Trunkenheitsfahrt mit einer BAK von 2,29

ich kann ja auch mal präzisieren: das mit dem zurücknehmen bezog sich auf "die 14 Tage, gut erklärt, dürften die 15 Monate nicht gefährden"
Ich habe da wohl in falsche Sicherheit geführt, das wäre verantwortungslos.

mit dem hier ->
Hypothese A1:
Du hast 12 Monate lückenlose AN.
In den BUK ist „lückenlos“ explizit geregelt.
Vollkommen irrelevant, aus welchen Gründen eine Lücke entstanden ist.
Du kannst also nur mit einer „suchttherapeutischen Maßnahme“ im Sinne der BUK bestehen.
In dem Falle können wir genau schauen, was die Suchtberatungsstelle und deine Therapeutin schreiben.

Hypothese A2:
In dem Falle bist du -rein von den formalen Voraussetzungen- safe mit 12 Monaten AN.

In beiden Fällen ist in jedem Falle eine lupenreine psychologische Aufarbeitung entscheidend.
wäre man wohl auf der sicheren Seite und die Lösung bietet sich ja vllt auch an.
 
Hallo zusammen,

ich habe versucht, mein intrinsisches Motiv zu erklären, aber ich bin ehrlich, ich weiß nicht, ob es schlüssig ist. Mir fehlt nämlich der Zusammenhang zwischen den Ereignissen, die ich in meiner Jugend erlebt habe und den Problemen, die ich jetzt habe. Auf jeden Fall denke ich, dass das geringe Selbstwertgefühl damit zusammenhängt. Ich nehme das Thema auf jeden Fall mit in meine nächste Therapiestunde.

Ich würde mich auf jeden Fall sehr freuen, wenn ihr euch die Zeit nehmen könntet und erst einmal meinen überarbeiteten Punkt zu den Motiven lesen würdet.

Es fällt mir ehrlich gesagt nicht leicht, das Wesentliche herauszufiltern und wiederzugeben. Es fällt mir schwer, alles in Worte zu fassen. Deshalb bitte ich um Entschuldigung, wenn etwas noch nicht klar ist.

Ich freue mich über eure Kritik und vor allem über eure Unterstützung. VG, Katharina
 
Tathergang

1. Beschreiben Sie den Tag Ihrer Trunkenheitsfahrt aus eigener Sicht mit Datum und Uhrzeiten. (Wann, wo und mit wem getrunken / wann und wie aufgefallen / Promille)


Am Vorabend der Tat, dem 13.09.2023, hatte ich äußerst massiven Streit mit meinem Expartner.

Es ging um die damalige Situation: Ich arbeitete zu dieser Zeit sehr viel, mindestens 50 Stunden pro Woche und hatte nie Zeit für ihn.

Hinzu kamen meine 3 (kleinen) Kinder, ein großes Haus + Grundstück, vier ehrenamtliche Verpflichtungen (Schulverein, Kreiselternrat , Elternrat Grundschule und Elternrat Kita) und eine Nachbarin mit kleinteiliger Pflegebetreuung (Einkaufen, Fürsorge, regelmäßiges Prüfen, ob die Türen alle ordnungsgemäß verschlossen sind und es ihr gut geht, Tierarztbesuche mit ihrem Hund, Gartenbewässerung im Sommer).

Ich war so extrem unter dauerhaften Druck in allen Bereichen, es war nur noch angespannt und wahnsinnig stressig. Ich war völlig überlastet und –fordert. Ich habe meinen Zustand in diesem funktionierenden Rhythmus nicht wahrgenommen.

Mit meinem Partner gab es bereits aufgrund der vorher geschilderten Situation viele Probleme und Streitigkeiten. Er ließ mich aus beruflichen und persönlichen Gründen sehr oft mit allem allein.

Wir hatten zu diesem Zeitpunkt aufgrund der Umstände schon keine funktionierende Beziehung mehr. Hinzu kamen einige Nachrichten/Äußerungen einer anderen Frau, mit der mein Partner seit einiger Zeit intensiven Kontakt pflegte.

