Wieso passiert das nicht wieder?
30. Hätten sie, rückblickend, eine Drogenkarriere verhindern können?
Ja hätte ich. Ich hätte viel früher reflektieren sollen, wohin mein Leben geben soll, welche Wünsche und Ziele ich verfolgen möchte und mich viel früher mit meinen Defiziten und Problemen hinsichtlich meines Selbstbewusstseins, meiner Schulischen und Beruflichen Zukunft auseinander setzten sollen und früher meine Sorgen und Ängste in offenen Gesprächen kommunizieren sollen. Drogen waren nie Lösung, sondern haben alles nur noch schlimmer gemacht.
31. Wieso haben Sie sich für eine Abstinenz entschieden?
Weil es für mich der einzige Weg für eine sichere und Stabile Zukunft ist. Ich habe so viel durch den Drogenkonsum versäumt in meinem Leben und viel dadurch verpasst. Ich wollte die Kontrolle über mein Leben zurückgewinnen. Und nie wieder in alte Konsumgewohnheiten zurückfallen. Ich habe mit dem Beginn der Abstinenz das erste Mal seit fast 10 Jahren Verantwortung für mein Leben und meine Entscheidungen übernommen und es gibt keinen Tag, in dem ich diese Entscheidung in Frage gestellt habe.
32. Beschreiben Sie den Punkt, an dem Sie sich für ein abstinentes Leben entschieden haben (Knackpunkt)
Als die ersten Briefe von der FFS kamen ging ich mit meinem Vater zu einem Verkehrsrechtsanwalt, um die Optionen zu Prüfen und mich beraten zu lassen. Im Gespräch mit diesem sollte ich meine Konsumhistorie grob schildern. Es war so beschämend für mich neben meinem Vater, der mich sogar in diesem Moment unterstützt hat, den Umfang meines Drogenmissbrauchs zu erläutern. Als das Gespräch vorbei war Fuhren wir los und anstatt direkt nach hause zu fahren fuhr mein Vater mit mir ans Grab meiner Oma. Ich war niedergeschlagen, es war der Tiefpunkt meines Lebens. Wir standen am Grab und mein Vater fragte mich, ob ich auch diesen Weg weitergehen möchte. (Meine Oma trank viel Alkohol bis zu Ihrem Frühen Tod) Anschließend führten wir zuhause ein sehr intensives Gespräch mit meiner Mutter über meine Vergangenheit und was jetzt auf mich zukommt. Seitdem habe ich nie wieder konsumiert.
33. Wieso kommt für Sie nur Abstinenz und nicht für gelegentlicher Konsum in Betracht?
Weil es für mich keinen gelegentlichen Konsum auf Dauer geben kann. Außerdem ist die Abstinenz für mich der Schlüssel zu einer stabilen, selbstbestimmten Zukunft. Selbst ein einziger Konsum steht in Konflikt zu meinen Zielen und Wünschen im Leben. Das, was ich mir seit der Entscheidung der Abstinenz in meinem Leben aufgebaut habe, beispielsweise mein Abschluss des Studiums oder die gute Beziehung zu meinen Eltern und zu meiner Schwester, würde ich für keine Droge mehr aufs Spiel setzten. Die Beziehung, die ich seit fast 2 Jahren führe, ist für mich sehr wichtig und könnte mit Drogenkonsum niemals bestehen bleiben. Ich frage mich oft, wo ich jetzt im Leben stehen würde, wenn ich nie mit dem Drogenkonsum angefangen hätte. Auch möchte ich niemals wieder in meine Alten ungesunden Denkmuster und dem damit verbundenen Selbstbild zurückfallen. Ich möchte mit klarem Kopf den Herausforderungen des Lebens begegnen. Ich akzeptiere mittlerweile auch das es nicht immer perfekt im Leben läuft, und ich mein eigens Tempo habe.
34. Wie haben Sie die Umstellung zur Abstinenz erlebt?
Den Prozess habe ich durchweg positiv erlebt. Die ersten 2 Wochen nach Konsumstopp waren sehr fordernd für mich. Mit Kokain hatte ich bereits seit dem Tag der Auffälligkeit aufgehört.
