Hi ,
ich habe mich jetzt mal an den Fragebogen gemacht. Vielen Dank fuer deine Antworten schon mal. Klasse Forum hier!
Ich bin ueber kommentare dankbar
Tathergang
1. Beschreiben Sie den Tag Ihrer Trunkenheitsfahrt aus eigener Sicht mit Datum und Uhrzeiten. (Wann, wo und mit wem getrunken / wann und wie aufgefallen / Promille)
Am 03.05.19 traf ich mich mit einem Freund gegen ca. 20:30 Uhr, um meine Annahme an einer schottischen Uni zu feiern. Ich fuhr mit den öffentlichen Verkehrsmitteln und blieb in besagter Kneipe bis ca. 3:00 Uhr. Anschließend versuchte ich ein Uber (damals gab es Uber noch nicht in Berlin, aber eine Uber-ähnliche App), welches nicht kam und meine Fahrt cancelte. Ich entschied mich, einen Motorroller (Sharing-Roller) für die Fahrt nach Hause zu mieten. 'Kurz' vor meinem Ziel wurde ich von der Polizei angehalten, weil ich durch einen Tunnel gefahren bin, durch den ich nicht hätte fahren dürfen. Der Atemtest ergab 1,9 Promille, und der Bluttest (nach Rückrechnung) ergab knapp über 2 Promille.
2. Was und wie viel haben Sie am Tattag insgesamt getrunken? (Genaue Angaben in Sorte, Menge, Trinkzeit)
Ich habe ca. 7 x 0,5l Pils mit 5,2% und 3 Schnäpse (shots) getrunken.
3. Wie viel Kilometer fuhren Sie, bis Sie aufgefallen sind, und wie viel Kilometer wollten Sie insgesamt fahren?
Ich bin ca. 5 km gefahren, als ich aufgefallen bin, und wollte ca. 5,5 km fahren.
4. Hatten Sie das Gefühl, noch sicher fahren zu können? (Ja/Nein + Begründung)
In dem Moment habe ich gedacht, dass ich den Weg noch sicher schaffen könnte, weil es nachts war und die Straßen leer waren. Mir war bewusst, dass es nicht richtig ist und Konsequenzen haben wird, falls ich kontrolliert werde. Ich hätte nicht auf den Roller steigen dürfen, habe dies aber wahrscheinlich aus Selbstüberschätzung getan.
Wie haben Sie die Trunkenheitsfahrt vermeiden wollen (wenn überhaupt)?
Ich habe ein Taxi gerufen, welches nicht kam.
5. Haben Sie bereits früher im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss gestanden und sind aufgefallen?
Nein
6. Wie oft haben Sie alkoholisiert am Straßenverkehr teilgenommen, ohne aufzufallen, und was folgern Sie daraus?
Ich schätze ca. 50 Mal. Der Großteil dürfte unter 0,5 Promille gewesen sein, aber einige wenige Male auch darüber. Unterbewusst hat sich dadurch hemmschwelle alkoholisiert am Strassenverkehr teilzunehmen gelockert.
Exploration
7. Wann hatten Sie den ersten Kontakt mit Alkohol, und wann haben Sie das erste Mal Alkohol zu sich genommen? (Allererste Erinnerung und erster Konsum)
Meine erste Erinnerung war im jungen Kindesalter. Auf Familienfesten wurde immer gerne getrunken.
Mein erster eigener Konsum war mit ca. 14 Jahren. Alkohol hat nicht geschmeckt, und es gab keinen wirklichen Effekt auf mich.
8. Haben Sie regelmäßig Alkohol getrunken, und wie hat sich Ihr Trinkverhalten in den letzten Jahren entwickelt?
So richtig angefangen mit dem Alkoholkonsum hat es, als ich 16 war. Ich habe mich oft mit meinen Freunden am Wochenende getroffen, um auf Partys zu gehen. Zu der Zeit habe ich noch relativ hoch Fußball gespielt und würde sagen, dass ich maximal 1 Mal im Monat getrunken habe.
Als ich dann mit 19/20 an die Uni kam, hat sich der Alkoholkonsum gesteigert. Durch den teilweise recht lockeren Stundenplan habe ich auch unter der Woche getrunken. Die Regel war allerdings nur Freitags und Samstags, um mich am Sonntag fit für das Spiel zu fühlen.
9. Wie viel und wie oft haben Sie getrunken? (Genaue Angaben in Sorte, Menge, Häufigkeit)
• 16-18: 1-2 Trinkanlässe pro Monat, 1-3 Bier/Alcopops pro Trinkanlass
• 19-21: 4-5 Trinkanlässe pro Monat, 4-7 Bier pro Trinkanlass
• 22-24: 4-5 Trinkanlässe pro Monat, 5-9 Bier (+ Schnapps manchmal) pro Trinkanlass
• 25-26: 5-7 Trinkanlässe pro Monat, 5-11 Bier pro Trinkanlass
Alleine habe ich nie getrunken – Alkoholkonsum war eher an 'Events' und Treffs gebunden.
