12. Warum haben Sie getrunken? (Innere + äußere Motive)
In meiner persönlichen Aufarbeitung der Trunkenheitsfahrt und der Umstände, die auf lange Sicht dazu geführt haben, dass ich so viel Alkohol konsumiert habe und dadurch überhaupt erst in der Lage war, mit ca. 1,9 Promille noch aufs Fahrrad steigen zu können, habe ich mehrere Dinge in Bezug auf meine Trinkmotivation herausarbeiten können. Zwei ganz wesentliche Punkte dabei sind zum einen meine Stressanfälligkeit sowie die Schwierigkeiten abzuschalten. Dabei komme ich nicht umhin, die äußeren und inneren Motive miteinander verknüpft darzustellen.
Stress durch hohen Ehrgeiz (endogene Faktoren):
Seitdem ich messbare Leistungen gegenüber einer anderen Person oder Institution erbringen musste (Schule, Zivildienst, Ausbildung, Studium, wiss. Tätigkeiten), habe ich immer einen hohen Ehrgeiz an den Tag gelegt, um möglichst gut abzuschneiden. Dabei habe ich häufig viel mehr investiert und mich selbst unnötig stark unter Druck gesetzt, mehr als eigentlich nötig oder von mir gefordert war. Durch den hohen Arbeitseinsatz habe ich neben einem guten Abitur (2,0) dann meine Ausbildung zum Umwelttechniker mit Auszeichnung beendet und auch mein Studium mit sehr gut (1,2) abgeschlossen.
Den Hintergrund dieses übersteigerten Ehrgeizes habe ich mir in den vergangenen Monaten in vielen Gesprächen mit meiner Mutter, meiner Schwester und dem Verkehrspsychologen nun näher erklären können: Ich wollte dem beruflich häufig abwesenden Vater durch die guten Leistungen vermutlich ein erfolgreicher und guter Sohn sein, um von ihm Anerkennung zu bekommen, welche ich ja in seiner häufigen dienstlich bedingten Abwesenheit nicht bekommen konnte und wohl auch vermisst habe.
Dieses Verhalten aus der frühen Jugendzeit habe ich augenscheinlich verinnerlicht und anschließend in den späteren Jahren wohl auch auf andere Bereiche des Lebens unbewusst übertragen (Abitur, Studium etc.). Im Ergebnis war ich dauerhaft mit überhohem Einsatz unterwegs, zumindest was meine beruflichen Leistungen anbetrifft.
So wollte ich auch nach dem mit sehr gut abgeschlossenen Studium meine wiss. und freiberuflichen Projekte einschließlich Doktorarbeit mit Bravour parallel absolvieren. Doch zumindest die Doktorarbeit, die auf Kosten meiner gut laufenden Drittmittelprojekte sowie den freiberuflichen Aufträgen aus zeitlichen Gründen zurückstand, verzögerte sich trotz des großen Ehrgeizes, auch meine Doktorarbeit erfolgreich und in bester Qualität voranzubringen, mehr und mehr. Dies hat mich persönlich sehr frustriert, da der Anspruch an die mir so wichtige Doktorarbeit und die Wirklichkeit zunehmend auseinanderklafften.
Stress durch externe Faktoren (exogene Faktoren):
Neben dem genannten Ehrgeiz kamen ab dem Studium, seit dem sich ja auch die Trinkmengen nach und nach gesteigert hatten, auch noch greifbare externe Sachzwänge/Erschwernisse hinzu in Form von finanziellen Engpässen und familiären Problem. Da ich erstens wegen mangelnden Geldes aus dem Elternhaus (nicht akademischer Hintergrund - anderweitige Verbindlichkeiten bzw. Verpflichtungen) kaum Geld bekam, mir auf der anderen Seite aber wegen des auf dem Papier eigentlich ausreichenden Einkommens der Eltern relativ wenig BAFöG zugesprochen wurde, musste ich neben dem von mir selbst auferlegten intensiven Studium noch zusätzlich sehr viel arbeiten, sowohl in den Semesterferien als auch als HiWi im Studienbetrieb selbst. In der Folge war ich neben dem hohen Einsatz bei der Absolvierung meines Studiums nun auch durch viele zum finanziellen Überleben erforderliche Nebentätigkeiten dauerhaft über die Maßen beansprucht.
