3. MPU Wiederholungstäter

Ich finde, dass dein Arzt das gut geschrieben hat mit, „…erneut…“.
Es geht daraus hervor, dass du bei ihm schon lange in Behandlung bist und im Akutfall dich an ihn wendest.

Dem Gutachter gegenüber würde ich es nur erwähnen, wenn er explizit danach fragt.
Glaube ich aber nicht, weil alles für ihn Relevante drin steht :smiley138:
 
Hallo allerseits.

Am 19.08.2024 werde ich die MPU machen. Ich habe Blutwerte vom 09.02.2024. Alle Werte sind gut. Naja, bis auf die Cholesterinwerte. Da sind 2 ganz leicht neben der Norm.

Da mein Hausarzt ab nächster Woche 3 Wochen im Urlaub ist, werde ich morgen noch mal Blutwerte ziehen lassen.
Ist das okay, 31/2 Wochen vor der MPU, oder sollten sie aktueller sein?
 
Also der Cholesterinwert ist für die MPU völlig unrelevant, der ist nur für deine Gesundheit wichtig. Du gehst mit AB ins Rennen, da sind die Blutwerte per se net so bedeutsam und wenn sie bei dir net dauernd schwanken, dann reicht das 3 1/2 Wochen vorher aus. Der Doc bei der MPU wird sie eh net sehen wollen, nur du weißt für dich selbst Bescheid.
 
Okay, vielen Dank @kapomick.

In meinem Gutachten von 2015 sind die Leberwerte vom Hausarzt sogar explizit aufgeführt. Der TÜV bei uns sieht das ganz gern.
Aber wenn 3 1/2 Wochen okay sind passt das ja. Ich gehe davon aus, dass meine LW jetzt auch gut sind.

Am Rande:
Für mich ist das ganz bequem. Meine liebe Frau arbeitet bei meinem Hausarzt und nimmt das Blut in der Früh an meinem Bettchen ab, und schickt es dann in der Praxis ins Labor
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Zusammen

Kurze Rückmeldung bzgl. der gleichen Psychologin bei der MPU wie vor 9 Jahren.
Sie hat die Begutachtung abgelehnt. Vermutlich, um mir eine neutrale Begutachtung zu ermöglichen.

Spannend war, dass die Damen aus dem Büro erst auf mein Nachfragen während der letzten Urinkontrolle gestern bei der Psychologin angefragt haben. Ich wäre also in knapp 3 Wochen zur MPU gegangen und wieder heim geschickt worden.

Jetzt gehe ich einen Tag später und treffe auf eine andere Psychologin.
 
Es ist ihr gutes Recht, so wie es auch meines gewesen wäre, die Begutachtung abzulehnen.

Es war nur sehr schlecht, dass die Psychologin nicht sofort bei der Terminvergabe gefragt wurde.
Eigentlich wäre durch die Ablehnung der nächstmögliche Termin Ende September gewesen. Da habe ich aber höflich und bestimmt Einspruch erhoben. Sie konnten dann ja tauschen und mir am Folgetag die Begutachtung anbieten.
 
Du hast einmal mehr alles richtig gemacht. Ich find das von der GA total gut und konsequent, dass sie deine Begutachtung ablehnt, weil sie es ja auch gar nicht darf. Egal, nach wie vielen Jahren. Hast halt (leider) schon genug Erfahrung. Lass es die letzte sein. Ich wünsche es dir von Herzen!
 
Hallo @kapomick

Vielen lieben Dank.
Mit meinem Einverständnis dürfte sie es theoretisch schon. Ich finde es aber auch gut, dass sie abgelehnt habe. Ich kenne sie nicht nur von der MPU, sondern habe mir ein zweimal auch Rat eingeholt während meiner Arbeit im Idi-Forum.

Ich gehe mal davon aus, du weisst wer ich bin?
Kannst mir ja mal eine PN schreiben. Du hast die Funktion ja bei dir ausgeschaltet.

Liebe Grüße
O... :smiley138:
 
Auf dein Profil gehen =>Einstellungen=>Privatspäre=>Erlaube Benutzern=>Sende Nachrichten an dich: und dann einstellen wie du es magst.
Nachrichrichten senden kannst du aber auch, wenn es ausgeschaltet ist und ich vermute, ich kann dann auch antworten.

Wenn du mir schreiben möchtest, einfach auf meinen Namen klicken =>Direktnachricht senden :smiley138:
 
So einfach ist es dann doch nicht, denn der User muss von der Moderation erst für Direktnachrichten freigeschaltet werden. Das habe ich jetzt bei euch beiden gemacht. Ich musste dazu erstmal etwas in deinen Einstellungen ändern Carlos68, denn sonst könntest du vermutlich weiterhin keine evtl. Nachrichten von kapomick erhalten. Du kannst die Einstellung wieder ändern, wenn du nur Nachrichten von Usern haben möchtest denen du folgst. Das letzte Update ist noch ziemlich neu, sodass sich für die Moderation erst im Laufe der Zeit Routine bei der Anwendung einstellen wird.

Hier noch die passende Forumsregel: Private Nachrichten
 
Du hast einmal mehr alles richtig gemacht. Ich find das von der GA total gut und konsequent, dass sie deine Begutachtung ablehnt, weil sie es ja auch gar nicht darf. Egal, nach wie vielen Jahren. Hast halt (leider) schon genug Erfahrung. Lass es die letzte sein. Ich wünsche es dir von Herzen!
Guck an, das wusste ich auch nicht.
Auch von mir alles Gute!
 
Danke @Norderney(w)

8 Jahre nüchtern, viele Jahre meine Erfahrungen an andere Betroffene weitergegeben und dann 2 aufeinander treffende Lebenssituationen, die man so niemals hätte erwarten können.

Nimm meine Geschichte zum Anlass, um aus deiner derzeitigen Situation das Beste mitzunehmen, ja sie sogar umzukehren. Du musst dir absolut im Klaren sein, dass es um so viel mehr geht, als um deine FE. Nimm alle Hilfsangebote an, sauge die Therapie auf, arbeite an dir, um für möglichst viele Situationen gewappnet zu sein. 100 % gibt‘s nicht, man kann aber sein Bestes geben, um dicht ran zu kommen.