10. Wo und mit wem haben Sie überwiegend getrunken?
Mit Freunden und Fußballkollegen in Kneipen, bei Hauspartys und Konzerten.
11. Warum haben Sie getrunken? (Innere + äußere Motive)
• Soziale Ängste: Ich hatte Probleme in sozialen Situationen und wurde oft nervös und hatte Angst, mich zu blamieren. Alkohol hat mir geholfen, mich für einen kurzen Zeitraum selbstbewusster zu fühlen und einfacher mit anderen Leuten zu kommunizieren, vor allem mit Frauen. Ich habe Strategien entwickelt, um besser mit solchen Situationen umzugehen, wenn ich Alkohol getrunken hatte.
• Gruppenzwang: Ich habe mich in einem Freundeskreis bewegt, in dem viel getrunken wurde. Es wurde regelrecht zelebriert, sich am Wochenende zu betrinken. Es war auch eine Art, sich zu profilieren.
• 'Spaß': Durch langjährigen Alkoholkonsum habe ich mir eingeredet, dass ich nur mit Alkohol Spaß haben könnte. Ich wäre niemals auf ein Konzert gegangen, ohne Alkohol zu trinken. Alkohol war für mich mit fast allen Freizeitaktivitäten verbunden, außer Fußball.
12. Welche Wirkung haben Sie in der Vergangenheit nach Alkoholgenuss bei sich beobachtet? (bei wenig und bei viel Alkohol)
Ich war hemmungsloser, befreiter und kontaktfreudiger. Es ging mir oft sehr schlecht am nächsten Tag, aber das habe ich billigend in Kauf genommen. Oft habe ich mir am nächsten Tag nichts vorgenommen. Ich habe selten wenig getrunken, Alkohol war für mich ein Mittel zum Zweck.
13. Gab es kritische Hinweise anderer auf Ihren Alkoholkonsum, und wie haben Sie darauf reagiert?
Nein
14. Welche Auswirkungen und Folgen hatte Ihr Alkoholkonsum auf Ihr Leben und Ihr Umfeld?
Nach einer durchzechten Nacht war ich am folgenden Tag nicht zu gebrauchen. Ich hatte Kopfschmerzen und Antriebslosigkeit, die sich oft über mehrere Tage hinzog. Es fiel mir schwerer, mich unter der Woche zu konzentrieren. Ich habe mich regelrecht von Alkoholexzess zu Alkoholexzess gehangelt.
15. Gab es in Ihrem bisherigen Leben frühere Zeiten, in denen Sie weit mehr Alkohol als heute getrunken haben? Wenn ja, nennen Sie bitte die Lebensabschnitte und mögliche Ursachen und Umstände dafür.
Ja. Gerade die 3 Monate vor der Trunkenheitsfahrt würde ich als 'Höhepunkt' bezeichnen. Das hat sich schleichend vermehrt. Ich brauchte mehr Alkohol, um die gleiche Wirkung zu erzielen. Ich war sehr unzufrieden mit mir selbst und habe mich nicht gemocht/respektiert.
16. Haben Sie jemals die Kontrolle über Ihre Trinkmenge verloren und bis zur Volltrunkenheit Alkohol konsumiert?
Ja
17. Haben Sie früher schon einmal oder öfter über einen längeren Zeitraum bewusst und mit Absicht völlig auf den Genuss von Alkohol verzichtet?
Nein
18. In welcher Kategorie eines Alkohol trinkenden Menschen haben Sie sich früher gesehen, und wie stufen Sie sich heute rückblickend ein? (mit Begründung)
Früher habe ich meinen Konsum nicht hinterfragt. Durch meine Aufarbeitung sehe ich mein Trinkverhalten damals mittlerweile an der Grenze zum Missbrauch.
Heute und in Zukunft
19. Trinken Sie heute Alkohol? Wenn ja, was, wie viel und wie oft? (Genaue Angaben in Sorte, Menge, Häufigkeit)
Ich trinke zurzeit Alkohol im Rahmen des kontrollierten Trinkens. Für mich heißt das 2 Pils (0,33l) oder ein Glas Wein bei maximal 12 Anlässen pro Jahr. Im letzten Jahr habe ich an deutlich weniger Tagen getrunken.
20. Wann haben Sie zuletzt Alkohol getrunken?
Ich habe vor ca. 1,5 Monaten, auf einer Hochzeit, 1 Glas Sekt getrunken.