In der Folge habe ich, fatalerweise ohne dies zu erkennen, den Alkohol in netter Gesellschaft zunehmend als eine Möglichkeit der Entspannung und auch als eine Art zweifelhafte Belohnung für die guten Leistungen und Teilziele, die ich trotz aller hohen Belastungen durchweg immer erbracht und erreicht habe, eingesetzt und damit am Wochenende versucht, mir eine spaßmachende Abwechslung zu verschaffen, anstatt mir selbst etwas nachhaltiges Gutes zu tun, nämlich mich zu entspannen und körperlich zu erholen von den großen Strapazen.
Zu allem Überfluss wurde dann auch noch mein Vater schwer krank und starb nach fast zwei Jahren, weswegen ich häufig zu Hause war und sich dadurch mein Studium verzögerte inkl. Wegfall des BAFöGs. Aus diesem Grund musste ich noch mehr arbeiten und mich zudem noch weiter verschulden (Bildungskredit, Onkel angepumpt), um mein Studium überhaupt zu Ende zu bekommen, was mir persönlich ja so überaus wichtig war. Als Ausgleich für die immer weiter zunehmenden Beanspruchungen, von denen ich auch am Wochenende nicht richtig abschalten konnte, habe ich dann das Prinzip des verdrängenden Feierns an ausgewählten Wochenenden immer weiter fortgeführt, ohne dies zu reflektieren.
Nach dem Umzug nach Köln und der dortigen Dreifachbelastung aus Beruf, Promotion und freiberuflicher Tätigkeit erhöhte sich das Stressempfinden weiter, als ich ab ca. 2010 auch noch dauerhaften Baulärm zu Hause zu ertragen hatte. Auch war das soziale Wohnumfeld als schlecht zu beurteilen, da ich aufgrund meiner geringen Geldmittel (halbe Stelle) und des bereits laufenden Schuldenabbaus aus dem Studium (BAFöG, Bildungskredit, Onkel) in ein günstiges aber sozial schwaches Viertel gezogen war und dort nun im Grunde festsaß, wollte ich nicht das Doppelte in einem besseren Viertel bezahlen oder selbst in eine WG ziehen. Letzteres war jedoch noch nie mein Wunsch (obwohl ich WGs als Besucher doch sehr mochte), da ich ohnehin schon schlecht abschalten konnte und daher weiter alleine wohnen wollte.
Die allgemeine Stressbelastung war summa summarum somit noch höher als während des Studiums, infolgedessen dann auch die Mengen an Alkohol insgesamt nochmal zugenommen haben, um an manchen Wochenende "mal richtig" entspannen und abschalten zu können. Dadurch wiederum war ich noch unausgeglichener, weswegen mir dann letztlich die Kraft dazu fehlte, mir an den freien Tagen nachhaltig Gedanken über eine Veränderung meiner doch recht prekären Situation zu machen.
Ein erster Schritt dazu war jedoch, dass ich meinem Chef die Übereinkunft abgerungen hatte, zurück in meine Heimatstadt zu ziehen und von dort aus bei 2 Tagen Anwesenheit in Köln home office machen zu dürfen. Dieser Schritt war mit der Hoffnung verbunden, durch die räumliche Veränderung erstens mehr Ruhe (kein Baulärm und Lärm von Nachbarn mehr) und zweitens mehr Zeit für das Promotionsvorhaben zur Verfügung zu haben. Ersteres hatte sich zum Glück bestätigt, auch konnte ich zurück in der Kleinstadt meine Ausgaben allgemein deutlich senken.