An dem Abend vom 13.09.2024 endete alles in einem dramatischen Streit. Mein Mann fuhr gegen 20 Uhr los. Ich wusste nicht wohin mit mir und meinen Gefühlen, ich war so extrem niedergeschlagen und fühlte mich hilflos. Ich brachte meine drei Kinder ins Bett und öffnete mir anschließend die erste Flasche Wein und wartete auf meinen Mann. Gegen 22 Uhr öffnete ich die zweite Flasche Wein, trank davon ungefähr noch zwei Gläser und ging schlafen. Am nächsten Morgen wachte ich verkatert auf. Ich machte die Kinder für die Einrichtungen fertig. Mein Partner kam dann gegen 07:00 Uhr morgens nach Hause. Ich versuchte vor den Kindern meinen Frust & meine Traurigkeit zu verstecken und fragte ihn, ob er die Kinder in die Einrichtungen bringen könnte. Das tat er auch. Er kam wieder und erzählte mir, dass er in der letzten Nacht bei einer anderen Frau gewesen war. Anschließend fuhr er zur Arbeit. Ich war entsprechend am Boden zerstört und völlig verzweifelt. In meinem vom Vorabend noch völlig verkaterten Zustand griff ich zu der geöffneten Flasche Wein. Ich war so wütend, traurig und niedergeschmettert. Ich wollte mich nur noch betäuben vor lauter Verzweiflung. Ich war wie in einem Tunnel gefangen. Zu diesem Zeitpunkt war ich offiziell noch mit einem Knochenbruch krankgeschrieben. (Offiziell meine ich, da ich im Background trotz meiner Krankschreibung weiter gearbeitet habe. Ich bin in einer Projektarbeit tätig, bei der ein hohes Leistungsvolumen gefordert wird.)

Gegen ca. 9 Uhr hatte ich bereits die nächste Flasche aufgemacht. Mir war in dem Zustand schon noch bewusst welche Termine an diesem Tag anstanden und vor allem auch das Abholen meiner Kinder von den Einrichtungen. Ich fing in meinem fortgeschrittenen Absturzszenario also an, einiges zu koordinieren, z.B., dass die Kinder von den Großeltern abgeholt werden und dort für diesen Tag bleiben sollten, diese wurden donnerstags sowieso von ihnen immer abgeholt und ich sicherte den Verbleib über Nacht dort ab. Dort erzählte ich, dass es mir nicht gut geht und ich einen heftigen Streit mit meinem Exmann hatte.

Ich wusste zu dem Zeitpunkt nicht, wie der Tag enden würde.

Weiter sagte ich auch den Termin bei meiner Ärztin um 10:30 Uhr und den Termin bei der Physiotherapie um 14:30 Uhr ab. Ich hatte auch noch einen Termin bei einem Friseur um 12 Uhr. Ich bin der Meinung, dass ich eigentlich in meinem Kummergelage überhaupt nicht vor hatte, irgendwo hinzufahren.

Ich kann mich auch nicht mehr erinnern, was ich gegen 12 Uhr gedacht habe, aber ich sah dann später in meiner Telefonliste, dass ich um 12:05 Uhr beim Friseur angerufen hatte. Ich kann bis heute nicht sagen, wie ich mit dem Auto dort hingekommen bin oder welche Strecke ich gefahren bin. Ich weiß gar nichts mehr – nicht einmal kleine Bruchstücke. Die Mitarbeiter des Salons riefen natürlich gleich die Polizei, da sie den Autoschlüssel von mir gesehen hatten. Ich habe gemäß den Zeugenaussagen in der Polizieiakte dann später gesehen, dass ich dort gesagt habe, dass ich wieder los müsse. Eine Mitarbeiterin und ein weiterer Kunde folgten mir, um zu prüfen, ob ich wirklich mit dem Auto fahren werde bzw. gefahren bin, um dies dann der Polizei entsprechend zu melden. Ich bin wohl schwankend, stark taumelnd zu dem Auto gegangen, bin über die Beifahrerseite rückwärts völlig schaukelnd und instabil eingestiegen und fuhr dann wohl mit Schlangenlinien los.

