ich die alltäglichen Probleme und den selbstverursachten Stress nicht verarbeitet bzw. in Angriff genommen habe, sondern versucht habe, den Alkohol als Ventil und Stresslöser zu benutzen. Ich habe unangenehme Aufgaben, Termine und Gespräche verdrängt und ewig lange vor mir hergeschoben, was mir dann letztlich noch mehr Stress verursacht hat.

16. Gab es in Ihrem bisherigen Leben frühere Zeiten, in denen sie weit mehr Alkohol als heute getrunken haben?
Wenn ja, nennen sie bitte die Lebensabschnitte und mögliche Ursachen und Umstände dafür.


Die meiste Zeit meines Lebens habe ich mehr Alkohol getrunken als heute, denn seit dem 20.2.22 lebe ich wieder abstinent.

Bei meiner Aufarbeitung habe ich aber festgestellt, daß ich meistens dann vermehrt zum Alkohol gegriffen habe, wenn ich Stress abbauen wollte oder unzufrieden war. Zum Beispiel, wenn eine Partnerschaft zu Ende ging. Da dachte ich immer, ich müsste jetzt mal wieder richtig die Sau rauslassen. Heute weiß ich, daß ich lediglich versucht habe, meine Sorgen und die Enttäuschung im Alkohol zu ertränken und mir gute Laune und Unbeschwertheit anzusaufen. Was natürlich langfristig nie geklappt hat.

Außerdem hatte ich von frühster Jugend an immer das Gefühl stark und belastbar sein zu müssen. Dadurch hatte ich immer Probleme damit, mir Schwächen und Misserfolge zu gestatten. Den Alkohol habe ich in solchen Momenten als Ventil missbraucht, um die unangenehme Erkenntnis, daß ich doch Schwächen habe und nicht alles an mir abprallt, abzumildern.

Auch in meiner Ausbildungszeit habe ich häufiger Alkohol konsumiert. Damals war ich jedes Wochenende auf einer anderen Party und es war für mich undenkbar, nüchtern auf eine Party zu gehen, geschweige denn zu tanzen. Hier hat wohl die enthemmende Wirkung des Alkohols eine entscheidende Rolle gespielt. Ich war dann kontaktfreudiger und vermeintlich lustiger und unterhaltsamer. Mittlerweile weiß ich, daß ich auch ohne Alkohol lustig bin und daß man auch gar nicht immer lustig und unterhaltsam sein muss. Und wenn ich nicht tanzen will, dann tanz ich halt nicht.

17. Haben sie jemals die Kontrolle über ihre Trinkmenge verloren und bis zur Volltrunkenheit Alkohol konsumiert?

Ja, einmal. Das war an Fasching vor ca. 15 Jahren. Mit meiner besten Freundin habe ich gegen 12 Uhr schon angefangen Bier zu trinken, um 13:15 Uhr sind wir dann zum Faschingsumzug gegangen. Dort ging es mit Sekt und irgendwelchen Likören aus kleinen Fläschchen (kleiner Feigling, oder sowas) weiter. Danach hatte ich eine Erinnerungslücke von ca. 2 Stunden. Ich habe mich wohl nicht schwer blamiert und mich noch immer recht gesittet benommen, aber ich erinnere mich halt nicht mehr daran. Sowas habe ich danach immer zu vermeiden versucht, weil es doch sehr unangenehm war.

18. Haben Sie früher schon einmal oder öfter über einen längeren Zeitraum bewusst und mit Absicht völlig auf den Genuss von Alkohol verzichtet?

Nach meiner ersten Trunkenheitsfahrt habe ich von August 17 bis Juni 21 komplett abstinent gelebt.

19. In welcher Kategorie eines Alkohol trinkenden Menschen haben Sie sich früher gesehen und wie stufen Sie sich heute rückblickend ein?
(mit Begründung)


Früher dachte ich, daß mein Konsum völliges Normalmaß sei. Ich dachte, daß ich Alkohol trinke, um Spaß zu haben und das Leben zu genießen und das alles in bester Ordnung sei.
Heute weiß ich, daß ich schweren Missbrauch betrieben habe. Ich habe Alkohol getrunken, weil ich ein gestörtes Selbstbewusstsein hatte. Sowohl das Bedürfnis, lockerer und kontaktfreudiger zu sein, als auch das Gefühl, daß schwach zu sein und nicht alles zu schaffen ein Zeichen von Schwäche ist, zeigen mir, daß ich da ziemliche Defizite hatte. Mittlerweile bin ich mir meiner selbst viel bewusster, nehme meine Gefühle ernst und lasse meine Schwächen zu. Im beruflichen Bereich kann ich Aufgaben auf meine Mitarbeiter verteilen und versuche nicht, alles alleine zu bewältigen. Ich weiß heute, daß niemand perfekt ist und daß es nun mal zum Leben dazu gehört, Schwächen zu haben und Fehler zu machen. Heute versuche ich, aus diesen Fehlern zu lernen und nicht, sie zu verdrängen. Anstatt meine Gefühle irgendwie zu betäuben, lebe und spreche ich sie mittlerweile aus und versuche eine Lösung zu finden.