Zweiteres hat sich jedoch nicht bewahrheitet, da ich eine Vertragsverlängerung in einem neuen, noch arbeitsintensiveren Projekt erhalten hatte, wovon mir mein Chef jedoch im Vorfeld nicht mitgeteilt hatte, was dort auf mich an Arbeitsbelastungen zukommen würde. Dadurch wurde ich durch die neuerlichen Projekttätigkeiten noch mehr beansprucht als zuvor, weswegen ich noch weniger Zeit für meine Dissertation aufbringen konnte. Dies frustrierte mich zutiefst und führte dazu, dass ich keinen Abstand von meinem bisherigen Trinkverhalten am Wochenende nahm. Das Ende ist bekannt.
Die Quintessence aus dem oben Dargestellten ist: Ich habe mich selbst über Jahre hinweg zu sehr unter Druck gesetzt und auch waren die externen beruflichen und finanziellen Belastungen in meinen Augen überdurchschnittlich hoch, zumindest was die Umstände während und nach meinem Studium anbetrifft im Vergleich z.B. zu Menschen, die aus einem gut situierten Elternhaus kommen.
Weiter habe ich die Gefahr meines an ausgewählten Wochenenden praktizierten, jedoch über einen sehr langen Zeitraum hinweg gesteigerten Alkoholkonsums massiv unterschätz bzw. nicht als eine Gefahr für mich und andere wahrgenommen, da ich alle meine mir gesetzten Teilziele immer mit gutem bis sehr gutem Ergebnis erreicht hatte und auch keine zwischenmenschlichen Beziehungen Schaden genommen hatten, denen ich meinen Alkoholkonsum hätte zurechnen können.
13. Welche Wirkung haben Sie in der Vergangenheit nach Alkoholgenuss bei sich beobachtet? (bei wenig und bei viel Alkohol)
Bei wenig Alkohol stellte sich eine zunächst aufmunternde und redselig machende Wirkung ein, deren Eintrittsschwelle im Laufe der Zeit jedoch immer später erreicht wurde. Bei höheren Mengen setze eine zunehmende Entspannung ein, bis diese schließlich häufig in Müdigkeit umschlug. Bei sehr hohen Mengen kamen dann noch Konzentrationsschwierigkeiten hinzu, was z.B. das Zuhören bei Gesprächen sowie die eigene Teilnahme daran betraf.
14. Gab es kritische Hinweise Anderer auf Ihren Alkoholkonsum und wie haben Sie darauf reagiert?
Meine Freundin hatte in der Zeit, nachdem ich wieder zurück in meine Geburtsstadt gezogen war und wir uns dadurch bedingt wieder sehr oft sahen, ein paar mal die Verwunderung ausgedrückt, wieviel Alkohol ich manchmal trinken würde. Ich habe dies zur Kenntnis genommen, aber nur beiläufig kommentiert und bin nicht weiter darauf eingegangen. Ansonsten wurde ich nicht auf meinen Alkoholkonsum angesprochen, außer durch die Beamten am Abend der Trunkenheitsfahrt.
15. Welche Auswirkungen und Folgen hatte Ihr Alkoholkonsum auf Ihr Leben und Ihr Umfeld?
Ich hatte in der Vergangenheit an den Wochenenden, an denen ich viel getrunken hatte, sehr häufig das Gefühl der Entspannung vom stressigen Alltag. Ich war gut gelaunt beim Trinken, habe die Seele vermeintlich baumeln lassen und war oft bis spät nachts unterwegs mit Freunden und Bekannten. An den Tagen danach war ich dann dadurch jedoch meist sehr erschöpft und habe dann den Tag über nichts weiter gemacht als zu duschen, auf dem Sofa vor dem Fernseher zu liegen und etwas zu essen. Häufig war der Start in die Arbeitswoche dann in einem körperlich unausgeruhten Zustand, wenn ich sehr viel getrunken hatte.