Cannabis konsumierte ich weiter bis zum oben genannten Knackpunkt, um mich von den Folgen und Konsequenzen abzulenken und meine Minderwertigkeitsgefühle weiter zu unterdrücken. In den Wochen nach Konsumstopp hatte ich Schlaf Probleme und war sehr unruhig und teils sogar ängstlich und verzweifelt. Ich wurde auf einmal mit allen meinen Defiziten, die ich durch meinen Drogenkonsum immer unterdrückt habe (Selbstwertgefühl, unselbstständigkeit,Zukunftsängste) auf einmal konfrontiert.
Ich wohnte zu der Zeit in einer eigenen Kleinen Studentenwohnung und musste erstmal lernen, selbstständig einen Haushalt zu bewältigen das war anfangs sehr herausfordernd. In den Jahren, wo ich noch zuhause gewohnt habe, musste ich keine Wäsche waschen, den Müll nicht rausbringen, die Küche aufräumen. Aber auch beispielsweise keine Stromrechnung selbst überweisen. Ich hatte zu meinem Abstinenzbeginn seit 3 Monaten nicht mehr meine Post geöffnet und ca. 2 Wochen nach dem Abstinenzbeginn war auf einmal mein Strom abgestellt. Die Zeit war einerseits sehr herausfordernd, da ich auf einmal selbstständig mein Leben und meine Aufgaben zu Hause und in der Hochschule organisieren musste, gleichzeitig merkte ich, als ich anfing mehr Verantwortung für mich zu übernehmen, dass mein Selbstbewusstsein durch diesen Prozess gesteigert wurde.
In den Jahren meines Konsums war ich nie leistungsfähig, weil ich immer unter den Nachwirkungen des Drogenkonsums stand. Meine Leistungen in der Hochschule wurden immer besser und in dem Zeiten, wo ich vorher Drogen konsumiert habe, erledigte ich während der Hochschulzeit meine Vorbereitung auf Klausuren oder widmete mich neuen Interessen wie Kochen oder Sport und andere Aktivitäten mit meinen Kommilitonen.
Als ich im Sommer 2023 meine jetzige Freundin kennen gelernt habe, wurde mir bewusst das ich in den Jahren davor gar keine Beziehung hätte führen können. Ich war durch den Drogenkonsum so unselbstständig und unzufrieden mit mir selbst das ich gar keine Verantwortung für eine Beziehung hätte übernehmen können. In der Partnerschaft habe ich gelernt Verantwortung zu übernehmen und verlässlich für meine Freundin zu sein. Das hat meinem Selbstbewusstsein sehr gutgetan. Natürlich war ich auch stolz endlich eine Freundin zu haben. Das hat mich privat wie in der Uni sehr gepusht.
Mit der Zeit und den kleinen persönlichen Erfolgen wurde mir immer mehr bewusst wie sehr ich meine Eltern in den Jahren davor von mir weggestoßen habe und wie viel sie für mich getan haben. Das hat mich anfangs sehr belastet und tut es auch heute noch. Jedoch habe ich heute ein besseres Verhältnis zu Ihnen, als ich es jemals gehabt habe. Wir können offen miteinander reden und es gibt auch keinen Groll mehr zwischen uns.
35. Wer hat Ihnen dabei wie geholfen?
Am meisten hat mich meine Familie unterstützt. Seit der Aussprache mit Ihnen war ging das Verhältnis immer mehr bergauf. Auch lernte ich im Sommer 2023 meine jetzige Freundin kennen, Sie hat mich auch sehr dabei unterstützt in der Zeit des Studiums, wir Wohnen seit Januar 2024 (Anfang des Abstinenzkontrollprogramms) zusammen. Am wichtigsten war jedoch die Veränderung meiner Einstellung zu Drogen und wie ich mich selbst sehe, ich akzeptiere mittlerweile das mich Herausforderungen weiterbringen. Ohne die Einsicht das Drogen einen nur runterziehen und meine persönliche, berufliche, private Weiterentwicklung gestört haben hätte ich es nicht geschafft abstinent zu bleiben.