Und vor Allem: Bleib nüchtern !

Ich bin wieder seit knapp 19 Monaten nüchtern und das ist mein größter Gewinn. Die FE ist für mich ein „Zuckerl“
 
Hallo allerseits

Ich habe mich dazu entschlossen, meine Fragebögen einzustellen und freue mich auf konstruktive Kritik.

Zunächst der Profilfragebogen:

FB Alkohol

Zur Person
Geschlecht: m
Größe: 186 cm
Gewicht: 130 kg
Alter: 56

Was ist passiert?
Datum der Auffälligkeit: 11.12.2022
BAK: 1,69
Trinkbeginn: 11.12.2022 15:30 Uhr (Restalkohol vom Vortag-bis 7:00 Uhr getrunken)
Trinkende: 11.12.2022 16:30 Uhr
Uhrzeit der Blutabnahme: 11.12.2022 17:20 Uhr

Stand des Ermittlungsverfahrens
Gerade erst passiert: nein
Strafbefehl schon bekommen: ja
Dauer der Sperrfrist: 12 Monate ab Strafbefehl (seit 05.04.2024 beendet)

Führerschein
Hab ich noch: nein
Hab ich abgegeben: ja (am 28.01.2023, hatte FE bei TF nicht dabei)
Hab ich neu beantragt: ja
Habe noch keinen gemacht: --

Führerscheinstelle
Hab schon in meine Akte geschaut Ja/Nein: Ja
Sonstige Verstöße oder Straftaten?: TF 2006 3,03 ‰, TF 2014 2,79 ‰


Genaue Fragestellung der FSSt (falls bekannt):

§13 Nr.2 Buchstabe b u. c FeV i.V. mit Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV;
Wiederholte Zuwiderhandlungen unter Alkoholeinfluss und Führen eines Kraftfahrzeuges (2x) mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr.

Liegen bei Herrn xxx körperliche und/oder geistige Beeinträchtigungen vor, die mit dem unkontrollierten Konsum von Alkohol in Zusammenhang gebracht werden können?

Ist insbesondere nicht zu erwarten, dass Herr xxx zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Einfluss eines die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsums führen wird?

Bundesland: Bayern


Konsum
Ich trinke noch Alkohol, wenn ja wie oft wieviel: nein
Ich lebe abstinent seit: 06.01.2023

Abstinenznachweis
Haaranalyse ja/nein:
Urinscreening ja/nein: ja 17.05.2023 - 16.08.2024
PEth-Analytik ja/nein:
Keinen Plan?:

Leberwerte ja/nein seit wann, wieviele: Febr. 24: alle i.O. 24.07.2024: alle i.O.

Aufarbeitung
Suchtberatungsstelle aufgesucht?: Ja, von 02/2023 - 03/2024 (Einzelgespräche Suchttherapeut)
Selbsthilfegruppe (SHG): 1x /Woche von 10/2023 - jetzt
Psychologe/Verkehrspsychologe: VP von 05/2024 - jetzt
Kurs für verkehrsauffällige Autofahrer: nein
Ambulante/stationäre Therapie: ambulante Psychotherapie 04/2023-08/2023 danach Nachsorge bis jetzt.
Keine Ahnung:

MPU
Datum: 20.08.2024
Welche Stelle (MPI): TÜV
Schon bezahlt?: Ja
Schon eine MPU gehabt? Ja, 2x (2007 + 2015 beide pos.)
Wer hat das Gutachten gesehen?: Ich und FEB
Was steht auf der letzten Seite (Beantwortung der Fragestellung)?:

Altlasten
Bereits durch Alkohol auffällig geworden Punkte oder sonstige Straftaten: 2x TF s.o.
 
Und nun der große Fragebogen. Sorry für die Länge und gleichzeitig lieben Dank an alle, die das durchlesen.
Mir ist bewusst, dass ich manchmal etwas ins "Schwurbeln" komme und mich hier und da wiederhole. Im persönlichen Gespräch passiert mir das aller Erfahrung nach nicht.

Tathergang

1. Beschreiben Sie den Tag Ihrer Trunkenheitsfahrt aus eigener Sicht mit Datum und Uhrzeiten.
(Wann, wo und mit wem getrunken / wann und wie aufgefallen / Promille)


Am Tag (10.12.2022) vor meiner TF (11.12.2022), hatte ich einen Auftritt ca. 160 km von meinem Wohnort entfernt. Ich bin dort mit meinem Wohnmobil hingefahren. Ich bin Berufsmusiker. Ziemlich genau 2 Wochen vorher hatte ich einen Rückfall und trank täglich am Abend. So auch am Vorabend der TF. Ich musste Trinken, zum einen wegen meiner Alkoholabhängigkeit und zum anderen, um meine schlechte emotionale Verfassung zu betäuben. Ich trank also permanent ab ca. 20:00 Uhr – 7:00 Uhr, um einen für mich erträglichen und gleichzeitig arbeitsfähigen Pegel zu halten. Danach legte ich mich im Wohnmobil schlafen.

Am nächsten Tag wachte ich um ca. 13:30 Uhr verkatert auf. Ich schnappte noch etwas frische Luft, machte mich frisch und fuhr ca. 14:30 Uhr los. Um 15:00 Uhr hielt ich an einer Raststätte und kaufte mir ein Sixpack 0,5l Bier. Eigentlich für zu Hause gekauft, aber der Saufdruck war zu groß. Noch vor Ort trank ich sehr zügig 2x0,5 Bier. Die weiteren 4 Flaschen trank ich während der Fahrt, bis ich um ca. 16:45 Uhr von einer Polizeistreife auf der Autobahn auf einen Hilfsparkplatz geleitet wurde. Ein Zeuge meldete um 16:25 Uhr dem Polizeinotruf ein Wohnmobil, welches Schlangenlinien fuhr.