Heute und in Zukunft

20. Trinken Sie heute Alkohol? Wenn ja, was, wie viel und wie oft?
(Genaue Angaben in Sorte, Menge, Häufigkeit)


Nein, seit dem 20. Februar 22 lebe ich abstinent.

21. Wann haben Sie zuletzt Alkohol getrunken?

Am 20. Februar 22 ein Glas Sekt zum Geburtstag meines Vaters

22. Trinken sie gelegentlich alkoholfreies Bier?

Nein.

23. Warum trinken Sie heute Alkohol/keinen Alkohol?

Nach meiner erneuten TF war mir sofort klar, daß mit dem Alkohol ein für alle Mal Schluss sein muss. In den 4 Jahren Abstinenz habe ich mich viel besser und ausgeglichener gefühlt, war zufriedener und körperlich wie auch seelisch viel belastbarer. Ich musste mir dann selbst eingestehen, daß ich einen problematischen Umgang mit Alkohol an den Tag gelegt habe und daß ich mir nicht vertrauen kann wenn es um Alkohol geht. Ich bin eigentlich ein ziemlich kontrollierter Mensch, der sich selten gehen lässt. Da ich unter Alkoholeinfluss wiederholt die Kontrolle über mich und meinen Konsum verloren habe, ist die einzige Möglichkeit dem vorzubeugen, daß ich keinen Alkohol mehr trinke. Denn ich habe erkannt, daß mich diese mangelhafte Selbstkontrolle zu einen Gefahr für mich und andere macht.
 

Ciwi

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24. Warum haben Sie das Trinken reduziert bzw. aufgegeben und warum nicht schon eher?

Bei meiner ersten MPU lag der Hauptfokus für mich auf dem Cannabiskonsum. Ich habe 2 Jahre lang zunehmend mehr geraucht und konnte die Gründe dafür klar benennen. Ich hatte mich zwar damals auch für eine Alkoholabstinenz entschieden, aber nur, weil ich mich damit gut gefühlt habe (und weil ich keine Suchtverlagerung riskieren wollte) und nicht, weil ich mich meiner Problematik mit dem Alkohol wirklich ehrlich und kritisch gestellt habe. Erst nach der zweiten Auffälligkeit wurde mir so richtig bewusst, dass Alkohol eigentlich schon immer das größere Problem war. Bis dahin dachte ich, daß ich das im Griff habe. Inzwischen habe ich erkannt, dass mich der Alkohol begleitet hat, seit ich angefangen habe, welchen zu trinken und das Kiffen dann so zu sagen als Rauscherweiterung noch dazu gekommen ist. Jetzt, für die zweite MPU, habe ich mich anlassbezogen voll auf meinen Alkoholkonsum konzentriert, erörtert, was die Gründe dafür waren. Und eigentlich schlägt ja beides in die gleiche Kerbe. Ich habe eine Verhaltensänderung vollzogen und Vermeidungsstrategien entwickelt, die umfänglicher und nachhaltiger sind, als sie es beim ersten Mal waren. Mittlerweile bin ich mit der Abstinenz und meinem Denken und Handeln so zufrieden, daß ich es nicht riskieren werde, nochmal derart die Kontrolle über mich und mein Leben zu verlieren.



25. Wie haben Sie die Änderung Ihres Trinkverhaltens erreicht und dabei die Umstellungsphase erlebt?

Die Abstinenz an sich hat mir keine Schwierigkeiten bereitet, da hatte ich ja schon jahrelange Übung. Es war aber eine gewisse Herausforderung im gesellschaftlichen Sinne. In meiner 8-monatigen Rückfallphase ist es für mich ganz schnell wieder zur Gewohnheit geworden, bei Feiern, Treffen mit bestimmten Freunden, Konzertbesuchen etc. mehr oder weniger viel Alkohol zu trinken. Seit meiner letzten Trunkenheitsfahrt war ich auf zwei Hochzeiten von engeren Freunden, drei 40. Geburtstagen, einem 50. Geburtstag und zwei Konzerten. Von Mal zu Mal fiel es mir dabei leichter, nüchtern zu bleiben. Unter anderem, weil ich am nächsten Morgen immer topfit war und keinen brummenden Schädel hatte. Außerdem weiß ich ja, daß ich auch mit klarem Kopf viel Spaß haben kann.