36. Wie reagiert Ihr Umfeld auf diese Umstellung?
Durchweg positiv, abseits der damaligen Drogenfreunden natürlich. Diese haben es nicht verstanden was in mir vorging als ich mich von Drogen abgewendet habe und versucht habe mein Leben wieder in die richtige Bahn zu lenken. Das Verhältnis zu meinen Eltern istseit dem offenen Gespräch nach dem Anwaltstermin in der Zeit danach immer besser und enger geworden. Heute ist es so gut wie es seit 10 Jahren nicht mehr. Wir unterstützen uns gegenseitig bei allem und haben immer ein Offenes Ohr füreinander. Seitdem ich meine Gefühle nicht mehr durch Drogenkonsum unterdrücke wirke ich auf mein Umfeld viel offener, kommunikativer und selbstsicherer, quasi alles, was ich durch den Drogenkonsum erreichen wollte. Meine Freundin hat mich erst nach meiner Abstinenz Entscheidung kennengelernt, jedoch weiß sie von meiner Vergangenheit und hat mich auch immer unterstützt.
37. Haben Sie nach der Auffälligkeit weiterhin Kontakt zu Ihren Drogenbekannten gehabt?
Anfangs ja, grade von November 2022 bis zu meinem Knackpunktmoment am 10.02.2023 mit der Abstinenzentscheidung habe ich noch viel mit dem Freundeskreis zu tun gehabt, da ich ja noch Cannabis konsumiert habe. Nach dem besagten Tag bei dem Verkehrsrechtanwalt blieb ich die ersten Monate am Wochenende auch in meiner Hochschulstadt, um den Kontakt zu meinen Drogenfreunden abzubrechen. Mir hat es geholfen erstmal nicht mehr in Koblenz zu sein und Somit fast 100km weit entfernt. Auch habe ich mit der Zeit immer mehr gemerkt, wie ich mich weiterentwickele und die Drogenfreunde immer stehen geblieben sind. Innerhalb einer Drogenclique ist leider immer das Hauptthema Drogen, auch wenn man das als Teil einer solchen Gruppe nicht zugeben will. Seit der Abstinenzentscheidung habe ich einen Cut gezogen und mich auch immer mehr mit neuen Freunden aus der Hochschule beschäftigt. Wir sind über die Hochschulzeit und deren Herausforderungen sehr stark als Gruppe zusammengewachsen. Sie zählen heute neben meiner Freundin und meinen Eltern zu meinen wichtigsten Bezugspersonen.
38. Haben Sie nach Ihrer Auffälligkeit miterlebt, wie Ihre Bekannten Drogen konsumiert haben?
Bis Zum 09.02.2023 Ja, danach nicht mehr.
39. Wie haben Sie in Zukunft vor mit Cannabis/dem Konsum umzugehen?
Für mich kommt nur die Fortführung meiner strikten Abstinenz in Frage. Ich habe seit meinem Knackpunktmoment am 10.02. keine Berührungspunkte mehr mit Drogen oder mit Menschen, die Drogen in meinem näheren Umfeld konsumieren. Sofern dies in der Zukunft der Fall sein sollte, werde ich die Situation verlassen. Ich fühle mich sehr wohl mit dem Lebenswandel der letzten 2 Jahre und bin stolz auf das, was ich für meine Zukunft beruflich und vor allem persönlich (Selbstwertgefühl, Selbstständigkeit) erreichen konnte. Drogen werden mir niemals das geben können was mir mein Abstinentes Leben bieten kann.
40. Haben Sie zu Hause Cannabis?
Nein
41. Wie wollen Sie es gegebenen Falls in Zukunft verhindern, nochmals unter Drogeneinfluss ein KFZ zu führen?
Ich werde mich strikt an meine Abstinenz halten und keine Drogen mehr konsumieren oder Kontakt zu Konsumenten haben.
42. Wie wollen Sie einen beginnenden Rückfall erkennen?
Mir ist das Risiko eines Rückfalls bewusst. Ich habe in meiner Vergangenheit Drogen missbräuchlich verwendet um mit meinen Defiziten wie meinem geringen Selbstwertgefühl, fehlender Selbstständigkeit oder Stress in der Ausbildung und Arbeit umzugehen. Ich habe in den 2 Jahren gelernt mit stressigen Situationen, die früher zu meinem Drogenmissbrauch geführt haben, anders umzugehen.