Dann das übliche Prozedere mit Blutabnahme um 17:20 Uhr auf der Wache. Aussage machte ich bis auf das Trinkende um 7:00 Uhr keine. Den Konsum während der Fahrt hatte ich verschwiegen. (Werde ich aber bei der MPU so erzählen)

Die BAK lag bei 1,69 ‰.

2. Was und wie viel haben Sie am Tattag insgesamt getrunken?
(Genaue Angaben in Sorte, Menge, Trinkzeit)


Am 10.12.2022 20:00 bis 7:00 Uhr 5l Bier und 1l Wein.

Am 11.12.2022 15:00 bis 16:30 Uhr 3l Bier.

3. Wie viel Kilometer fuhren Sie, bis Sie aufgefallen sind und wie viel Kilometer wollten Sie insgesamt fahren?

Ich fuhr ca. 130 km und wollte 160 km fahren.

4. Hatten Sie das Gefühl, noch sicher fahren zu können?
(Ja/Nein + Begründung)


Ja, zunächst schon, da ich der Meinung war, bei Fahrtantritt unter 0,5 ‰ zu sein.

Nach dem erneuten Konsum, glaubte ich, zumindest einer Fahrt auf der Autobahn mit wenig Verkehr an einem Sonntag Nachmittag gewachsen zu sein. Von der Autobahn bis zu meinem Haus sind es ca. 4 km.

5. Wie haben Sie die Trunkenheitsfahrt vermeiden wollen (wenn überhaupt)?

Ich hatte im Wohnmobil übernachtet und wollte das gekaufte Bier erst zu Hause trinken. Wie schon gesagt, war der Suchtdruck zu hoch.

6. Haben Sie bereits früher im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss gestanden und sind aufgefallen?

Ja

10.10.2006 BAK 3,03 ‰ um 14:20 Uhr

11.06.2014 BAK 2,79 ‰ um 14:50 Uhr

7. Wie oft haben Sie alkoholisiert am Straßenverkehr teilgenommen ohne aufzufallen und was folgern Sie daraus?

Als Alkoholiker habe ich sicher schon mindestens 1000 mal am Straßenverkehr teilgenommen, ohne aufzufallen. Ich hatte unendlich viel Glück und folgere daraus, dass eine Fahrerlaubnis für mich nur unter strikter Einhaltung von Abstinenz vertretbar ist.

Exploration

8. Wann hatten Sie den ersten Kontakt mit Alkohol und wann haben Sie das erste Mal Alkohol zu sich genommen?
(Allererste Erinnerung und erster Konsum)


Meine erste Erinnerung an Alkohol ist der Geruch meiner Tante, die immer Rotwein getrunken hatte, zu jeder Tageszeit. Ich fand das als Kind sehr abstoßend. Entweder schlief sie, oder redete Blödsinn.

Meine Eltern tranken gelegentlich am Abend. Ich empfand das nicht als unangenehm, da ja „alle Erwachsenen mal was trinken“ (kindliche Sicht). Ansonsten waren sie ja „normal“ – kein unangenehmer Geruch, vernünftige Gespräche etc.

Mein erster Konsum war im Alter von 13 Jahren bei einem Frühschoppen auf einem Dorffest. Mein Vater hatte mich mitgenommen. Einer seiner Freunde stellte mir ein Weißweinschorle (0,2 l) hin und ich habe es getrunken, da ich neugierig war. Mein Vater hatte es nicht bemerkt. Ich spürte ziemlich schnell ein „Kribbeln“ in den Beinen, was nach ca. 2 Stunden wieder verschwand.
Ich empfand das Gefühl eher als unangenehm, und verstand nicht, was die Erwachsenen daran fanden.
 
9. Haben Sie regelmäßig Alkohol getrunken, und wie hat sich ihr Trinkverhalten in den letzten Jahren entwickelt?

Ich begann mit 23 Jahren gelegentlich Alkohol zu trinken. Bis dahin war ich aktiver Leistungssportler. Ich trainierte bis zu 9 mal 2 Stunden in der Woche (Bundeskader), und da war in meinem Leben einfach kein Platz für Alkohol.
Nachdem ich meine Laufbahn als Leistungssportler beendet hatte, musste ich ca. 1 Jahr abtrainieren. Ich trank 1-2 mal im Monat 1L Bier. Mal beim Grillen oder gelegentlich nach dem Training. Ich empfand das Gefühl des „beschwipst sein“ und die Geselligkeit als angenehm, und es hinderte mich auch nicht daran, am darauffolgenden Tag wieder leicht zu trainieren.

Mit 24 Jahren stieg ich in eine gut gebuchte Band ein, und dort war es gang und gäbe, während der Proben und auch bei den Auftritten zu trinken. Mein Konsum steigerte sich allmählich auf 4-5 mal 1,5 L Bier pro Monat. Nach Auftritten wurde auch schon mal gefeiert, und ich trank bis zu 2 L Bier. In dieser Band bin ich nicht mehr aktiv.

In meinem heutigen beruflichem/musikalischem Umfeld wird bei Proben überhaupt nicht getrunken. Bei Auftritten trinken 2 Kollegen gelegentlich 1 Glas Wein zum Essen. Nach den Auftritten wird heute nicht mehr gefeiert. Jeder ist froh, nach Hause zu kommen. Deswegen musste ich ja meinen Konsum „geheim“ halten, um gut da zu stehen.

Nach einiger Zeit, im Alter von 25 Jahren, begann meine Neigung mich zurückzuziehen. Ich machte das 3-4 mal im Jahr. Ich steckte alle Telefone aus, schaltete die Türklingel aus, und zog mich für 3 – 4 Tage zurück. Ich trank dann schon viel, allerdings noch nicht bis zur Volltrunkenheit. Es waren bis zu 2-3 Flaschen Wein in 24 h. Ich verteilte die Menge immer so, dass ich noch komponieren, Liedtexte schreiben oder auch einen schönen Film genießen konnte. Dinge, die mir Spaß machten, die ich mir aber nüchtern nicht „genehmigen“ konnte. Ich benutzte den Alkohol, um „guten Gewissens“ aus dem Alltag raus zu kommen.