16. Gab es in Ihrem bisherigen Leben frühere Zeiten, in denen sie weit mehr Alkohol als heute getrunken haben? Wenn ja, nennen sie bitte die Lebensabschnitte und mögliche Ursachen und Umstände dafür.
Ja, allgemein lag der Alkoholkonsum ab etwa ab Beginn des Studiums deutlich über dem Maße des heutigen Alkoholkonsums. Je näher ich an die Gegenwart rücke, um so höher waren die an ausgewählten Wochenenden konsumierten Mengen bis hin zu dem Tag, an dem die Trunkenheitsfahrt stattfand.
17. Haben sie jemals die Kontrolle über ihre Trinkmenge verloren und bis zur Volltrunkenheit Alkohol konsumiert?
Nein. Lediglich einen Anlass habe ich Erinnerung, der mit nennenswert erscheint: Am Abend meiner Abiturabschlussfeier trank ich so viel bzw. durcheinander, dass ich mich übergeben musste. Allerdings hatte ich keine Erinnerungslücken und bin auch nicht gestürzt oder irgendwo liegen geblieben. Ich habe mich damals von den Eltern einer Freundin, die diese abgeholt hatten, mit nach Hause nehmen lassen.
18. Haben Sie früher schon einmal oder öfter über einen längeren Zeitraum bewusst und mit Absicht völlig auf den Genuss von Alkohol verzichtet?
Ja, vor der Beendigung meiner Ausbildung, den Klausurenblöcken im Studium, dem Vordiplom sowie dem etwas länger andauernden Abschluss des Studiums (Abschlussarbeit, Abschlussprüfung) bin ich sehr viel weniger weggegangen und habe wegen der punktuell extremen Arbeitsbeanspruchung gar keinen Alkohol getrunken. Die längste Abstinenz hatte ich dabei im Rahmen meiner Abschlussarbeit, in deren Haupt-/Endphase ich ca. 3 Monate gar nichts getrunken hatte. Vor den Klausurenblöcken waren es in der Regel ca. 4 Wochen.
19. In welcher Kategorie von Trinker haben sie sich früher gesehen und wie stufen Sie sich heute rückblickend ein? (mit Begründung)
Ich habe mich früher in gar keiner Kategorie als Trinker gesehen, sondern war in der Annahme, dass ich mit Alkohol vernünftig umgehen würde. Dabei war ein wesentliches Kriterium, dass ich ja beruflich wie privat all meinen Verpflichtungen und/oder Anforderung nachgekommen bin und ausschließlich nur am Wochenende große Mengen Alkohol getrunken habe. So bin ich z.B. nie zu spät zur Arbeit gekommen, bin durch keine Tests oder Klausuren gefallen, habe meine Arbeitspflichten auch im Alltag fast ausschließlich zur vollsten Zufriedenheit Dritter erledigt. Und auch am Wochenende habe ich z.B. keine Umzüge von Freunden sausen lassen oder alkoholbedingt wegen eines Katers Verabredungen abgesagt. Zudem bin ich meinen Freunden und Bekannten nie als aggressiv, hilflos (lallend, liegend etc.) aufgefallen. Dies hat mich in der damaligen Wahrnehmung bestärkt, dass ich keinen nennenswerten oder risikobehafteten Alkoholkonsum praktiziert habe.
Rückblickend sehe ich es mittlerweile jedoch so, dass ich durchaus einen missbräuchlichen Konsum betrieben habe insbesondere mit Blick auf die häufig wiederkehrenden und sich auch im Laufe der Zeit gesteigerten konsumierten Mengen. Auch der Umstand, dass ich alkoholbedingt durch die Trunkenheitsfahrt eine (bzw. vermutlich durch die Polizei jedoch nicht aufgedeckte mehrere) Straftat(en) begangen habe, spricht für mich für einen problematischen Umgang mit Alkohol in der Vergangenheit, dem ich in der Zeit nach der Trunkenheitsfahrt nun abgeschworen habe.
