Warum ist es passiert?
21. Welche persönlichen Hintergründe gab es für den Cannabis- Drogenkonsum?
Da kam einiges zusammen. Ich fühlte mich einsam, da ich Single war und es mir nicht leicht gefallen ist, neue Kontakte aufzubauen. Durch Corona und die sozialen Einschränkungen auch lange nach dem Lockdown wurde das noch weiter erschwert. Online-Dating brachte nicht den erhofften Erfolg. Ich hatte oft Langeweile, war freudlos. Einen Gesprächspartner war mein direkter Nachbar, der dann auch meine Cannabisquelle war. Über ihn hatte ich dann auch lockeren Kontakt zu ein paar anderen Konsumenten. Einer der wenigen neuen Kontakte, die ich zu dieser Zeit hatte, war eine Freundin einer Schwester, die nach einem Schlaganfall im Rollstuhl saß, schwer depressiv war und Selbstmordabsichten hatte. Ich hatte ihr des öfteren bei Computerproblemen geholfen, besonders ab Frühjahr 2021, aber mich hatte ihre Todessehnsucht jedes Mal sehr belastet. Trotzdem konnte ich nicht Nein sagen, wenn sie bei mir Hilfe suchte, obwohl mich das sehr deprimiert hat. Auch am Kontrolltag hatte mich dies ziemlich mitgenommen, da ich ihr an dem Tag noch geholfen hatte und sie wieder sagte, dass sie sterben wolle.
22. Wie hat sich Ihr Umfeld über Ihren Drogenkonsum geäußert?
Meine Familie wusste gar nichts von meinem Konsum. Zu meinen guten Freunden hatte ich zu dieser Zeit wenig Kontakt und das nur per Messenger, die wohnen auch alle nicht in meiner Stadt. Bekannte (wie der Nachbar), die ebenfalls konsumierten, wussten davon, hatten sich aber natürlich auch nicht kritisch darüber geäußert. Andere Konsumenten waren die einzigen, die von dem Konsum wussten. Lediglich meine beste Freundin (Jessica) hatte ein Mal bemerkt, dass ich konsumiert hatte, war aber nicht im Bilde darüber, dass ich regelmäßig konsumierte. Sie fragte nur “Hast du etwa gekifft?”, was ich bejahte. Begeistert schien sie nicht gewesen zu sein, sie fragte aber nicht weiter nach.
23. Gab es Ereignisse in Ihrem Leben, die zu verstärktem Konsum geführt haben?
Ja, die Einsamkeit und wenigen sozialen Kontakte, gerade auch um Weihnachten 2020. Da habe ich beinahe täglich konsumiert, außer wenn ich bei meiner Familie zu Besuch war. Dann insbesondere die Belastung durch die Freundin meiner Schwester, die mit dem Schlaganfall und der Todessehnsucht. Das hat mich bei jedem Kontakt sehr deprimiert und ich habe danach immer konsumiert. Dennoch konnte ich ihr meine Hilfe nicht verweigern, wenn sie mich bat bei Computerproblemem zu helfen. Das war ab Frühjahr 2021. Gerade zu Pfingsten hat mich das sehr belastet und ich habe da in der Urlaubswoche nach Pfingsten beinahe täglich konsumiert.
24. Haben Sie sich an Jemand um Hilfe gewandt, um den Drogenkonsum zu beenden?
(Warum, wann, wer?)
Nein, nicht vor der Kontrolle. Nach der Kontrolle wurde mir schlagartig bewusst, was ich da tue, habe dann sofort aufgehört und mich noch in der gleichen Woche bei einem Online-Programm (Quit-the-shit) angemeldet.
25. Gibt es in Ihrer Familie aktenkundige Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz oder Suchtkrankheiten?
Nein.
26. Hatten sie Konsumpausen/spitzen?
Warum? Wann?
Bei großem Stress, wenn ich besonders deprimiert war oder mich sehr einsam fühlte, habe ich mehr konsumiert. Das war um Weihnachten 2020 der Fall. Außerdem im Urlaub nach Pfingsten 2021 (als auch die Kontrolle war), wo mich außerdem die Freundin mit dem Schlaganfall und ihrer Todessehnsucht seelisch belastet hat.