Ich kann mich dann nur wieder an einige Bruchstücke erinnern, wo die Polizei bei mir zu Hause vor der Tür stand und mich mitnahm zum Revier.

Ich verurteile mich dafür auf das Schärfste und verachte mich völlig für diese Tat. Ich war eine furchtbare Gefahr, für alle, die in diesem Moment unterwegs waren. Es hätte so viel Schlimmes passieren können und ich bin so unendlich dankbar, dass niemand anderes zu Schaden gekommen ist.

2. Was und wie viel haben Sie am Tattag insgesamt getrunken? (Genaue Angaben in Sorte, Menge, Trinkzeit)

20 -22 Uhr: eine Flasche Wein 0,75l
22-22:30 Uhr: ca. zwei weitere Gläser 0,2l
09:00 – 10:00 Uhr: weitere zwei Gläser der offenen Weinflasche
10:00 – 11:00 eine weitere Flasche Wein 0,7l
11:00 – 12:00 ca. eine weitere Flasche Wein, wovon ungefähr 0,4l fehlte

Die genauen Angaben vom Folgetag, also den Vormittag kann ich nur einschätzen, mit dem was ich dann noch an leeren Flaschen vorgefunden habe – ich kann mich eigentlich an gar nichts mehr so richtig erinnern.


3. Wie viel Kilometer fuhren Sie, bis Sie aufgefallen sind und wie viel Kilometer wollten Sie insgesamt fahren?

Die einfache Strecke zum Friseur beträgt ca. 1km.

4. Hatten Sie das Gefühl, noch sicher fahren zu können? (Ja/Nein +Begründung)

Ich kann mich an die Fahrt überhaupt nicht erinnern, nicht einmal ein kleines Bruchstück. Weder an die Hin- noch an die Rückfahrt. Es ist einfach alles gelöscht. Ich habe nicht eine Erinnerung daran.

Ich habe mir scheinbar über die Folgen und den furchtbaren Gefahren, die ich allen Verkehrsteilnehmern hätte zufügen können, absolut keine Gedanken gemacht.


5. Wie haben Sie die Trunkenheitsfahrt vermeiden wollen (wenn überhaupt)?

Die Abholung meiner Kinder bzw. die Betreuung am Vormittag durch die Großeltern hatte ich bereits abgesichert. Die Termine für diesen Tag, wie Physiotherapie und Facharzt, hatte ich ebenfalls am Morgen abgesagt - den Friseurtermin - aus unerfindlichen Gründen - nicht. Ich weiß aber, dass ich am Morgen, während des Rausches, mehrmals daran gedacht habe, das Haus nicht zu verlassen. Ich wollte einfach nur allein sein und mich völlig betäuben.


6. Haben Sie bereits früher im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss gestanden und sind aufgefallen?

Nein

7. Wie oft haben Sie alkoholisiert am Straßenverkehr teilgenommen ohne aufzufallen und was folgern Sie daraus?

Ich schätze, dass es im Laufe der Jahre viele hundert Mal waren.

Wenn ich heute darüber nachdenke, wird mir auf brutale Weise bewusst, welche Gefahren damit verbunden waren. Ich bin unendlich dankbar, dass niemand zu Schaden gekommen ist.

Seit meiner TF denke ich so oft daran, wenn ich mit meinen Kindern Fahrrad fahre oder an der Straße entlang gehe: “Was wäre, wenn jetzt ein anderer Autofahrer so betrunken durch die Gegend fahren würde wie ich damals und meine Kinder oder andere Menschen gefährden würde“. Ich schäme mich maßlos für diese Tat und dafür, dass ich es so weit habe kommen lassen.


Exploration

8. Wann hatten Sie den ersten Kontakt mit Alkohol und wann haben Sie das erste Mal Alkohol zu sich genommen? (Allererste Erinnerung und erster Konsum)


Die allererste Erinnerung ist meine Jugendweihe. Es gab ein Glas Sekt zum Anstoßen.