21. Trinken Sie gelegentlich alkoholfreies Bier?
Nein
22. Warum trinken Sie heute Alkohol/keinen Alkohol?
Ich trinke Alkohol nur noch aus Genuss, wenn es passt. Seit der Trunkenheitsfahrt war ich nicht mehr 'betrunken'.
23. Warum haben Sie das Trinken reduziert bzw. aufgegeben, und warum nicht schon eher?
Ich habe es nicht früher reduziert, da mir mein Konsum als normal vorkam. Fast alle meiner Freunde trinken Alkohol in den Mengen, welche ich auch konsumiert habe.
Durch die Trunkenheitsfahrt wurde ich wachgerüttelt. Durch Besuche bei der Suchtberatung und langjährige Reflektion habe ich erkannt, dass die Art von Alkoholkonsum problematisch ist. Ich habe verstanden, dass mein Trinkverhalten ein Symptom von tiefergehenden psychologischen Problemen ist. Das habe ich für mich selbst erkannt, nachdem ich meinen Alkoholkonsum geändert habe.
24. Wie haben Sie die Änderung Ihres Trinkverhaltens erreicht, und wie haben Sie die Umstellungsphase erlebt?
Positiv. Am Anfang der Abstinenzphase habe ich dem Alkohol noch etwas nachgetrauert. Das lag daran, dass ich mich mit den Ursachen meines Konsums nicht mehr verstecken konnte, sondern sie angehen musste. Auch Freunde und Verwandte waren überrascht, dass ich nichts mehr trinke, aber das hat sich nach kurzer Zeit gelegt. Nach meiner Abstinenzphase von ca. 5 Monaten habe ich wieder angefangen kontrolliert zu trinken. Ich habe mich rangetastet und entschieden, dass es für mich funktioniert. Ich weiß mittlerweile, dass mir der exzessive Alkoholkonsum nichts gebracht hat und dass ich die richtigen Probleme, die ich hatte, nur ohne Alkohol lösen konnte.
25. Wie wirkt sich Ihr geändertes Verhalten auf Sie, Ihr Leben und Ihr Umfeld aus?
Keine Konzentrationsschwächen mehr. Gewichtsverlust. Aktiver und vitaler. Freizeitaktivitäten sind viel spannender (z. B. Fahrradtouren, Ausflüge) anstatt in Eck-Kneipen zu versacken.
Durch das intensive Befassen mit meinen Problemen habe ich es viel leichter in der Kommunikation mit anderen. So habe ich auch meine jetzige Verlobte kennengelernt. In meinem alten Muster wäre das nicht möglich gewesen: In sozialen Situationen/Partys war ich immer betrunken. Ich fühlte mich cooler betrunken, kann aber im Nachhinein sagen, dass dies nicht der Fall war. Nüchtern sein ist toll – das habe ich früher so nicht wahrgenommen.
26. Wie stellen Sie sicher, dass Ihr neues Verhalten dauerhaft stabil bleibt?
Indem ich mich immer wieder daran erinnere, welche Vorteile meine Verhaltensänderung für mich hat. Ich vermeide "reine Trinkveranstaltungen" oder gehe früher, sobald es mir zu nervig wird. Diese Veranstaltungen erinnern mich auch daran, dass sie gar nicht so lustig sind, wie sie erscheinen, wenn man volltrunken ist.
Ich habe durch meine Freundin mittlerweile auch einen Freundeskreis, in dem Alkohol eine untergeordnete Rolle spielt. Ich habe gelernt, über meine Probleme zu reden. Seit der Trunkenheitsfahrt habe ich meine Probleme an der Wurzel gepackt, anstatt sie mit Alkohol zu betäuben. Ich habe kein Verlangen mehr danach, mich derart zu betäuben, weil ich mich wohl fühle.
Können Sie sich vorstellen, jemals wieder in Ihre alten Gewohnheiten zurückzufallen? (mit Begründung)
Prinzipiell schon. Ich halte es jedoch für sehr unwahrscheinlich. Seitdem ich mein Verhalten geändert habe, fühle ich mich deutlich besser und psychologisch stabiler.
Ich habe in den vergangenen Jahren gelernt, mit meinen Gefühlen umzugehen, statt sie mit Alkohol zu unterdrücken. Ich rede offen darüber mit meiner Verlobten, meinen Eltern oder Freunden.
27. Wie wollen Sie in Zukunft das Trinken vom Fahren trennen?
Meine Grenze ist 0,0 Promille. Gibt es einen Trinkanlass, und es ist einfach sinnvoll, mit dem Auto zu fahren, werde ich nicht trinken. Das fällt mir mittlerweile leicht. Ansonsten, wenn ich etwas trinken sollte, fahre ich Taxi oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln.
28. Haben Sie zum Abschluss noch etwas hinzuzufügen?
Nein