27. Was hat Sie daran gehindert, ohne Droge abzuschalten?
Die Einsamkeit und wenigen sozialen Kontakte sowie die Langeweile und Antriebslosigkeit machten es mir schwer. Ich konnte damit nicht umgehen und habe leider versucht, mich in den Cannabisrausch zu flüchten. Heute weiß ich, dass der Konsum kontraproduktiv war und die Probleme nur verstärkt hat.
28. Waren Sie gefährdet in eine Drogenabhängigkeit zu geraten?
Ja. Ich hätte meine Probleme angehen sollen und mich nicht in den Cannabiskonsum flüchten sollen.
29. Waren sie drogenabhängig?
Nein.
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Wieso passiert das nicht wieder?
30. Hätten sie, rückblickend, eine Drogenkarriere verhindern können?
Ja. Ich hätte meine Probleme anders angehen sollen, mich jemanden bezüglich dieser Probleme anvertrauen sollen, darüber reden sollen, dass mir die Einsamkeit zu schaffen machte, ich antriebslos und freudlos war, dass mich die Todessehnsucht der Freundin mit dem Schlaganfall sehr belastet hat. Leider habe ich viel in mich hineingefressen und verdrängt, in Gesprächen nicht oder nur wenig von meinen Problemen gesprochen und mich stattdessen in den Cannabisrausch geflüchtet. Wie ich heute weiß, hätte ich mich sowohl meiner Familie, insbesondere meiner Schwester, und meiner besten Freundin anvertrauen können.
31. Wieso haben Sie sich für eine Abstinenz entschieden?
Mir wurde schlagartig klar, was ich da anrichte, dass ich mich und sogar andere gefährde. Das wurde mir klar durch die Kontrolle, sowie Quit-the-shit. Ich habe dann meine Probleme reflektiert und erkannt, dass ich eine völlig falsche Problemlösungsstrategie hatte, nämlich eigentlich keine, bis auf den Konsum. Ich habe dann eine Entwicklung durchgemacht und erkannt, dass ich mehr Positives im Leben bewirken möchte, dass ich Wissen weitergeben kann, dass ich auf Menschen zugehen kann, eine Beziehung führen kann. Das fand ich alles erstrebenswert. Ich habe wieder gelernt, dass ich auch ohne Drogen abschalten und erholen kann, dass ich über Probleme reden kann und dass ich selbst einen erheblichen Einfluss auf mein Wohlempfinden habe. Außerdem habe ich mich Freunden und Familie offenbart und mit ihnen über meine Fehler und Probleme gesprochen, worauf sie positiv und hilfsbereit reagierten, was mich wiederum bestärkt hat. Ich habe mir Strategien überlegt, wie ich positiv auf mich einwirken und meine Abstinenz stabilisieren kann. Konkret habe ich mir Möglichkeiten geschaffen, mich zu erholen, mich körperlich und geistig zu fordern und Kontakte aufzubauen. Zur Erholung beschäftige ich mich in meinem Naturgarten, den ich eingerichtet habe. Der ist Balsam für die Seele, da ich mich dort beschäftigen und dabei abschalten und erholen kann. Ferner wandere ich viel in der Natur, zunächst wenige Kilometer in der Umgebung, heute auch lange Wanderungen, ob allein, zusammen mit Freunden oder meiner Freundin. Das Wandern ist Erholung und sportliche Betätigung zugleich, besonders im Gebirge. Zudem paddele ich gerne, entweder auf Kanu-Touren oder auf dem SUP am See. Falls der Winter kalt wird, werde ich ins Fitnesstudio gehen. Ferner fordere ich meinen Geist, indem ich technische Projekte realisiere, zum Beispiel zur Vogelstimmenerkennung, und mich weiterbilde, indem an Kursen zu IT-Themen online teilnehme, wodurch ich mich außerdem qualifizieren kann. Außerdem gebe ich Wissen weiter, indem ich als Dozent Kurse zu IT-Themen und Fotografie gebe. Damit kann ich zudem nebenher Geld verdienen und Kontakte knüpfen.