In meiner persönlichen Aufarbeitung der Trunkenheitsfahrt und der Umstände, die auf lange Sicht dazu geführt haben, dass ich so viel Alkohol konsumiert habe und dadurch überhaupt erst in der Lage war, mit ca. 1,9 Promille noch aufs Fahrrad steigen zu können, habe ich mehrere Dinge in Bezug auf meine Trinkmotivation herausarbeiten können. Zwei ganz wesentliche Punkte dabei sind zum einen meine Stressanfälligkeit sowie die Schwierigkeiten abzuschalten. Dabei komme ich nicht umhin, die äußeren und inneren Motive miteinander verknüpft darzustellen.
Stress durch hohen Ehrgeiz (endogene Faktoren):
Seitdem ich messbare Leistungen gegenüber einer anderen Person oder Institution erbringen musste (Schule, Zivildienst, Ausbildung, Studium, wiss. Tätigkeiten), habe ich immer einen hohen Ehrgeiz an den Tag gelegt, um möglichst gut abzuschneiden. Dabei habe ich häufig viel mehr investiert und mich selbst unnötig stark unter Druck gesetzt, mehr als eigentlich nötig oder von mir gefordert war. Durch den hohen Arbeitseinsatz habe ich neben einem guten Abitur (2,0) dann meine Ausbildung zum Umwelttechniker mit Auszeichnung beendet und auch mein Studium mit sehr gut (1,2) abgeschlossen.
Den Hintergrund dieses übersteigerten Ehrgeizes habe ich mir in den vergangenen Monaten in vielen Gesprächen mit meiner Mutter, meiner Schwester und dem Verkehrspsychologen nun näher erklären können: Ich wollte dem beruflich häufig abwesenden Vater durch die guten Leistungen vermutlich ein erfolgreicher und guter Sohn sein, um von ihm Anerkennung zu bekommen, welche ich ja in seiner häufigen dienstlich bedingten Abwesenheit nicht bekommen konnte und wohl auch vermisst habe.
Dieses Verhalten aus der frühen Jugendzeit habe ich augenscheinlich verinnerlicht und anschließend in den späteren Jahren wohl auch auf andere Bereiche des Lebens unbewusst übertragen (Abitur, Studium etc.). Im Ergebnis war ich dauerhaft mit überhohem Einsatz unterwegs, zumindest was meine beruflichen Leistungen anbetrifft.
So wollte ich auch nach dem mit sehr gut abgeschlossenen Studium meine wiss. und freiberuflichen Projekte einschließlich Doktorarbeit mit Bravour parallel absolvieren. Doch zumindest die Doktorarbeit, die auf Kosten meiner gut laufenden Drittmittelprojekte sowie den freiberuflichen Aufträgen aus zeitlichen Gründen zurückstand, verzögerte sich trotz des großen Ehrgeizes, auch meine Doktorarbeit erfolgreich und in bester Qualität voranzubringen, mehr und mehr. Dies hat mich persönlich sehr frustriert, da der Anspruch an die mir so wichtige Doktorarbeit und die Wirklichkeit zunehmend auseinanderklafften.
Stress durch externe Faktoren (exogene Faktoren):
Neben dem genannten Ehrgeiz kamen ab dem Studium, seit dem sich ja auch die Trinkmengen nach und nach gesteigert hatten, auch noch greifbare externe Sachzwänge/Erschwernisse hinzu in Form von finanziellen Engpässen und familiären Problem. Da ich erstens wegen mangelnden Geldes aus dem Elternhaus (nicht akademischer Hintergrund - anderweitige Verbindlichkeiten bzw. Verpflichtungen) kaum Geld bekam, mir auf der anderen Seite aber wegen des auf dem Papier eigentlich ausreichenden Einkommens der Eltern relativ wenig BAFöG zugesprochen wurde, musste ich neben dem von mir selbst auferlegten intensiven Studium noch zusätzlich sehr viel arbeiten, sowohl in den Semesterferien als auch als HiWi im Studienbetrieb selbst. In der Folge war ich neben dem hohen Einsatz bei der Absolvierung meines Studiums nun auch durch viele zum finanziellen Überleben erforderliche Nebentätigkeiten dauerhaft über die Maßen beansprucht.
