Heute und in Zukunft
20. Trinken Sie heute Alkohol? Wenn ja, was, wie viel und wie oft?
(Genaue Angaben in Sorte, Menge, Häufigkeit)
Ja, ich trinke aktuell Alkohol, aber ausnahmslos nach meinen kT-Regeln, diese sind:
-max. 12 Anlässe pro Jahr – Abstand zwischen Anlässen mind. 1 Monat
-Anlässe mit hohem emotionalem Wert, nicht wiederkehrende Ereignisse*
-Planung mind. 7 Tage im voraus, keine spontanen Anlässe (Trinkkalender)
-Mengen im voraus planen
-<0,3 Promille (z.B. 2 x 0,33l Bier oder 1 x 0,1l Sekt/Wein und 1 x 0,3l Bier)
-Zwischen den alkoholischen Getränken mind. 1 unalkoholisches Getränk
-Kein hochprozentiger Alkohol
-Kleine Biere bestellen und kleine Schlücke nehmen, nicht hastig trinken
-Keine Rituale (Runden-Trinken)
-Keine Trinkspiele, Trennung von Alkohol und Musizieren
-Nicht Nebenbei trinken, sondern auf Wirkung & Gefühle achten (Trinktagebuch)
-Hin-&Rückweg vorher planen, Taxigeld einstecken/ Busverbindungen suchen
-Keine Ausnahmen!
*KEINE Belohnung/Druckabbau (zB. nach Klausuren o.Ä.)
21. Wann haben Sie zuletzt Alkohol getrunken?
Im März war mein erster geplanter Trinkanlass seit der TF, es war ungewohnt und hat sich komisch angefühlt. Es war an einer Hochzeit, ich habe mit Sekt mit dem Brautpaar und meiner Partnerin angestoßen, danach mehrere alkoholfreie Getränke zu mir genommen und später nach dem Essen mit meiner Partnerin und Freunden im Garten der Lokalität in Ruhe ein Bier getrunken und mich unterhalten. Nach dem Sekt habe ich eine leichte Wirkung des Alkoholsgespürt. Ich habe mich und die anderen Gäste beobachtet und auf die Wirkung bei mir geachtet. Ich war etwas lockerer und habe lustige Gespräche geführt. Ich kam leichter in Gespräche mit den anderen Gästen. Ich hatte nach dem Bier keine Lust noch mehr Alkohol zu trinken und bin früher als die anderen Gäste mit meiner Partnerin gegangen, ich fand die Gespräche und alkoholisierten Gäste dann irgendwann anstrengend und konnte deren Erzählungen nicht mehr folgen, bzw fand den Humor nicht mehr lustig. Ich war am nächsten Tag top fit, als hätte ich keinen Alkohol getrunken, das fand ich ziemlich gut.
22. Trinken sie gelegentlich alkoholfreies Bier?
Nein, ich habe auch früher kein alkoholfreies Bier getrunken, ich komme aus Franken und mag zB auch kein süßliches Märzen-Bier. Alkoholfreies Bier ist nicht herb genug für meinen Geschmack. Wenn ich alkoholfrei trinke bleibe ich bei zuckerfreien Limonaden / Energydrinks oder Wasser.
23. Warum trinken Sie heute Alkohol/keinen Alkohol?
Ich habe mich ziemlich direkt nach dem Vorfall mit dem Thema Trunkenheitsfahrt auseinandergesetzt und in diversen Foren nachgelesen. Zuerst dachte ich, ich hatte Pech auf den 5m erwischt worden zu sein. Dann begriff ich nach und nach, dass das Problem eher darin liegt, dass ich einfach viel zu lange viel zu viel Alkohol getrunken habe in meiner Vergangenheit. Danach überlegte ich gemeinsam mit einem Verkehrspsychologen, den ich aus eigenem Willen früh aufgesucht habe, wie ich zukünftig eine langfristig erfolgsversprechende Lösung finde. Ich hätte freilich 6 oder 12 Monate Abstinenz ablegen können, nur für die MPU, die Zeit hätte genügt. Doch ich möchte eine Strategie, die ich langfristig beibehalte. Und im Moment sehe ich das so, dass ich zB zu meiner Hochzeit oder zum Abschluss meines Studiums gerne mit meiner Partnerin oder Familie anstoßen möchte um den Anlass entsprechend zu feiern. Das würde die Regeln der Abstinenz in Zukunft brechen und dann wäre das Risiko höher in alte Gewohnheiten zurückzufallen. Auch beim Kochen will ich nicht auf Alkohol verzichten müssen oder im Restaurant nach Alkoholgehalt in Speißen fragen.