Nach meinem Studium lernte ich meine jetzige Frau kennen und zog zu ihr. Der neue Wohnort war ca. 70 km von meinem bisherigen entfernt. Da ich nun nicht mehr allein wohnte, konnte ich mich nicht mehr so einfach zurückziehen. Das Gefühl des verliebt sein, die Frau meines Lebens gefunden zu haben, die Zweisamkeit war für eine Zeit lang mein Ausgleich, das „raus kommen“ aus dem Alltag. Es hatte die Funktion des Alkohols für eine gewisse Zeit ersetzt.
Nachdem wir geheiratet hatten, bezogen wir unser erstes Haus zur Miete, und ich richtete mir mein eigenes Zimmer ein. Die Beziehung zu meiner Frau war immer noch sehr schön, aber zum „Alltag“ geworden. Ich sehnte mich wieder nach einer „Auszeit vom Alltag“. Da ich immer noch nicht gelernt hatte, mir diese ohne schlechtes Gewissen zu nehmen, betäubte ich mein Gewissen wieder mit Alkohol und zog mich für 3-4 Tage in mein Zimmer zurück. Die Mengen waren ähnlich wie damals in meiner eigenen Wohnung. Es war noch lange nicht so, dass ich gar nichts fühlen wollte – ich wollte mich nur soweit (mein Gewissen) betäuben, dass ich die Auszeit genießen konnte. Mein Pflichtbewusstsein mal ausschalten.

Im Mai 2005 kauften wir unser jetziges Haus. Im Sommer dieses Jahres renovierte ich mit meinem Vater das Haus. Es war eine tolle Zeit. Es hat mir sehr viel Freude bereitet, handwerklich tätig zu sein. Für mich war es eine Auszeit vom Alltag, ohne mein Gewissen betäuben zu müssen. Wir sparten durch die Eigenleistung eine Menge Geld, somit war meine Welt, mein Selbstbild, der hohe Anspruch an mich selbst in Ordnung.
Irgendwann war alles soweit fertig und renoviert, und ich ging wieder meiner Arbeit in der Musikschule und als Musiker nach. Natürlich wieder, ohne mir eine Ruhepause zu gönnen.

Anfang 2006 klinkte ich mich zum ersten Mal im neuen Haus aus. Ich trank dieses Mal deutlich mehr als sonst. 4-6 Flaschen Wein innerhalb 24 Stunden. Aus heutiger Sicht erkenne ich hier erste Abhängigkeitszüge.
Dies veranstaltete ich im Jahr 2006 noch 4 Mal, bis es dann im Oktober zu meiner ersten entdeckten TF kam.

Nach meiner Trinkpause von Oktober 2006 bis Mitte 2008, versuchte ich kontrolliert zu trinken, was mir zunächst recht gut gelang. Ich trank nur bei privaten Festivitäten und niemals mehr als 1 l Bier oder 0,5 l Wein über den Abend verteilt.
Während der Woche und bei Auftritten trank ich gar keinen Alkohol.

Anfang 2011 trank ich das erste mal nach meiner Abstinenz wieder mehr Alkohol, auf einer Geburtstagsparty eines guten Freundes. Ich war das erste Mal wieder betrunken. Ich schlief meinen Rausch aus, und konnte wieder in mein, aus meiner damaligen Sicht, kontrolliertes Trinkverhalten zurückkehren.
Im Laufe des Jahres 2011 und 2012 blieben die Trinkmengen gleich, allerdings erhöhte sich die Anzahl der Trinkanlässe von 2-3 mal im Monat bis auf 10 mal im Monat. Ich begann wieder während der Woche am Abend zu trinken. Wie schon gesagt, nicht mehr, aber öfter – 2-3x pro Woche, nach Feierabend.
Ich glaubte alles unter Kontrolle zu haben. Heute weiß ich, dass ich mich mit 10 Trinkanlässen im Monat schon weit außerhalb jeglicher Kontrolle befand.

Es fühlte sich so normal an, 2-3 Mal in der Woche 2 Bier oder 2 Gläser Rotwein zu trinken. Auch durch die Tatsache, dass ich zunächst nicht mehr in so exzessive Abstürze von mehreren Tagen hineinrutschte wog ich mich in Sicherheit. Heute weiß ich, dass diese vermeintliche Sicherheit nur in meiner verharmlosenden und bagatellisierenden Haltung mir selbst gegenüber begründet war. Auch ist mir heute bewusst, dass eben diese Haltung zu meinem Krankheitsbild der Alkoholabhängigkeit gehört.

Anfang 2013 trank ich eines Abends deutlich mehr als sonst. Es müssen so 6-7 Flaschen Bier gewesen sein. (0,5l) Ich hatte mich mit meinem Versuch, wieder kontrolliert zu trinken einem enormen Druck ausgesetzt. Diesem Druck war ich mir aber damals nicht bewusst, und ich konnte ihm nicht standhalten.
Am nächsten Morgen ging es mir sehr schlecht, vor allem psychisch. Ich konnte den hohen Alkoholkonsum nicht einfach so wegstecken wie bei der vorher erwähnten Geburtstagsparty. Aus heutiger Sicht hatte ich Entzugserscheinungen. Ich sagte meine Termine für den Tag ab, und trank schon am Vormittag 2 Flaschen Rotwein.
Es folgten 3 Tage mit ununterbrochenem Alkoholkonsum. Es waren 6-7 Flaschen Rotwein täglich. Meine Termine für den Rest der Woche hatte meine Frau abgesagt.
Am Spätnachmittag des 3. Tages überkam mich ein Ekel und ich leerte den restlichen Alkohol in den Ausguss. Es folgte eine mehrwöchige Trinkpause.
Was mir damals noch nicht bewusst war, ist, dass ich mich wieder genau dort befand, wo ich Ende 2006 aufgehört hatte. Ich glaubte an einen Ausrutscher. Heute weiß ich, dass der erste Schluck Alkohol Mitte 2008 diesen Weg geebnet hatte.
Nachdem sich der fälschliche Glaube an einen Ausrutscher gefestigt hatte und mehrere Wochen Trinkpause hinter mir lagen, begann ich wieder gelegentlich zu trinken.