9. Haben Sie regelmäßig Alkohol getrunken, und wie hat sich ihr Trinkverhalten in den letzten Jahren entwickelt?

Rückblickend lässt sich sagen, dass ich bei Anlässen wie Geburtstage, Weihnachten, Silvester regelmäßig Alkohol getrunken habe, die zu einer stetigen Alkoholgewöhnung geführt haben. Während meiner Schwangerschaften und den daran anschließenden Stillzeiten habe ich nicht getrunken.

Ab Sommer 2022 habe ich dann angefangen zunehmend immer mehr Alkohol zu trinken. Mit den zunehmenden Belastungssituationen entwickelte sich auch mein Trinkverhalten proportional steigend.

Nach meiner TF am 14.09.2023 habe ich den Alkoholkonsum sofort eingestellt und lebe abstinent.

10. Wie viel und wie oft haben Sie getrunken? (Genaue Angaben in Sorte, Menge, Häufigkeit)

  • Schulzeit (16-18 Jahre): 1x im Monat; 1-2 Gläser Schaumwein oder Sekt
  • Ausbildungszeit und erste Berufstätigkeit (19-23 Jahre): 1x - 2x im Monat; 1-4 Gläser Schaumwein oder Sekt
  • Studium (24-28 Jahre): 1x – 4x im Monat; 1-4 Gläser Schaumwein oder Sekt, auch mal Mixgetränke wie Gin-Tonic beim Weggehen
  • Berufstätigkeit (28-32 Jahre): 1x – 4x im Monat; ; 1-6 Gläser Schaumwein oder Sekt, auch mal Mixgetränke wie Gin-Tonic beim Weggehen
  • Berufstätigkeit (35-37 Jahre): 2x-4x im Monat; 1-3 Gläser Wein
  • Berufstätigkeit (2-3 Jahre vor der TF): 2x-4x im Monat bis zu 4 Gläser Wein/ 1 Flasche Wein,
  • Im letzten Jahr vor der TF ca. mindestens 4x monatlich meistens ca. 2 Flaschen Wein, zum Ende hin noch mehr – manchmal bis zu 2,5 Flaschen Wein am Abend – allein und mit einer Freundin, die ebenfalls ihre Probleme betäuben wollte
11. Wo und mit wem haben Sie überwiegend getrunken?

Während der Schul- und Studienzeit habe ich mit meinen engen Freunden getrunken. Die Trinkanlässe waren meistens anlassbezogen wie Geburtstage, Feiertage oder aber auch ohne weiteren Grund, z.B. Frauenabende.

Die letzten Jahre habe ich mit einem kleinen bestimmten Freundeskreis getrunken. Mit den Kindern später gab es dafür kaum Gelegenheiten. Eine Freundin kam ab und an zu mir (ca. 1-2 monatlich). Meistens um sich über Sorgen und Probleme zu unterhalten. Es entwickelte sich für mich ein totales Entlastungs- und Problemtrinken. Ich trank dann aber bereits zunehmend öfter allein, um mich vorrangig zu entspannen, aber letztendlich um mich zu betäuben.

12. Warum haben Sie getrunken? (Innere + äußere Motive)

Innere Motive:

Wer bin ich?
Ich bin ein sehr harmoniebedürftiger und ruhiger Mensch. Ich kämpfe oft mit starken Selbstzweifeln und bin oft unsicher. Ich möchte anderen nicht zur Last fallen und kann deshalb kaum Hilfe annehmen. Meine eigenen Wünsche und Bedürfnisse wurden von mir selten berücksichtigt. Nach außen hin wollte ich immer perfekt sein. Ein Mensch, der nicht angreifbar ist und alles im Griff hat. Ich bin aber auch jemand, der anderen, vor allem nahestehenden Menschen, hilft, wo er kann (kleines Helfersyndrom).
Ich möchte generell unangenehme Gefühle, Reaktionen und Konflikte, aber auch Ablehnung vermeiden und benutze daher das Wort „NEIN“ nur ganz selten. Bei der Benutzung von dem Wort „JA“ stellt sich bei mir zunächst ein gutes Gefühl ein, das dann aber meist schnell in ein schlechtes Gefühl umschlägt, weil ich immer wieder meine persönlichen Grenzen überschreite bzw. überschritten habe.