Natürlich muss ich – ich mache mir ja eh schon viel Druck im Studium mit selbstaufgestellten Regeln und Plänen – meine kT Regeln beachten. Aber die Regeln werden immer mehr zur Gewohnheit und sind dann bei mir und meinem Bekanntenkreis eingespielt, sodass die keine zusätzliche Belastung sind. Im Gegenteil, die Regeln sind der Rahmen für mich um ein selbstbestimmtes, erwachsenes Leben zu führen, wie es auch zu mir und meiner Persönlichkeit passt.
24. Warum haben Sie das Trinken reduziert bzw. aufgegeben und warum nicht schon eher?
Wie gesagt, nach der TF war ich erstmal geschockt, dachte ich hatte Pech und was das für ein Mist ist. Nach und nach habe ich durch Foren und Selbstreflexion erkannt, dass der Vorfall nur die Spitze des Eisbergs ist und ich seit meiner Jugend einen falschen Umgang mit Alkohol habe, der sich jetzt im Studium verstärkt hat. Ich hätte das früher erkennen müssen. Doch wenn ich im Rettungsdient oder in der Notaufnahme Betrunkene behandelt habe, dann war da wie eine Art Gefälle zwischen Behandelndem und Patienen und ich habe mich nie mit den Alkoholisierten identifiziert. Im Nachhinein denke ich mir, dass ich genauso in der Lage hätte sein können. Mit 2 Promille nicht ansprechbar im Winter auf einer Parkbank eingeschlafen o.Ä.. Es lief ja auch sonst immer alles gut in meinem Leben, deshalb kam mir nie der Gedanke, ich hätte einen falschen Umgang mit Alkohol.
Das Trinken reduziert habe ich eben aus genau diesen Punkten, da ich meinen Umgang mit Alkohol jetzt kritisch reflektiert habe. Das passt auch einfach nicht zusammen und beißt sich; Ich, der einerseits gute Leistungen in Beruf und Studium zeigt, bei der Feuerwehr engagiert ist und insgesamt reif und erwachsen sein möchte – und auf der anderen Seite drei mal im Monat solche großen Mengen Alkohol trinken, dass ich nichts vom Abend hab, Mist erzähle und mich einfach nicht so verhalte wie mein Selbstverständnis von mir ist.
25. Wie haben Sie die Änderung Ihres Trinkverhaltens erreicht und dabei die Umstellungsphase erlebt?
Zu Beginn der Umstellung aufs kT war es ungewohnt auf Feiern Alkohol abzulehnen. Ich hatte zwar weniger mit dem alten Freundeskreis aus dem Studium zu tun (nur noch mit meinem Freund, der bei der TF dabei war und mich danach unterstützt hat), die anderen melden sich kaum noch. Im neuen Freundeskreis wird weniger getrunken, aber auf Feiern wurde mir zu Beginn häufig Bier angeboten. Ich nutzte Ausreden, weshalb ich nichts trinke, weil ich Angst hatte abgelehnt zu werden. Teilweise dachte ich schon zwei Tage vorher darüber nach was ich sagen werde um nicht doof angemacht zu werden, wie ich es früher erlebt habe. Als ich irgendwann mal im Gespräch erwähnt habe, dass ich nur noch selten Alkohol trinke, weil ich in der Vergangenheit zu viel Alkohol getrunken habe, habe ich aber keine Ablehnung erlebt. Im Gegenteil, die anderen fanden es eher cool, dass ich so abgeklärt darüber rede und ich glaube sie fanden es auch ziemlich reif von mir. Ich achte in der Umstellungsphase darauf wie ich mich bei Trinkanlässen fühle (schreibe eine Art Tagebuch) und achte darauf in welchen Situationen ich Lust habe Alkohol zu trinken um einen passenden Ersatz zu finden (zB gemeinsame Aktivitäten, nach der Klausur am Klausurtag als Belohnung). Meistens ist das wirklich, wenn ich eine schwere Klausur oder eine anstrengende erfolgreiche Woche hinter mir habe. Mich hat weiterhin motiviert, dass ich das Gefühl habe einfach mehr Freizeit zu haben und ich mich fitter und aktiver fühle.