Dieser Zyklus wiederholte sich 2013 noch 2 mal und Anfang 2014 einmal.

Mit der erlangten Krankheitseinsicht konnte ich von Juni 2014 bis Mai 2022 nüchtern bleiben.

Im Mai 2022 hatte ich einen kurzen Rückfall. Ich kaufte mir 2 Flaschen Wein, trank abends 1,5 Flaschen (0,7l) und leerte den Rest voller Scham am nächsten Tag in den Ausguss. (Mein Umfeld bekam davon nichts mit, da ich allein zu Hause war)

Am 25.11.2022 hatte ich einen weiteren Rückfall, der allerdings länger andauern sollte. Ich trank täglich abends, nachdem meine Frau im Bett war, 6-8 Bier.

Nach der TF am 11.12.2022 machte ich einen Trinkstopp von 3-4 Tagen. Ich hatte eine extreme Halsentzündung und konnte gar keinen Alkohol trinken.
Im Anschluss versuchte ich die Trinkmenge zu reduzieren und nicht täglich zu trinken. Es gelang mir, war aber unsäglich schwer.

Der Auslöser, dem Alkohol endlich wieder den Rücken zu kehren, war eine weitere Polizeikontrolle am 6.01.2023 direkt vor meinem Haus. Ich hatte meinen Führerschein noch, da ich ihn am Tag der TF nicht dabei hatte. Bis der Beschluss nach §111a zur vorläufigen Entziehung durch die Polizei bei mir zu Hause vollstreckt wurde vergingen 7 Wochen. Und ja, in dieser Zeit darf man fahren, auch wenn die Polizei etwas anderes behauptet.
Ich hatte keinen Alkohol getrunken und somit war die AAK 0,0 ‰.
Ich dachte mir allerdings, wenn du jetzt nicht aufhörst, legst du die nächste TF hin, bevor überhaupt dein Strafbefehl ankommt oder die FE entzogen wird.
Auch das war unglaublich schwer, aber ich schaffte es und somit war mein letztes Glas am 05.01.2023 und ich bin seit knapp 19 Monaten nüchtern.

10. Wie viel und wie oft haben Sie getrunken?
(Genaue Angaben in Sorte, Menge, Häufigkeit)


1982:
1 Weißweinschorle 0,2 l

1984-1991:
1-2 Mal im Jahr 0,5 L Bier

1991-1993:
1-2 Mal im Monat 1 L Bier

1993-2005:
4-5 mal pro Monat 1,5 L Bier
1x im Monat bis zu 3L Bier
3-4x im Jahr: 3-4 Tage permanenter Konsum bis zu 2-3 Fl. Wein/24h

2005-2006:
phasenweise tägl. 1,5 L Bier
3 mal 3-4,5 L Wein/24h
TF: 1 Flasche Wodka + Restalkohol

2006-2008:
Trinkpause

2010-2011:
2-3 mal im Monat 1L Bier oder 0,5 L Wein

2011-2012:
Anzahl ansteigend bis 2-3- mal pro Woche (gleiche Trinkmenge)

2013-2014:
Anzahl und Trinkmenge ansteigend. 4-5 mal pro Woche bis zu 3L Bier oder 1,5 L Rotwein am Abend.
4 Abstürze von 3-4 Tagen, tägl. 5-6 Flaschen Rotwein

06.05.2022 1l Rotwein

25.11. – 05.01.2022:
Tägl. 6-8 Bier oder 1-2 Flaschen Rotwein
Tag vor der TF 5l Bier + 1l Wein. (von 20:00-7:00 Uhr)

11. Wo und mit wem haben Sie überwiegend getrunken?

Als ich begann nach meiner aktiven Leistungssport Zeit gelegentlich zu trinken, trank ich zunächst mit oder bei Freunden. Nach 1-2 Jahren begann ich auch allein zu Hause zu trinken.

Bei meinen Auftritten trank ich in den ersten Jahren oft. Später, als es zu meinem Beruf wurde, war es die Ausnahme.

Neben gesellschaftlichen Anlässen (Familienfeiern etc.) trank ich hauptsächlich alleine.
 
12. Warum haben Sie getrunken?
(Innere + äußere Motive)


(Mir ist durchaus bewusst, dass der GA gar nicht so viel hören will und muss, ich beginne dennoch in der Kindheit bis hin zur Abhängigkeit. Vielleicht ist es für den ein oder anderen interessant)

Ich war ein sehr ängstliches Einzelkind. Mir fiel das Alleinsein sehr schwer.
Als ich in die Schule kam, begann meine Mutter wieder ganztags zu arbeiten. Ich war nachmittags bei meiner Stieftante (Halbschwester meiner Mutter) untergebracht. Diese konnte mir keine Geborgenheit geben, da sie ständig angetrunken oder betrunken war. Sie schickte mich und meinen Cousin meistens auf die Straße zum spielen. Wir mussten sogar am Wasserhahn trinken, da sie auf das Klingeln oft nicht reagierte. Ich fühlte mich alleingelassen, ich hatte Angst. Wer sollte sich um mich kümmern, wenn ich vielleicht mit dem Fahrrad stürzte, oder mir sonst irgendetwas passiert.
Wer nimmt mich in den Arm, wenn ich traurig bin. Wer hilft mir bei den Schulaufgaben. Ich fühlte mich sehr hilflos. Mir fehlte Liebe und Sicherheit. Ich hatte überhaupt kein Wohlgefühl. Ich sehnte mich immer danach, dass es 16:00 Uhr wurde und meine Mutter heimkam.