In der Folge habe ich, fatalerweise ohne dies zu erkennen, den Alkohol in netter Gesellschaft zunehmend als eine Möglichkeit der Entspannung und auch als eine Art zweifelhafte Belohnung für die guten Leistungen und Teilziele, die ich trotz aller hohen Belastungen durchweg immer erbracht und erreicht habe, eingesetzt und damit am Wochenende versucht, mir eine spaßmachende Abwechslung zu verschaffen, anstatt mir selbst etwas nachhaltiges Gutes zu tun, nämlich mich zu entspannen und körperlich zu erholen von den großen Strapazen.
Zu allem Überfluss wurde dann auch noch mein Vater schwer krank und starb nach fast zwei Jahren, weswegen ich häufig zu Hause war und sich dadurch mein Studium verzögerte inkl. Wegfall des BAFöGs. Aus diesem Grund musste ich noch mehr arbeiten und mich zudem noch weiter verschulden (Bildungskredit, Onkel angepumpt), um mein Studium überhaupt zu Ende zu bekommen, was mir persönlich ja so überaus wichtig war. Als Ausgleich für die immer weiter zunehmenden Beanspruchungen, von denen ich auch am Wochenende nicht richtig abschalten konnte, habe ich dann das Prinzip des verdrängenden Feierns an ausgewählten Wochenenden immer weiter fortgeführt, ohne dies zu reflektieren.
Nach dem Umzug nach Köln und der dortigen Dreifachbelastung aus Beruf, Promotion und freiberuflicher Tätigkeit erhöhte sich das Stressempfinden weiter, als ich ab ca. 2010 auch noch dauerhaften Baulärm zu Hause zu ertragen hatte. Auch war das soziale Wohnumfeld als schlecht zu beurteilen, da ich aufgrund meiner geringen Geldmittel (halbe Stelle) und des bereits laufenden Schuldenabbaus aus dem Studium (BAFöG, Bildungskredit, Onkel) in ein günstiges aber sozial schwaches Viertel gezogen war und dort nun im Grunde festsaß, wollte ich nicht das Doppelte in einem besseren Viertel bezahlen oder selbst in eine WG ziehen. Letzteres war jedoch noch nie mein Wunsch (obwohl ich WGs als Besucher doch sehr mochte), da ich ohnehin schon schlecht abschalten konnte und daher weiter alleine wohnen wollte.
Die allgemeine Stressbelastung war summa summarum somit noch höher als während des Studiums, infolgedessen dann auch die Mengen an Alkohol insgesamt nochmal zugenommen haben, um an manchen Wochenende "mal richtig" entspannen und abschalten zu können. Dadurch wiederum war ich noch unausgeglichener, weswegen mir dann letztlich die Kraft dazu fehlte, mir an den freien Tagen nachhaltig Gedanken über eine Veränderung meiner doch recht prekären Situation zu machen.
Ein erster Schritt dazu war jedoch, dass ich meinem Chef die Übereinkunft abgerungen hatte, zurück in meine Heimatstadt zu ziehen und von dort aus bei 2 Tagen Anwesenheit in Köln home office machen zu dürfen. Dieser Schritt war mit der Hoffnung verbunden, durch die räumliche Veränderung erstens mehr Ruhe (kein Baulärm und Lärm von Nachbarn mehr) und zweitens mehr Zeit für das Promotionsvorhaben zur Verfügung zu haben. Ersteres hatte sich zum Glück bestätigt, auch konnte ich zurück in der Kleinstadt meine Ausgaben allgemein deutlich senken.