Bei normalen Treffen mit Freunden und im Familienkreis wurde meine wiedererlangte Abstinenz positiv aufgenommen und ich werde darin nach wie vor unterstützt. Ich bekomme immer alkoholfreie Getränke angeboten, werde nicht belabert, daß ich doch mal was trinken soll und auch auf den Konsum der anderen habe ich einen positiven Effekt. Ich erwarte von niemandem, nichts zu trinken, aber das passiert ganz automatisch.

Eine riesige Stütze war mir in dieser Umstellungszeit mein Freund. Er trinkt selbst nur sehr selten Alkohol. Einmal im Monat 2-3 Bier, wenn er mit seinen Jungs Doppelkopf spielt, ansonsten eigentlich gar nichts. Wir sind seit knapp 5 Jahren zusammen und ich hab ihn maximal 3 mal leicht angetrunken erlebt. Das hilft mir schon sehr und motiviert mich auch. Außerdem steht er immer komplett hinter mir und tritt für mich ein, wenn mich doch mal jemand zu hartnäckig zum Trinken animieren will. Nicht, daß das nötig wäre, aber ich find´s trotzdem schön.


26. Wie wirkt sich Ihr geändertes Verhalten auf Sie, Ihr Leben und Ihr Umfeld aus?

Durchweg positiv. Ich bin morgens frisch, hab keinen Kater, bin wieder viel leistungsfähiger und unternehmungslustiger. Ich nutze meine Freizeit wieder viel sinnvoller, als zuvor. Ich habe wieder Spaß an Bewegung und treibe viel Sport. Mein Freund und ich machen gerade den Tauchschein und wollen das Erlernte im Herbst im Roten Meer ausprobieren. Tauchen ist eine extrem entspannende Angelegenheit. Zum Einen, weil man sich durch das Abtauchen in eine andere Welt mal komplett aus dem Alltag ausklinken kann, zum Anderen, weil man sich intensiv auf Körper und Geist konzentrieren muss.

Ich fahre gerne mit Hund und Fahrrad durch den Wald und gehe einmal wöchentlich mit meiner besten Freundin laufen. Mit ihr war ich auch im letzten Sommer zum Wandern im Schwarzwald. Mit ihr und ihrem Mann fahren wir im Juni auf einen Städtetrip nach Rom. In der selben Konstellation waren wir auch schon in Hamburg, Wien und Prag. Da auf diesen Ausflügen Alkohol keine Rolle spielt, nutzen wir sie, um unseren kulturellen Horizont zu erweitern, was mich nachhaltig glücklich und zufrieden macht.

Ich habe mir in den letzten Monaten angewöhnt, wenn ich nicht schlafen kann, weil mich irgendwelche, meist berufliche, Dinge wach halten, Hörspiele zu hören. Ich hab´s auch mal mit Meditation versucht, aber da kann mein Freund sich nicht drauf einlassen. Mit Sherlock Holmes etc. kommen wir beide gut zurecht.

Im Mai fange ich eine Osteopathie-Ausbildung an, um das dann auch in meiner Praxis anbieten zu können. Einerseits verbessere ich mein Können damit, andererseits ist es auch finanziell von Vorteil, da Osteopathie eine Privatzahler-Leistung ist und mir noch mehr finanzielle Sicherheit gibt.

Auch in meiner Beziehung gibt es durch die wiedererlangte Abstinenz viele positive Entwicklungen. Wir reden und lachen sehr viel und ich bin dazu übergegangen meine Wünsche, Sorgen und Bedürfnisse klar anzusprechen. Ich habe gelernt, daß ich auch mal schwach sein darf und daß es zwischenmenschliche Beziehungen sogar vertieft, wenn man sich öffnet und andere Leute hinter die Fassade blicken lässt. Insgeheim hatte ich wohl immer Angst, daß mein Gegenüber mich auslachen würde, wenn ich mal meine eigenen Schwächen und Gefühle zeigen würde. Es hat aber niemand gelacht. Im Gegenteil, ich habe festgestellt, daß viele Leute von genau den gleichen Ängsten und Sorgen geplagt werden, wie ich.