Da meine Tante im Nachbarhaus wohnte, konnte ich meine Mutter dazu überreden, die Zeit zwischen Mittagessen (meine Mutter kam in ihrer Mittagpause immer nach Hause) und 16:00 Uhr in der elterlichen Wohnung zu verbringen, und mich nur im „Notfall“ an meine Tante zu wenden. Ich war trotz meiner Angst vor dem Alleinsein lieber dort, als zu meiner Tante zu gehen. Ich stellte also mein Bedürfnis an Geborgenheit für diese Zeit zurück. Ich hatte in dem „Schutzraum“ der elterlichen Wohnung weniger Angst. Mir konnte dort nichts passieren. Ich fühlte mich dort nicht so hilflos wie draußen oder in der Wohnung meiner Tante. Ich musste „nur“ mit dem Alleinsein bis 16:00 Uhr klar kommen. Dann kam ja meine Mutter heim.

Als meine Eltern auch Abends gelegentlich die Wohnung verließen, war das sehr schwer für mich. Sie waren zwar meist im selben Haus bei den Nachbarn (nicht bei meiner Tante), aber ich fühlte mich wieder allein gelassen. Die vorher beschriebenen negativen Gefühle des Nachmittags kamen umso stärker zurück. Es war ja auch noch dunkel. Ich beschäftigte mich mit Kuchen backen, Kochen, Fleißarbeiten für die Schule etc. Ich konnte tatsächlich mit 8 Jahren schon einen guten Apfelkuchen backen oder einen Schweinsbraten kochen. An sich ja nicht schlecht, für einen 8 jährigen aber völlig unangemessen. Diese Tätigkeiten machten meine Angst vor dem Alleinsein erträglich. Mit meinen Spielsachen zu spielen half mir überhaupt nicht weiter. Es musste etwas sein, das mir das Gefühl gab, älter zu sein als ich bin.
Meine Eltern waren nicht da, also musste ich mich älter fühlen. Ältere Kinder haben weniger Angst, können besser allein bleiben.
Es war also nicht nur das Ablenken oder beschäftigt sein an sich, sondern es war sehr wichtig, was und wie ich es tat.

Es gibt hierbei noch einen zweiten Aspekt: Durch die eher „außergewöhnlichen“ Sachen, die ich da veranstaltete bekam ich besondere Anerkennung und Lob. Von meinen Eltern, in der Schule und von Bekannten. Ein Ausgleich für die zeitlich begrenzte Aufmerksamkeit.

Wenn ich es trotz dieser Strategien mal nicht ertragen konnte, allein zu sein, telefonierte ich meinen Eltern hinterher. Ich erinnere mich an einen Abend, wo ich bestimmt 15 mal bei den Nachbarn angerufen habe. Mein Vater war sehr zornig darüber und ich bekam den Hintern versohlt. Das war sicher die Ausnahme, aber mit einer wütenden Reaktion hatte ich immer zu rechnen, wenn ich meine Angst äußerte.

Ich lernte also sehr früh:
Negative Gefühle äußern = negative Reaktion bzw. unangenehme Konsequenzen.
Etwas besonderes tun = Anerkennung und Zuwendung

Ich verwandelte Angst und Ärger ins Gegenteil, leistete etwas „Besonderes“ und erhielt dafür die Zuwendung meiner Eltern, zumindest auf Zeit, denn das nächste „Allein sein“ kam immer wieder.
Aus diesen Verhaltensmustern meiner Kindheit entwickelte sich mein Drang zum „über mich hinauswachsen“, „es besonders gut zu machen“ vielleicht sogar zum Perfektionismus. Ich wollte immer unter den Besten sein.
Gleichzeitig war ich unfähig etwas Mittelmäßiges oder gar einen Misserfolg anzunehmen.
Diese Verhaltens – und Denkmuster begleiteten mich bis zu meiner stationären Therapie 2014.

Die Schule fiel mir sehr leicht und so konnte ich ab dem 13. Lebensjahr viel Zeit in meinen Sport investieren. Ich trainierte viel mehr als die anderen und erreichte auch mehr. Mein Ziel war es in den Bundeskader zu kommen, was mir auch gelang.
Ich machte in den Schulpausen schon Hausaufgaben und lernte. Nach der Schule ging ich zum Mittagessen nach Hause, erledigte noch das, was ich in der Schule nicht geschafft hatte und ging dann in den Sportverein. Ich verbrachte meine ganze Freizeit dort.
Positiver Effekt für mich: Ich war nur noch wenig allein, und wenn, dann fühlte es sich für mich nicht mehr negativ an.
Zum einen war ich älter geworden, und zum anderen hatte ich durch meinen Sport und die Erfolge sehr viele positive Gefühle.

Parallel zu meinem Sport hatte ich auch begonnen ein Instrument zu erlernen. Ebenfalls mit sehr viel Ehrgeiz, so dass ich später die Aufnahmeprüfung an einer Musikhochschule gut absolvieren konnte, und es zu meinem heutigen Beruf geworden ist.

Als ich meinen Leistungssport beendete, begann ich mein Musikstudium. Auch hier ging ich sehr leidenschaftlich ans Werk und übte sehr viel. Mindestens 6-7 Stunden täglich.
Aber genau zu dieser Zeit trat noch etwas anderes in mein Leben: Der Alkohol. Ich beendete meine Sportlerlaufbahn, um in die Musikszene einzusteigen.
Von einer Welt, wo Alkohol ein „no go“ war in eine Welt, in der es „in“ war zu trinken. Ich fand es auch „in“ und begann zu trinken.
Zunächst eher verhalten, da ich nicht viel vertragen konnte, aber es war ein gutes Gefühl dazu zu gehören.