Zweiteres hat sich jedoch nicht bewahrheitet, da ich eine Vertragsverlängerung in einem neuen, noch arbeitsintensiveren Projekt erhalten hatte, wovon mir mein Chef jedoch im Vorfeld nicht mitgeteilt hatte, was dort auf mich an Arbeitsbelastungen zukommen würde. Dadurch wurde ich durch die neuerlichen Projekttätigkeiten noch mehr beansprucht als zuvor, weswegen ich noch weniger Zeit für meine Dissertation aufbringen konnte. Dies frustrierte mich zutiefst und führte dazu, dass ich keinen Abstand von meinem bisherigen Trinkverhalten am Wochenende nahm. Das Ende ist bekannt.
Die Quintessence aus dem oben Dargestellten ist: Ich habe mich selbst über Jahre hinweg zu sehr unter Druck gesetzt und auch waren die externen beruflichen und finanziellen Belastungen in meinen Augen überdurchschnittlich hoch, zumindest was die Umstände während und nach meinem Studium anbetrifft im Vergleich z.B. zu Menschen, die aus einem gut situierten Elternhaus kommen.
Weiter habe ich die Gefahr meines an ausgewählten Wochenenden praktizierten, jedoch über einen sehr langen Zeitraum hinweg gesteigerten Alkoholkonsums massiv unterschätz bzw. nicht als eine Gefahr für mich und andere wahrgenommen, da ich alle meine mir gesetzten Teilziele immer mit gutem bis sehr gutem Ergebnis erreicht hatte und auch keine zwischenmenschlichen Beziehungen Schaden genommen hatten, denen ich meinen Alkoholkonsum hätte zurechnen können.
13. Welche Wirkung haben Sie in der Vergangenheit nach Alkoholgenuss bei sich beobachtet? (bei wenig und bei viel Alkohol)
Bei wenig Alkohol stellte sich eine zunächst aufmunternde und redselig machende Wirkung ein, deren Eintrittsschwelle im Laufe der Zeit jedoch immer später erreicht wurde. Bei höheren Mengen setze eine zunehmende Entspannung ein, bis diese schließlich häufig in Müdigkeit umschlug. Bei sehr hohen Mengen kamen dann noch Konzentrationsschwierigkeiten hinzu, was z.B. das Zuhören bei Gesprächen sowie die eigene Teilnahme daran betraf.
14. Gab es kritische Hinweise Anderer auf Ihren Alkoholkonsum und wie haben Sie darauf reagiert?
Meine Freundin hatte in der Zeit, nachdem ich wieder zurück in meine Geburtsstadt gezogen war und wir uns dadurch bedingt wieder sehr oft sahen, ein paar mal die Verwunderung ausgedrückt, wieviel Alkohol ich manchmal trinken würde. Ich habe dies zur Kenntnis genommen, aber nur beiläufig kommentiert und bin nicht weiter darauf eingegangen. Ansonsten wurde ich nicht auf meinen Alkoholkonsum angesprochen, außer durch die Beamten am Abend der Trunkenheitsfahrt.
15. Welche Auswirkungen und Folgen hatte Ihr Alkoholkonsum auf Ihr Leben und Ihr Umfeld?
Ich hatte in der Vergangenheit an den Wochenenden, an denen ich viel getrunken hatte, sehr häufig das Gefühl der Entspannung vom stressigen Alltag. Ich war gut gelaunt beim Trinken, habe die Seele vermeintlich baumeln lassen und war oft bis spät nachts unterwegs mit Freunden und Bekannten. An den Tagen danach war ich dann dadurch jedoch meist sehr erschöpft und habe dann den Tag über nichts weiter gemacht als zu duschen, auf dem Sofa vor dem Fernseher zu liegen und etwas zu essen. Häufig war der Start in die Arbeitswoche dann in einem körperlich unausgeruhten Zustand, wenn ich sehr viel getrunken hatte.