Eine negative Bewährungsprobe hatte ich leider auch schon, denn im September 22 ist relativ überraschend mein Vater gestorben. Wir hatten zwar keine übermäßig enge Beziehung, aber er hatte durchaus einen Platz in meinem Leben. Und gerade weil die Beziehung zu ihm etwas durchwachsen war, wäre das früher ein Anlass gewesen mich zu betrinken, die Vergangenheit Revue passieren zu lassen und mit dem Leben zu hadern. Ohne Alkohol hat sich die Trauer in einem erträglichen, sachlichen Bereich bewegt und ich konnte den Verlust gut verarbeiten.

27. Wie stellen Sie sicher, dass Ihr neues Verhalten dauerhaft stabil bleibt?


Ich habe das Sicherheitsnetz, daß ich mir nach der ersten Auffälligkeit geschaffen hatte, noch mal nachbearbeitet und es enger geknüpft, denn offensichtlich hat es ja nicht gegriffen. Ich habe einige sehr gute Freunde, mit denen ich über alle Sorgen und Probleme reden kann und die meine Abstinenz absolut unterstützen. Gerade weil sie wissen, daß die Trennung von trinken und fahren bei mir schwierig ist, würden sie mich niemals zum Trinken verleiten oder tatenlos dabei zusehen, wie ich meine Vorsätze über Bord werfe. Meine beste Freundin ist auch selbständig und kennt den Stress und die Verantwortung, die damit einher gehen. In ihr hab ich eine gute Ansprechpartnerin, was beruflichen Druck und Probleme angeht. Auch meine Mutter hat immer ein offenes Ohr für mich. Von Leuten und Situationen, von denen ich weiß, daß es eigentlich nur ums Trinken geht, halte ich mich jetzt konsequent fern. Ich habe mittlerweile einen guten Draht zu meiner Suchtberaterin von der Caritas und werde mit ihr sprechen, bevor es zu einem Rückfall kommt. Wir haben bereits vereinbart, dass ich weiterhin auf unbestimmte Zeit einmal im Monat einen Termin bei ihr habe, um über die Einhaltung und die Herausforderungen meiner Abstinenz zu reden.

Außerdem bin ich seit einiger Zeit in einem MPU-Internet-Forum aktiv und werde es auch weiterhin bleiben. Die Beratung von Leuten, die sich in der selben Lage befinden, der Austausch und der Kontakt, sind sicherlich sehr hilfreich für mich, um nicht zu vergessen, was ich mir für den Rest meines Lebens vorgenommen habe.


Mit meinem Partner habe ich ein sehr enges und vertrautes Verhältnis und er steht zu 100% hinter mir. Er selbst trinkt nur selten, und wenn, dann sehr gemäßigt, Alkohol und ist mir eine große Hilfe. Wir unternehmen viel zusammen und mit unseren Freunden und sind sehr aktiv. Wir sind am Wochenende viel in der Natur unterwegs und bewegen uns an der frischen Luft, das macht den Kopf frei und bringt viel mehr Entspannung und Spaß, als ein kurzer Alkoholrausch.


Besonders im beruflichen Bereich habe ich viel verändert: Bis zur erneuten TF hatte ich viel Arbeit, viel Stress, den ich überwiegend allein zu bewältigen versucht habe, und hatte nur einen Teilzeit-Mitarbeiter. In der Zeit nach der zweiten TF habe ich mir viele Gedanken gemacht, was ich ändern kann, um den Druck zu mindern. Also habe ich noch eine weitere Vollzeit-Therapeutin, eine Empfangskraft und eine Putzfrau eingestellt, um einige Tätigkeiten abzugeben. Wir sind ein gutes Team und meine Mitarbeiter unterstützen mich, wo sie können. Wir machen alle 2 Wochen eine Team-Sitzung, bei der jeder sagen darf, was gut und schlecht läuft, wo Wünsche geäußert werden dürfen und wo der Fahrplan für die nächsten Wochen besprochen wird. Des weiteren treffe ich mich ein mal im Monat mit meiner Steuerberaterin, die mittlerweile auch für meine Buchhaltung zuständig ist und mich damit im bürokratischen Bereich sehr entlastet. Die Rezeptabrechnung habe ich an eine Abrechnungszentrale abgegeben und muß das nicht mehr mit jeder Krankenkasse separat machen. Das kostet zwar alles Geld, aber durch all diese Maßnahmen habe ich nun erheblich weniger Stress und kann mich voll auf die Arbeit mit den Patienten konzentrieren, was ja langfristig auch wieder mehr Geld einbringt.