Durch den Alkoholkonsum geriet meine Gefühlswelt ins Wanken und ich verspürte erstmalig in meinem Leben eine Niedergeschlagenheit und ein diffuses, nicht mit der Angst aus der Kindheit zu vergleichendes Gefühl. Vor allem an Tagen nachdem ich etwas kräftiger ins Glas geschaut hatte. Das „etwas kräftiger ins Glas schauen“ hat mich in eine illusorische Welt geführt. Hier musste ich nicht stark sein, hatte keine so hohen Selbstansprüche, wie in meiner „nüchternen“ Welt. Ich fühlte mich freier, „druckloser“ – ich konnte loslassen. Heute ist es für mich nachvollziehbar, dass ich das morgendliche nüchterne Erwachen mit einem großen Angstgefühl wahrgenommen habe. Nüchtern hat sich alles wieder ins Gegenteil verkehrt: Der Druck, die hohen Selbstansprüche, Perfektionismus, jedem zu gefallen, es jedem Recht zu machen – all das war nüchtern wieder da. Und das machte mir Angst. Angst, das alles nicht zu schaffen.
Und es war für mich auch nicht zu schaffen. Ich gab trotzdem immer alles und konnte mir keine Ruhepausen gönnen – nicht nüchtern.
Um zur Ruhe zu kommen musste ich in eine andere, druckfreie Welt eintauchen.
Dem Druck meiner realen Welt konnte ich höchstens 3-4 Monate standhalten. Es war ein Aus – und Durchhalten. Also nahm ich mir in diesem Abstand jeweils eine Auszeit, die mir aber nur möglich war, indem ich meine hohen Ansprüche durch Alkohol „runterschraubte“, bzw. das negative Gefühl, es mal nicht perfekt zu machen, betäubte.

Ich konnte immer noch nicht akzeptieren, dass Ruhephasen für mich als Mensch, als Familienvater, als Ernährer einer kleinen Familie wichtig waren. Also ließ ich Dinge, wie mal einen Tag mit dem besten Freund verbringen, oder einfach zum Wandern zu gehen nicht zu.

Als ich angefangen habe zu trinken, habe ich immer schon gerne Bier getrunken. Es hat mir geschmeckt. Auch das leichte Rauschgefühl empfand ich als angenehm.
Bald schon wurde die berauschende Wirkung wichtiger für mich als der Geschmack. Ich glaubte freier denken zu können, fühlte mich besser und war vermeintlich kreativer. Ich genoss es, mehrere Tage allein in meiner Wohnung zu trinken, schrieb viele Songs und Texte.
Wie schon beschrieben, weiß ich heute, dass der Alkohol die Funktion hatte, mein schlechtes Gewissen zu betäuben, und somit meine Ansprüche an mich und den dadurch aufgebauten Druck zu verringern.

Mit zunehmenden Alkoholkonsum wurde der Druck in der „meiner realen“ Welt immer größer. Das schlechte Gewissen bezog sich nicht mehr nur darauf eine Auszeit zu brauchen, sondern auch darauf diese mit gesteigerten Alkoholmengen durchgezogen zu haben.
Es entwickelten sich nun richtig diffuse Ängste beim Ernüchtern, die ich damals überhaupt nicht einordnen konnte.
Aus den Auszeiten, die ich genießen konnte wurden Zeiten, in denen ich nichts mehr spüren wollte.
Es war nichts mehr mit Kreativität.
Der Rausch fühlte sich nicht mehr gut an. Es entwickelte sich der Wunsch, nichts mehr zu fühlen und zu spüren. Also trank ich bis ich eingeschlafen war. Beim Aufwachen kam der Schrecken „oh ich fühle und spüre wieder“ – also weitertrinken.
Den negativen Gefühlen, die ich durch den Alkohol betäuben wollte, konnte ich nur noch mit mehr Alkohol begegnen.

Das Gefühl, nicht´s mehr spüren zu wollen steigerte sich mit dem Trinken, also trank ich noch mehr. Das führte zu einem enorm hohen Konsum, bis ich mich nach meiner ersten entdeckten TF 2006 zur Abstinenz entschloss.

Mit andauernder Abstinenz hatte ich immer wieder mit dem KT Gedanken gespielt und habe dann die Entscheidung getroffen, wieder kontrolliert zu trinken. Das hat auch sehr lange funktioniert, es war aber eine der dümmsten Entscheidungen, die ich je getroffen habe. (aus heutiger Sicht)
Das Motiv, wieder zu trinken war, dass Abstinenz nicht in mein Selbstbild gepasst hat. Bei jeder Feier, wo getrunken wurde habe ich mich als Außenseiter gefühlt. Warum können alle anderen mit Alkohol umgehen, und ich nicht? Diese Frage habe ich mir immer wieder gestellt, wenn ich andere trinken sah. Die Frage wurde so dominant in meinem Leben, dass ich andere, sehr positive Aspekte meiner Person und meines Lebens, z.B. dass ich keine Symptome mehr hatte, überhaupt nicht mehr wahrnehmen konnte. Es hat mein Selbstwertgefühl immer weiter nach unten gedrückt.

Ich hatte ja auch die wahre Funktion des Alkohols in meinem Leben überhaupt nicht verstanden. Im besten Falle war ich mir bewusst, dass Alkohol meine Ängste negativ beeinflusst. Diese Erkenntnis war aber aus heutiger Sicht in meinem Falle viel zu oberflächlich, um eine lebenslange Abstinenz zufrieden zu leben.

Das lange Ausbleiben eines Absturzes, die vermeintlich geringen Mengen Alkohol und auch die normal erscheinende Anzahl der Trinkanlässe bestärkten mich in dem Glauben, dass ich doch wie jeder andere „normal“ Trinken kann.
Ich begann nicht nur gelegentlich beim Treffen mit Freunden sondern auch „ab und zu“ nach Feierabend zu Hause zu trinken. Auch wenn sich die Trinkmenge zunächst nicht erhöht hatte, änderte sich das Trinkmotiv. Ich merkte es damals nicht sofort, aber ich begann wieder zu trinken, um ein Wohlgefühl zu erhalten. Wieder war es da, das Verlangen nach Ruhe, Abschalten, welches ich nur mit Alkohol erlangen konnte.
Durch den regelmäßigen Alkoholkonsum kamen meine diffusen Ängste auch wieder zurück. Hauptsächlich am Morgen und verstärkt wenn ich am Abend davor etwas getrunken hatte. Genau hierbei sehe ich heute, dass meine Ängste zu einem großen Teil Entzugssymptome waren.
Diese habe ich aber damals nicht als solche wahr genommen.