26. Wie wirkt sich Ihr geändertes Verhalten auf Sie, Ihr Leben und Ihr Umfeld aus?
Seit dem reduzierten Konsum gehe ich zwei bis drei mal die Woche zum Fitnessstudio – nur wenn ich Lust habe, das soll keinen weiteren Stress neben dem Studium erzeugen – ich fühle mich nach dem Sport ausgeglichener und aktiver. Die durch die Verhaltensänderung gewonnene Freizeit nutze ich um mit den neuen Freunden (die ich vorher als uncool abgestempelt habe, weil sie sich nicht nach der Klausur betrunken haben, wie wir damals), um nach den Klasuren oder am Wochenede Sachen zu unternehmen wie Escape-Room, Kino oder Kochen. Am Anfang dachte ich das ist langweilig, aber desto öfter ich dabei war, desto mehr hab ich mich aufs nächste mal gefreut. Es gibt noch mehr kleine Dinge, die mich motivieren, wie zB die gewonnene Zeit mit meiner Partnerin, wir unternehmen mehr Dinge, haben das Kochen für uns entdeckt (statt wie früher nach dem Feiern fettig zu bestellen). Die sichtbaren Erfolge beim Kraftsport (Alkoholverzicht unterstützt das) sorgen bei mir für mehr Selbstvertrauen und nach dem Sport fühle ich mich echt gut. Auf Feinern habe ich eher ein offnenes Ohr bei Problemen der Freunde, als wenn ich betrunken dem Gespräch gar nicht mehr folgen kann. Das sorgt auch für tiefere Freundschaften als die Freunde von vorher, mit denen ich mich im Studium zwar normal unterhalte, aber in der Freizeit kaum mehr sehe, als wären wir keine Freund. Seitdem ich nüchtern Auflege sind meine Sets besser geworden, ich hab mich weiterentwickelt und bin besser geworden sagt mein Freund von früher mit dem ich begonnen habe in der Jugend. Auf Feiern spiele ich selten, da geht’s den meisten eher ums saufen, als um die Musik. Ich nehm die Sets lieber auf und stell sie meinem Freundeskreis zur Verfügung.
27. Wie stellen Sie sicher, dass Ihr neues Verhalten dauerhaft stabil bleibt?
Neben den positiven Effekten, die ich beschrieben habe, die mich immer motivieren so weiter zu leben, habe ich einiges in meinem Leben geändert. Ich habe den Selbstanspruch an mich zurückgedreht, ich kann meine Leistung und mein Können im Studium besser einschätzen und mache mich vor Klausuren nicht verrückt und lerne bis zum Anschlag. Wenn ich weiß, dass ich den Stoff kann und die Klausur bestehen werde, dann nutze ich eher meine Freizeit, als wie früher noch weiter zu pauken, damit ich wirklich eine Eins habe und unter den Besten bin. Das reduziert den Druck in meinem Leben. Genauso hilft mir der Sport dabei. Der neue Freundeskreis unterstützt mich insofern, dass dort allgemein weniger getrunken wird und es zu keinen Gruppenangeboten kommt (die könnte ich aber inzwischen auch einfach ablehnen). Ich belohne mich mit anderen Unternehmungen nach Klausuren oder anstrengenden Lernwochen, zB aufwendig Kochen mit der Freundin und danach Filmabend bei Freunden. Und wenn alle Fäden reißen, dann denke ich an die schönen Sachen, die ich in der letzten Zeit schon unternommen hab, statt am Sonntag mit Kopfschmerzen auf dem Sofa Pizza zu futtern.
28. Können Sie sich vorstellen, jemals wieder in Ihre alten Gewohnheiten zurückzufallen?
(mit Begründung)
Ich bin ein sehr pedantischer Mensch und plane weit im Voraus. Ich bin 27 Jahre und hab noch schätzungsweise ein halbes Jahrhundert vor mir. In dieser Zeit kann alles passieren, auch der Rückfall in alte Gewohnheiten. Es kommen sicherlich als Arzt auch Zeiten in denen ich stark gestresst sein werde. Damit das nicht passiert muss ich einfach stetig weiter an mir Arbeiten, auf die Work Life Ballance achten. Ich konnte die letzte Zeit nutzen um mir einen neuen Umgang mit Alkohol anzutrainieren. Die nächsten Jahre geht es darum diesen Umgang vollständig zu festigen.
29. Wie wollen sie in Zukunft das Trinken vom Fahren trennen?
Ich plane den Hin- und Rückweg im voraus. Habe Geld für ein Taxi einstecken. Ich erreiche keine Alkoholpegel mehr, in denen mein Verstand aussetzt und ich falsche Entscheidungen treffe bzw ich am nächsten Tag noch Restalkohol habe. E-Scooter stehen an jeder Straßenecke, ich habe überlegt die App zu löschen, aber das wäre wie Vermeidung gewesen und das fand ich nicht Sinn der Sache. Außerdem kann man mit wenigen Klicks wieder eine App downloaden. Stattdessen habe ich mich ernsthaft mit mir auseinandergesetzt und verstanden was alles passieren kann – endlich mal die Parallele gezogen zwischen mir und gefühlt zwanzig Patienten mit E-Scooter Stürzen oder anderen alkoholbedingten Gesundheitsschäden in der Notaufnahme pro Woche.
30. Haben Sie zum Abschluss noch etwas hinzuzufügen?
Seit der TF ist mir aufgefallen, dass in beinahe jedem Tatort, Spielfilm und jeder Serie Alkohol getrunken wird und danach gefahren wird. In den heutigen Zeiten finde ich das verharmlosend und vermittelt ein falsches Bild. Das hat natürlich nichts mit mir oder meinem Fall zu tun, aber um in der Gesellschaft eine strikte Trennung von Fahren und Alkohol zu erzielen sollte man auf solche permanente Verharmlosungen verzichten.