Aktueller Zustand vor der TF:
Ich neigte dazu, alles auf mich zu nehmen - privat und beruflich. Mein Problemhaufen war riesig und das Stresspotenzial enorm. Es fing nach meiner Elternzeit an, dass ich beruflich in die Situation kam, mehrere Stellen gleichzeitig vertreten zu müssen, da diese durch Krankheit und Elternzeit ausfielen. Der Übergang von Elternzeit gleich in die Vollzeit bei einem Auswärtsjob war enorm anstrengend. Mir war natürlich klar, dass ich das nicht lange durchhalten kann, aber ich habe es trotzdem versucht. Das sah dann oft so aus, dass ich unter der Woche von morgens bis abends gearbeitet habe. Wenn die Kinder und der Haushalt erledigt waren, habe ich mich wieder an den Computer gesetzt. Auch an den Wochenenden und im Urlaub habe ich immer versucht, punktuell zu arbeiten, um dort die Spannung etwas zu reduzieren. Das heißt, ich habe immer versucht, allen und allem gerecht zu werden. Es funktionierte aber nicht. Trotzdem habe ich versucht zu funktionieren. Ich hatte ständig das Gefühl, allen und allem verpflichtet zu sein. Das Wort „Nein“ gehörte damals nicht zu meinem Wortschatz. Ich habe immer zuerst versucht, es allen recht zu machen und mich dabei völlig verloren. Es gab kaum eine Selbstfürsorge und ich war nicht in der Lage meinen Stress abzubauen. Frustration, Traurigkeit und Niedergeschlagenheit waren oft meine täglichen Begleiter. Wenn ich durch mein Engagement Bestätigung von anderen Menschen bekam, fühlte ich mich gut.

Meine Kinder und deren Betreuung, der Haushalt und die Bewirtschaftung des Grundstücks, die Unterstützung meiner pflegebedürftigen Nachbarin füllten die Zeit aus, die mir neben der Arbeit noch blieb. Außerdem engagierte ich mich ehrenamtlich. Und nicht zuletzt hatte ich damals auch noch eine Partnerschaft.

Alles in allem war ich völlig überfordert, belastet, unzufrieden und unglücklich.

Erst im letzten Jahr, als ich über meine Probleme nachdachte, wurde mir so richtig klar, dass mir das alles nicht gut tut. Dass ich die Selbstfürsorge vorne anstellen muss und herausfiltern muss, was für mich leistbar ist und was nicht.

Entwicklung Jugend bis vor der TF:
Warum sich das alles bei mir so zu einem „PeoplePleasing“ entwickelt hat, ist mir erst jetzt klar geworden und hat wohl zum Teil mit frühen Ereignissen aus meiner Jugend zu tun. Es gab Ereignisse in meinem Leben, die ich verdrängen wollte, weil sie für mich schrecklich waren und meinen Selbstwert und meine Selbstachtung auf ein Minimum reduzierten. Um mich gut zu fühlen und mich bzw. mein Inneres zu schützen, habe ich versucht, nach außen hin immer die Starke zu spielen, die alles im Griff hat und die sich alles auflud. Ich habe versucht, mir eine perfekte Hülle zu schaffen, ohne zu merken, warum ich das eigentlich tat. Ich wollte von meinem zerrissenen Inneren ablenken. Ich wollte nach außen hin immer perfekt sein und alles richtig machen, immer liefern. Trotzdem hatte ich immer das Gefühl, nicht gut genug zu sein. Zudem waren Misserfolge und Niederlagen für mich schwer bis gar nicht zu verkraften. Bei Misserfolgen erlebte ich intensive Selbstzweifel und Unsicherheit, mein Selbstwertgefühl war völlig im Keller. Am Ende war ich immer traurig.