Erst als ich mich selbst zur Disziplin ermahnen musste, an Abenden vor anstrengenden Auftritten oder langen Unterrichtstagen nicht zu trinken, wurde mir so langsam bewusst, dass ich mich in einem unguten Kreislauf befinde. Ich habe das aber verdrängt. Für mich war es immer noch eine Schwäche, nicht kontrolliert trinken zu können.
Als der abendliche Konsum ein gewisses Maß überschritten hatte, war die Angst am morgen so groß, dass ich weiter getrunken habe. Während des darauf folgenden Absturzes wollte ich überhaupt nichts mehr spüren, und trank wieder, wie vor Jahren, bis ich eingeschlafen war. Wachte ich wieder auf, ging der erste Griff wieder zur Flasche. Ich nahm überhaupt nichts anderes mehr zu mir.
Alles wiederholte sich. Es war wie in den Jahren vor meiner ersten TF. Rational war mir klar, dass ich da nur mit einer dauerhaften Abstinenz raus komme. Emotional sperrte ich mich aber. Immer dasselbe Gefühl der Unfähigkeit. Ich hatte doch schon so viele Ziele erreicht, warum schaffe ich es nicht mit Alkohol klarzukommen. Ich war blind. Ich konnte nicht sehen, dass ich nur ohne Alkohol klar komme.

Ich versuchte es immer wieder, schaffte es aber nur 3-4 Wochen. Der immer wiederkehrende moderate Konsum triggerte mein Suchtgedächtnis enorm, und ich musste extrem viel Energie aufbringen, um mich „unter Kontrolle“ zu halten. Es war auch immer eine unterschwellige Angst dabei, eben dies nicht zu schaffen. Diese Versagensangst schürte dann auch weitere, eigentlich unbegründete Ängste. Um mir nicht eingestehen zu müssen, dass ich machtlos gegenüber dem Alkohol bin, schob ich alles auf meine Ängste.

Ich dachte an eine stationäre Psychotherapie. Das würde mir helfen.
Keine Ängste = kein Alkoholproblem. Was für ein Trugschluss.
Ich hatte überhaupt kein Abhängigkeitsbewusstsein. Großes Alkoholproblem ja – Abhängigkeit nein. So dachte ich.

Zu Beginn meiner stationären Psychotherapie im August 2014 wurde diese Einstellung Gott sei Dank ordentlich „aufgemischt“. Ganz klare Aussage: „Sie sind alkoholabhängig, und bevor sie das nicht akzeptieren können wir auch ihre Ängste nicht therapieren.“
Ich konnte sehr viel aus dieser Therapie mitnehmen und meine Strategien zur Vermeidung von Rückfällen (auch weit im Vorfeld im emotionalen Bereich) funktionierte. Bis nach vielen Jahren 2 sehr außergewöhnliche Lebenssituationen eintraten. Außergewöhnlich in dem Sinne, dass sie gleichzeitig vorhanden waren.


Meine Frau erkrankte Ende 2020 sehr schwer an Covid und leidet heute noch unter dem Long Covid Syndrom. Sie war fast 3 Jahre krank geschrieben, konnte fast nichts tun, hat kognitive und körperliche Einschränkungen und war 2mal für 6 Wochen auf Reha.
Im gesamten Jahr 2021 konnte ich das noch gut „stemmen“ (glaubte ich zumindest damals).

Als aber dann Anfang 2022 die eh schon unklaren und immer wieder geänderten Antragsvoraussetzungen bzgl. der Coronahilfen zu einer drohenden Gefahr wurden, hohe Rückzahlungen zu leisten, machten sich in mir enorme Existenzängste breit. Diese waren auch durchaus real. Eine Woche vor dem Rückfall bekam ich die Mitteilung, dass ich 5000 € von der ersten Soforthilfe und 2000 € aus der Künstlerhilfe zurückzahlen müsse. Das war für mich der Anfang vom Ende, zumindest fühlte es sich so an. Insgesamt stand da ein hoher 5-stelliger Betrag in Frage. Im Übrigen bekam ja meine Frau durch ihren Krankheitsstand auch kein volles Gehalt.
„Wie sollte ich das nur schaffen ?“

Was tat ich: Ich verdrängte alles vor mir selbst und meinen Liebsten. Ja sogar verleugnet habe ich meine Gefühle. Ich musste der Starke sein, meine Schuld einlösen und endlich mal für meine Frau da sein. Sie war doch schon so oft für mich da. Das ging soweit, dass ich auch nicht in der Lage war, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Auch meinen erwachsenen Kindern und meinen 3 besten Freunden konnte ich mich nicht öffnen, was ich zuvor immer getan hatte.
Meine Frau wäre ja ebenso direkt davon betroffen gewesen. Ich konnte das nicht erzählen, musste es mit mir selbst ausmachen. Sie litt ja schon genug unter der Krankheit. Ich war gefangen in mir selbst.

Weder in der Therapie noch in der Nachsorge, hatte ich so eine Situation auf dem Schirm. Ich musste im sozialen Umfeld auch bei weitem nie an meine Grenze gehen. Also setzte ich meinen Selbstanspruch unbewusst wieder auf ein nicht zu erreichendes Maß. => alte Gefühls – und Verhaltensmuster, die in dieser Art bis dahin nie aufgetreten waren.
Die Übernahme vieler Aufgaben meiner Frau und die schon vorhandenen Aufgaben im sozialen Umfeld taten ihr restliches, um mich gänzlich zu überfordern. Hierzu gehörten die Versorgung meiner Eltern, die 100km entfernt von mir wohnen (Einzelkind), das Kümmern um meine demenzkranke Schwiegermutter, Haushalt, Garten etc. und natürlich nicht zuletzt die Versorgung und Unterstützung meiner Frau.

Bis zum Rückfall dauerte es 2 Jahre in denen ich mich in zunehmenden Maße überfordert und somit gequält hatte. Und ich sehe das überhaupt nicht aus der Opferrolle, sondern aus heutiger Sicht hätte es auch damals schon Alternativen und Strategien gegeben, dem entgegenzuwirken. Ich war einfach nicht darauf vorbereitet. Für einen Alkoholiker fatal.
 
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