Außerdem mache ich in regelmäßigen Abständen Urlaub und hin und wieder einen Wochenend-Kurztrip um meine Akkus aufzuladen. In dieser Zeit, sind meine Mitarbeiter für die Praxis zuständig und ich kann die Verantwortung ohne Bedenken abgeben. Der Laden läuft auch ohne mich. Ich habe mich im Laufe des letzten Jahre ausgiebig mit dem Thema Achtsamkeit beschäftigt und versuche es, mit zunehmenden Erfolg, jeden Tag in meinem Leben zu praktizieren. Das heißt für mich, mir nicht so viele Gedanken, darüber zu machen, was werden könnte, im Hier und Jetzt zu leben und den Moment bewusst zu leben und wahr zu nehmen und nicht alles zu bewerten. Außerdem heißt es, mir nicht mehr aufzuladen, als ich tragen kann und regelmäßig inne zu halten und in mich rein zuhören. Früher habe ich selten in mich reingehört und stattdessen versucht, meine innere Stimme mit Alkohol zum Schweigen zu bringen. Das ist das Gegenteil von Achtsamkeit.

Mittlerweile bin ich glücklich und zufrieden, habe viel Freude im Job und im Privatleben, bin frisch und gesund und sehe keinen Grund, erneut zum Alkohol zu greifen.


28. Können Sie sich vorstellen, jemals wieder in Ihre alten Gewohnheiten zurückzufallen?
(mit Begründung)


Ich will es mir zwar nicht vorstellen, aber um einen drohenden Rückfall rechtzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren, muss ich es mir vorstellen können. Und mittlerweile weiß ich ja auch aus eigener Erfahrung, daß man seine guten Vorsätze auch mal ganz schnell vergessen und wieder in alte Verhaltensmuster rutschen kann.

Wenn ich mich selbst dabei erwischen sollte, daß ich mir wieder zu viel auflade, alles alleine bewältigen will und mir selbst sage “jetzt stell sich nicht so an, das schaffst du schon alles“, oder wenn ich wieder anfange, mir zu viele Gedanken über die Vergangenheit, die Zukunft, wenn, könnte, hätte, würde zu machen, dann weiß ich jetzt, daß ich etwas ändern und mir Rat und Hilfe von außen suchen muss (Partner, Freunde, Familie, Kollegen, Suchtberatung).



29. Wie wollen sie in Zukunft das Trinken vom Fahren trennen?

Indem ich für den Rest meines Lebens strikte Abstinenz einhalte.

30. Haben Sie zum Abschluss noch etwas hinzuzufügen?

Nein.




31. Wie lange haben Sie nach der letzten Begutachtung pausiert?

Knapp 4 Jahre (8/17 – 6/21)




32. Was war der Auslöser für Ihr erneutes Fehlverhalten?

Ich habe meine Alkoholabstinenz im Juni 21 aufgegeben. Der Anlass war die Hochzeit meiner besten Freundin. Es war ein schöner, sonniger Tag, die Stimmung war sehr festlich und ich hab mir gedacht, wenigstens zu ihrer Hochzeit könnte ich ja mit einem Glas Sekt mit ihr anstoßen. Ich habe mich nach 4 Jahren Abstinenz in Sicherheit gewähnt, dass ich meinen Konsum im Griff habe und dachte damals noch, dass ja vorher Cannabis das Problem war und ich mit Alkohol gar kein Problem hatte.

Bei dieser Hochzeit hatte ich mich auch noch gut unter Kontrolle. Zu später Stunde habe ich noch ein Glas Sekt getrunken und hab es dann dabei belassen. Allerdings war damit dann der Bann gebrochen, ich habe wieder öfter und auch schnell mehr getrunken und habe mich auch wieder unüberlegt hinters Steuer gesetzt.

In der Woche der Auffälligkeit hatte ich viel Stress auf der Arbeit und freitags (ein Tag vor der TF) wurde meine Tante beerdigt. Also habe ich den Alkohol wieder eingesetzt um Stress und Kummer für ein paar Stunden auszublenden und eine unbeschwerte Zeit zu haben.