Warum habe ich getrunken?
Ich trank hauptsächlich, weil ich ständig unter großer Anspannung stand und negative Gefühle und Ereignisse betäuben/vergessen wollte. Ich wollte aus der Rolle des Perfekten ausbrechen und meine inneren Selbstzweifel, mein kaum vorhandenes Selbstwertgefühl betäuben. Ich hatte das Gefühl, dass mein Körper in ständiger Alarmbereitschaft war. Ich zweifelte ständig an mir. Ich stand immer unter enormer Anspannung. Wenn das Fass an Selbstzweifeln, innerer Zerrissenheit, Sorgen, Problemen und Stress wieder einmal übergelaufen war, suchte ich Erleichterung und Trost im Alkohol. Der Alkohol war dann mein Heilmittel.

Äußere Motive:

Bei Feiern oder Anlässen wie Weihnachtsmarktbesuchen, Geburtstagen, in geselliger Runde habe ich mich meistens dazu hinreißen lassen, Alkohol zu trinken. Das waren Momente ohne Stress und Anspannung. Alkohol wurde dann von mir hauptsächlich als Genussmittel getrunken.
 
13. Welche Wirkung haben Sie in der Vergangenheit nach Alkoholgenuss bei sich beobachtet? (bei wenig und bei viel Alkohol)

Bei wenig Alkohol stellte sich bei mir ein beruhigendes, entspanntes Gefühl ein. Ich war redselig, euphorisch und gut drauf. Meine Anspannung schien sich immer mehr aufzulösen. Bei mehr Alkohol wirkte meine Anspannung völlig aufgelöst zu sein. Bei viel Alkohol ging es dann nur noch um das radikale Betäuben von meinen Sorgen und Problemen. Ich wurde traurig, unkoordiniert und habe die Selbstkontrolle völlig verloren.


14. Gab es kritische Hinweise Anderer auf Ihren Alkoholkonsum und wie haben Sie darauf reagiert?
In meinem direkten Umfeld aus engen Freunden und Arbeitskollegen gab es keine kritischen Hinweise auf meinen Alkoholkonsum. Das Trinken von Alkohol gehörte bei Feiern dazu. Mein Mann bekam das irgendwie nicht so richtig mit, wenn ich solche Abende zum damaligen Zeitpunkt hatte. Vielleicht hat er es auch mitbekommen, aber wir haben damals nie darüber gesprochen.


15. Welche Auswirkungen und Folgen hatte Ihr Alkoholkonsum auf Ihr Leben und Ihr Umfeld?

Ab dem Sommer 2022 haben die Betäubungsversuche ihre Spuren hinterlassen. Angefangen bei den verkaterten Tagen im Nachhinein, der immer größer werdenden Dünnhäutigkeit, des schlechten Gewissens gegenüber meinen Kindern.

Dennoch funktionierte ich und ich erfüllte alle täglichen Aufgaben – dienstlich und privat.

Bis zur TF gab es keine alkoholbedingte Auswirkungen auf mein Leben.

Der Tag der TF hatte die weitreichendsten Auswirkungen auf mein Leben und damit auch auf mein Umfeld. Das war mehr als ein Weckruf. Anfänglich bin ich durch meine massiven Scham- und Schuldgefühle weiter in eine depressive Phase gelandet. Es hat sehr viel Kraft gekostet mich dort herauszuarbeiten. Ich habe gottseidank gleich Anfang Oktober 2023 eine Psychotherapeutin gefunden. Erst dann konnte ich alle meine Problemfelder lokalisieren, sortieren und so ändern, dass ich wieder ein zufriedenes Leben erreicht habe.

16. Gab es in Ihrem bisherigen Leben frühere Zeiten, in denen sie weit mehr Alkohol als heute getrunken haben? Wenn ja, nennen sie bitte die Lebensabschnitte und mögliche Ursachen und Umstände dafür.