32. Beschreiben Sie den Punkt, an dem Sie sich für ein abstinentes Leben entschieden haben (Knackpunkt)
Es gab nicht den einen Knackpunkt, das waren mehrere Ereignisse und eine Entwicklung. Zum einen die Worte des Polizisten “Kiffen gut und schön, aber andere gefährden geht gar nicht”. Da ich Ersthelfer bin, hat mich das sehr getroffen. Mir war schlicht nicht bewusst, dass ich andere gefährde, hatte daran wegen meiner eigenen Probleme keinen Gedanken verschwendet. Die Kontrolle hat mir schlagartig mein Fehlverhalten und meine Probleme vor Augen geführt. Ich hatte anfangs natürlich gemischte Gefühle: ich habe mich geärgert, dass ich erwischt wurde, habe mich aber auch darüber geärgert, dass ich mich überhaupt so verhalten habe und andere gefährdet habe. Ich bin froh, dass niemand zu Schaden gekommen ist und ich nicht in einen Unfall verwickelt wurde, bei dem womöglich jemand verletzt oder gar getötet worden wäre. Nach der Kontrolle habe ich nie wieder konsumiert und werde es auch nicht. Durch die Teilnahme am Quit-the-shit-Programm habe ich weiter mein Verhalten reflektieren und analysieren können, so dass ich mir da bereits absolut sicher war, dass nur noch eine totale Abstinenz in Frage kommt.
33. Wieso kommt für Sie nur Abstinenz und nicht gelegentlicher Konsum in Betracht?
Die Kontrolle und rückblickend die Monate davor haben mir gezeigt, dass ich ganz offensichtlich bei weitem nicht so gut mit dem Konsum umgehen konnte, wie ich dachte. Ich möchte mehr aus meinem Leben machen. Ich habe an mir gearbeitet und möchte weiter an mir arbeiten. Ich möchte mein Engagement ausbauen und Kurse an der VHS geben, Menschen etwas beibringen und auch private Projekte (Naturgarten, Artenschutz) weiter voran treiben. Zudem habe ich seit einiger Zeit eine Freundin. Ich denke, dass mir der Konsum im Weg stand eine funktionierende Beziehung aufzubauen. Generell war der Konsum ein Hindernis bei sozialen Kontakten. Ich habe im Laufe des letzten Jahres wieder Kontakt zu vielen alten Freunden aufgenommen und außerdem neue Freunde gewonnen. Das alles möchte ich nicht gefährden. Mir gefällt mein neues Leben. Konsum, auch gelegentlicher, birgt immer die Gefahr, dass der Konsum wieder regelmäßiger wird und dass ich in die verheerenden Konsummuster zurückfalle. Daher sage ich klar: Nein!
34. Wie haben Sie die Umstellung zur Abstinenz erlebt?
Anfangs habe ich schlecht geschlafen. In den ersten ein bis zwei Wochen habe ich hin und wieder an Konsum gedacht, wollte dem aber keinesfalls nachgeben. Es gab auch positive Erlebnisse, die mich darin bestärkt haben, abstinent zu bleiben. So hatte ich einen klareren Kopf, war besser organisiert und habe meinen Alltag besser gemeistert. Ich habe mich dann zunehmend mit positiveren Dingen beschäftigt, u. a. habe ich Kontakt zu alten Freunden wieder aufgenommen. Außerdem konnte ich meine Probleme viel besser reflektieren. Ich habe gerade in der Umstellungsphase viel nachgedacht.
35. Wer hat Ihnen dabei wie geholfen?
Meine Familie und meine engsten Freunde, denen ich mich nach dem Ereignis offenbart habe. Ich hatte nicht mit so viel Verständnis und Unterstützung gerechnet. Außerdem hat mir Quit-the-shit sehr geholfen.