16. Gab es in Ihrem bisherigen Leben frühere Zeiten, in denen sie weit mehr Alkohol als heute getrunken haben? Wenn ja, nennen sie bitte die Lebensabschnitte und mögliche Ursachen und Umstände dafür.
Ja, allgemein lag der Alkoholkonsum ab etwa ab Beginn des Studiums deutlich über dem Maße des heutigen Alkoholkonsums. Je näher ich an die Gegenwart rücke, um so höher waren die an ausgewählten Wochenenden konsumierten Mengen bis hin zu dem Tag, an dem die Trunkenheitsfahrt stattfand.
17. Haben sie jemals die Kontrolle über ihre Trinkmenge verloren und bis zur Volltrunkenheit Alkohol konsumiert?
Nein. Lediglich einen Anlass habe ich Erinnerung, der mit nennenswert erscheint: Am Abend meiner Abiturabschlussfeier trank ich so viel bzw. durcheinander, dass ich mich übergeben musste. Allerdings hatte ich keine Erinnerungslücken und bin auch nicht gestürzt oder irgendwo liegen geblieben. Ich habe mich damals von den Eltern einer Freundin, die diese abgeholt hatten, mit nach Hause nehmen lassen.
18. Haben Sie früher schon einmal oder öfter über einen längeren Zeitraum bewusst und mit Absicht völlig auf den Genuss von Alkohol verzichtet?
Ja, vor der Beendigung meiner Ausbildung, den Klausurenblöcken im Studium, dem Vordiplom sowie dem etwas länger andauernden Abschluss des Studiums (Abschlussarbeit, Abschlussprüfung) bin ich sehr viel weniger weggegangen und habe wegen der punktuell extremen Arbeitsbeanspruchung gar keinen Alkohol getrunken. Die längste Abstinenz hatte ich dabei im Rahmen meiner Abschlussarbeit, in deren Haupt-/Endphase ich ca. 3 Monate gar nichts getrunken hatte. Vor den Klausurenblöcken waren es in der Regel ca. 4 Wochen.
19. In welcher Kategorie von Trinker haben sie sich früher gesehen und wie stufen Sie sich heute rückblickend ein? (mit Begründung)
Ich habe mich früher in gar keiner Kategorie als Trinker gesehen, sondern war in der Annahme, dass ich mit Alkohol vernünftig umgehen würde. Dabei war ein wesentliches Kriterium, dass ich ja beruflich wie privat all meinen Verpflichtungen und/oder Anforderung nachgekommen bin und ausschließlich nur am Wochenende große Mengen Alkohol getrunken habe. So bin ich z.B. nie zu spät zur Arbeit gekommen, bin durch keine Tests oder Klausuren gefallen, habe meine Arbeitspflichten auch im Alltag fast ausschließlich zur vollsten Zufriedenheit Dritter erledigt. Und auch am Wochenende habe ich z.B. keine Umzüge von Freunden sausen lassen oder alkoholbedingt wegen eines Katers Verabredungen abgesagt. Zudem bin ich meinen Freunden und Bekannten nie als aggressiv, hilflos (lallend, liegend etc.) aufgefallen. Dies hat mich in der damaligen Wahrnehmung bestärkt, dass ich keinen nennenswerten oder risikobehafteten Alkoholkonsum praktiziert habe.
Rückblickend sehe ich es mittlerweile jedoch so, dass ich durchaus einen missbräuchlichen Konsum betrieben habe insbesondere mit Blick auf die häufig wiederkehrenden und sich auch im Laufe der Zeit gesteigerten konsumierten Mengen. Auch der Umstand, dass ich alkoholbedingt durch die Trunkenheitsfahrt eine (bzw. vermutlich durch die Polizei jedoch nicht aufgedeckte mehrere) Straftat(en) begangen habe, spricht für mich für einen problematischen Umgang mit Alkohol in der Vergangenheit, dem ich in der Zeit nach der Trunkenheitsfahrt nun abgeschworen habe.