33. Wieso hat es sich bei dem erneuten Fehlverhalten nicht um einen einmaligen Ausrutscher gehandelt?

Weil ich mich völlig falsch eingeschätzt habe und wirklich dachte, ich hätte mich soweit unter Kontrolle, dass ich in moderaten Mengen Alkohol trinken kann und trinken und fahren strikt voneinander trennen könnte. Also bin ich in ziemlich kurzer Zeit wieder in das selbe Fahrwasser geraten, wie vor meiner Abstinenz. Ich hab das leider erst viel zu spät registriert, nämlich als ich erneut aufgefallen bin. Deshalb habe ich für mich die Entscheidung getroffen, es nie wieder so weit kommen zu lassen und für den Rest meines Lebens keine Experimente mit Alkohol zu starten, sondern dauerhaft und konsequent abstinent zu bleiben.




34. War Ihr Verhalten schlimmer oder weniger schlimm, als vor der ersten Auffälligkeit?

Ich stufe mein Verhalten als schlimmer als bei der ersten Auffälligkeit ein. Beim ersten Mal war ich in einer Ausnahmesituation und musste einfach ganz schnell weg (Kurzer Abriss: Ich war bei meinem damaligen Freund, wir haben geraucht und getrunken, hatten einen riesigen Streit, er ist komplett ausgerastet, hat den Couchtisch durch die Wohnung geworfen und mit der Faust eine Delle in die Tür geschlagen. Da hab ich meine Sachen geschnappt und bin geflohen.) Damals hatte ich zwar Cannabis geraucht und Alkohol getrunken, allerdings viel weniger, aber mein Zustand und meine Koordination war doch deutlich besser, als beim letzten Mal mit 1,6 Promille. Beim letzten Mal habe ich, obwohl ich es mittlerweile echt besser wissen müsste, aus Bequemlichkeit gedacht „ach, egal, das wird schon klappen“, was völlig unnötig und unverantwortlich war.




35. Warum hat es sich so entwickelt?

Weil ich trotz einiger Veränderungen in meinem Leben nach der ersten Auffälligkeit immer noch den Irrglauben hatte, daß ich mit Hilfe von Alkohol Stress und Druck abbauen könnte.




36. Was haben sie gegenüber dem vorherigen Versuch geändert?

Siehe Frage 27
 

Ciwi

Benutzer
N' Abend!

Und? Gibt's noch weitere Verbesserungsvorschläge, oder kann ich das so verinnerlichen? Hab nur noch 3 Wochen bis zum Tag der Wahrheit...

Grüßle,
Ciwi
 

rüdscher

Erfahrener Benutzer
Ich finde insgesamt deinen FB schon recht gut, habe aber ein Problem: du gehst jetzt als WHT Vorgeschichte mit Cannabis) rein. Dafür ist mir das, was du gegenüber der ersten TF noch an Strategie nachgelegt hast, ein Wenig zu dünn. Da würde ich nochmal nachlegen.
Du hast ein paar praktische Arbeiten delegiert, das ist sinnvoll und zeigt auch ein gewisses Umdenken, aber wenn es an dein Inneres geht, hast du jetzt etwas mehr Kontakt zu Freundinnen und fährst öfter mal übers Wochenende weg. Das wäre mir zu dünn. Die Faktenlage zeigt, dass du im Umgang mit Rauschmitteln eine Anfälligkeit hast, insbesondere dann eben auch mit dem Trennen von Konsum und Fahren.
Da bist du mit einer Abstinenzentscheidung am unteren Limit der Strategie. Da du aber mit deinem Abstinenzvorsatz nicht erfolgreich warst, würde ich dir raten, jetzt mehr nachzulegen.
Problematisch ist halt, dass dir die Zeit davon läuft.
Du könntest so in die MPU gehen, vielleicht kannst du dort gut kommunizieren, worum es dir geht (ich denke schon, dass deine Vorsätze glaubhaft sind), falls es nicht gelingt die AN weiterführen und vielleicht für den nächsten Versuch direkt mit einer SHG starten, damit du einfach mehr in der Hand hast.
 

Ciwi

Benutzer
Ok, vielen Dank erstmal für die Rückmeldung!

Dann lass ich das so stehen und versuche, mich bestmöglich zu präsentieren... Ich hoffe, das gelingt mir. So langsam steigt die Anspannung....
 

Ciwi

Benutzer
Hallo liebes Forum,

gestern hab ich nach nur 9 Tagen Wartezeit mein positives Gutachten erhalten!!!


Ich kann's noch gar nicht so realisieren und muss das erstmal sacken lassen...

Vielen Dank für die Tipps und die Kritik, vor allem dir, @rüdscher! Dieses Forum ist wirklich Gold wert.

Allzeit gute und nüchterne Fahrt,
Liebe Grüße,
Ciwi
 
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