36. Wie reagiert Ihr Umfeld auf diese Umstellung?
Durchweg positiv! Meine Mutter, die bis dato gar nichts von dem Konsum wusste, fiel aus allen Wolken. Sie fand es aber gut, dass ich nun abstinent war und dabei bleiben wollte. Auch meine Schwester hat mir geholfen, hat mir angeboten jederzeit mit Problemen zu mir zu kommen.
37. Haben Sie nach der Auffälligkeit weiterhin Kontakt zu Ihren Drogenbekannten gehabt?
Nein, ich habe jeglichen Kontakt zu Konsumenten abgebrochen. Das wurde auch so hingenommen. Auch von dem Nachbarn, mit dem ich damals ja häufiger verkehrt habe und von dem ich Cannabis bezogen habe. Ich sagte ihm, dass ich in eine Kontrolle geraten bin und keinen Konsum und Kontakt mehr möchte, was er akzeptierte. Der ist dann auch weg gezogen bzw seine Wohnung wurde ihm gekündigt.
38. Haben Sie nach Ihrer Auffälligkeit miterlebt, wie Ihre Bekannten Drogen konsumiert haben?
Nein, ich habe nur ein Mal noch den Nachbarn offensichtlich berauscht gesehen, als ich den Kontakt abgebrochen habe. Andere Kontakte habe ich schlicht nicht mehr aufgesucht und die mich auch nicht.
39. Wie haben Sie in Zukunft vor mit Cannabis/dem Konsum umzugehen?
Ich werde definitiv abstinent bleiben, da ich damit bislang sehr gute Erfahrungen gemacht habe und mein Leben in vielerlei Hinsicht viel besser geworden ist. Ich gebe inzwischen Kurse an der VHS, habe einen Naturgarten gestaltet, habe neue Freunde gewonnen und auch den Kontakt zu alten Freunden wieder aufgenommen. Außerdem habe ich inzwischen eine Beziehung. Ich habe viele Aktivitäten, zu denen ich mich vorher nicht aufraffen konnte. Das bedeutet mir alles sehr viel.
40. Haben Sie zu Hause Cannabis?
Nein.
41. Wie wollen Sie es gegebenenfalls in Zukunft verhindern, nochmals unter Drogeneinfluss ein KFZ zu führen?
Das wird nicht mehr passieren. Zum einen, weil ich erkannt habe, dass ich damit mich und andere gefährde. Zum anderen, weil ich abstinent bleiben möchte und Strategien entwickelt habe, um Problemen zu begegnen und auf Drogenkonsum zu verzichten. Die Strategien bestehen darin, dass ich gezielt an meinen sozialen Kompetenzen arbeite, alte Freunde wieder kontaktiert habe und neue Kontakte knüpfe, ferner habe ich Beschäftigungsmöglichkeiten gesucht und gefunden, die mir ermöglichen abzuschalten und mich zu erholen, mich körperlich und geistig zu beschäftigen.
42. Wie wollen Sie einen beginnenden Rückfall erkennen?
Darüber habe ich mir viele Gedanken gemacht. Ich habe verschiedene Szenarien durchgespielt, von einer Kündigung bis zu einer Trennung von meiner Freundin, Streit mit Freunden oder auch den möglichen Tod von Familienmitgliedern oder engen Freunden. Ich bin heute wesentlich stabiler und widerstandsfähiger, weil ich nun viele Kontakte und Aktivitäten habe, die mich körperlich und geistig fordern oder auch helfen, mich zu entspannen und abzuschalten. Meine Umgangsweise mit Probleme jeder Art ist heute völlig anders, ich packe sie an den Hörnern und verkrieche mich nicht in mein Schneckenhaus. Dadurch verhindere ich, dass ich in alte Denkmuster zurückfalle, die dann zu Konsum führen könnten.
43. Wie ist derzeit der Konsum von Alkohol bei Ihnen?
Ich trinke hin und wieder ein oder zwei Bier oder auch ein Glas Rotwein zu passenden Anlässen, also zu einem guten Essen mit Freunden oder bei Feierlichkeiten. In etwa 2x im Monat.