Früher habe ich mich durch äußere Faktoren wie Stress in der Ausbildung oder dem Abbruch des Abiturs oft in den Drogenkonsum geflüchtet, um mich nicht mit diesen Sachen beschäftigen zu müssen und meine Zukunftsängste zu unterdrücken. Während meiner Abstinenzzeit habe ich gelernt das ich mit solchen Situationen anders umgehen kann. In meinem Studium gab es viele Situationen, beispielsweise die Vorbereitung auf meine Abschlussklausuren, die mich belastet haben und die eine Herausforderungen dargestellt haben. Jedoch hat es mir grade in dieser Zeit geholfen über meine Zukunftsängste bzw. der Angst in den Klausuren zu versagen, mit meinen Kommilitonen und meinen Eltern zu sprechen. Auch habe ich beim Vorbereiten häufig Pausen eingelegt, in denen ich einen ausgiebigen Spaziergang an der frischen Luft gemacht habe. Seitdem ich wieder arbeite, kam es auch schon zu stressigen Situationen auf der Arbeit, die sich aber durch offenes Ansprechen lösen ließen. Auch nehme ich mir regelmäßig Zeit zum Reflektieren meiner derzeitigen Beruflichen und Privaten Situation, um in mich zu hören was mich momentan am meisten belastet. So kann ich Stressige Situationen besser einschätzen und wenn es nötig ist, reagieren. Probleme gehen nicht von alleine weg, ich muss aktiv versuchen sie zu verstehen und zu lösen. Diese Erkenntnisse helfen mir mich vor einem Rückfall aufgrund von äußeren Faktoren zu schützen und dauerhaft abstinent zu leben.
Aber auch Innere Unsicherheiten wie Zukunftsängste, ein geringes Selbstwertgefühl und der Wunsch nach Zugehörigkeit haben früher meinen Drogenkonsum ausgelöst. Heute akzeptiere ich mich so wie ich bin und habe mich auch lieben gelernt, es war ein langer Weg zu akzeptieren wie viele Fehler ich in der Vergangenheit gemacht habe und das nur ich für meine Situation verantwortlich bin. Ich blicke optimistisch in meine Zukunft und setze mir kleine erreichbare Ziele wie 3-mal wöchentlich Joggen oder ins Fitnessstudio zu gehen und jeden 2. Samstag gemeinsam ins Tierheim zu fahren und mit einem Hund spazieren zu gehen. Auch achte ich seit dem Studium viel mehr auf meine Ernährung und habe das Kochen für mich entdeckt. Ich habe viel Spaß neue Rezepte auszuprobieren und gleichzeitig etwas für meine Gesundheit zu tun. Auch mache ich mein Selbstbild nicht mehr von der Meinung anderer Abhängig, sondern konzentriere mich auf die Meinung die ich von mir selber habe, ich bin gut so wie ich bin, mit all meinen Stärken und Schwächen. Das bedeutet nicht das mir die Meinung anderer egal ist, aber ich kann mit Kritik und Zurückweisung viel besser umgehen und diese einordnen. Die Interessen und Hobbys, die ich während meiner Abstinenz entwickelt habe, sind ein wichtiger Faktor, um meine Zukunft aktiv mitzugestalten und mein Selbstwertgefühl auf Dauer zu stärken. Meine Verantwortung auf meiner Arbeitsstelle und meine Partnerschaft helfen mir meine Selbständigkeit aufrecht zu erhalten und Verantwortung zu übernehmen.
Falls ich trotz dieser Veränderungen und Strategien ein Problem anfange aufzuschieben und sich ein kommender Rückfall abzeichnet, weiß ich, dass ich mir professionelle Unterstützung seitens einer Psychotherapie wahrnehmen kann, um einen Rückfall zu verhindern.
43. Wie ist derzeit der Konsum von Alkohol bei Ihnen?
Nur zu Gesellschaftlichen Anlässen wie Geburtstagen oder Silvester, Nicht mehr als 2-3 Bier 0,33 l oder Wein 0,2l.