Ich habe am meisten Alkohol ab dem Sommer 2022 bis zum Tag der Trunkenheit getrunken. Ich habe damals sehr viel gearbeitet mit einer nicht unerheblichen Fahrzeit. Parallel hatte ich immens mit dem privaten Alltag zu kämpfen – Kinder, Haushalt, ehrenamtliche Tätigkeiten, Unterstützung meiner Nachbarin. Es war einfach alles zu viel: das enorme Spannungsfeld im Beruf und die dortigen Diskrepanzen, meinen Kindern eine gute Mama zu sein, meine ehrenamtlichen Nebentätigkeiten, die Unterstützung meiner Nachbarin. Nach außen wollte ich immer die perfekte Frau darstellen, die alles alleine meistert. Ich habe nie Hilfe angenommen. Ich war ziemlich schnell völlig überfordert und –lastet, was ich mir aber nicht eingestehen wollte. In dieser Zeit gab es für mich keine Selbstfürsorge. Nach außen wollte ich dennoch die starke Frau spielen. Um diesen Druck stand zu halten, suchte ich immer mehr die Lösung im Alkohol, in viel Alkohol.

17. Haben sie jemals die Kontrolle über ihre Trinkmenge verloren und bis zur Volltrunkenheit Alkohol konsumiert?

Es gab viele Male bei denen ich nicht auf die Trinkmenge geachtet habe, auch wenn ich mir vorgenommen habe nur eine gewisse Menge an Alkohol zu trinken. Es kam zur Volltrunkenheit.


18. Haben Sie früher schon einmal oder öfter über einen längeren Zeitraum bewusst und mit Absicht völlig auf den Genuss von Alkohol verzichtet?


Ja, ich habe in meinen Schwangerschaften und der anschließenden Stillzeit völlig auf Alkohol verzichtet. Diese Zeiten waren auch die schönsten und entspannten Zeiten in meinem Leben.

19. In welcher Kategorie eines Alkohol trinkenden Menschen haben Sie sich früher gesehen und wie stufen Sie sich heute rückblickend ein? (mit Begründung)

In der Zeit, in der ich problembedingt sehr viel Alkohol getrunken habe, gab es einen immensen, sehr problematischen Alkoholmissbrauch. Damals war ich so in meinen Problemen gefangen, dass ich das nicht rational erfassen und einschätzen konnte. Im Nachhinein sehe ich, dass es mir absolut nicht gut getan hat. Meine Probleme sind mit dem Konsum größer geworden. Heute lebe ich sehr zufrieden in überzeugter Abstinenz. Ich bin an den Herausforderungen, die an mich gestellt wurden, gewachsen und habe mein Leben wieder in den Griff bekommen. Ich habe mich in der letzten Zeit so vielen Tiefs gestellt bzw. stellen müssen und am Ende immer wieder feststellen können, dass ich mit Zuversicht und Mut jede Herausforderung bewältigen kann.


Heute und in Zukunft

20. Trinken Sie heute Alkohol? Wenn ja, was, wie viel und wie oft? (Genaue Angaben in Sorte, Menge, Häufigkeit)


Nein, ich lebe seit der TF am 14.09.2023 abstinent.

21. Wann haben Sie zuletzt Alkohol getrunken?

Am Tag der TF (14.09.2023)

22. Trinken sie gelegentlich alkoholfreies Bier?

Nein.

23. Warum trinken Sie heute Alkohol/keinen Alkohol?

Am Tag nach der Trunkenheitsfahrt stand ich unter Schock und brauchte einige Wochen, um zu begreifen, was passiert war. Nachdem ich mir über die strafrechtlichen Konsequenzen im Klaren war, versuchte ich, einen Hilfeplan aufzustellen. Mir war klar, dass ich sehr tief gefallen war und mich in einer Abwärtsspirale befand. Das musste sofort aufhören. Ich vereinbarte sofort einen Termin bei der örtlichen Suchtberatungsstelle. Bis heute war ich achtmal dort.

Gleichzeitig habe ich versucht, einen Platz bei einem Psychotherapeuten zu bekommen. Das hat relativ schnell geklappt. Seit Anfang Oktober 2023 bin ich in Therapie und hatte 23 Sitzungen. Zugleich konnte ich an einer AA-SHG hybrid teilnehmen. Die Gruppe ist nur für Frauen, was mir sehr gut getan hat, da ich mich am Anfang nach der TF sehr geschämt habe.

24. Warum haben Sie das Trinken reduziert bzw. aufgegeben und warum nicht schon eher?

Seit meinem absoluten Tiefpunkt am Tag der TF (14.09.2023) ist mir sehr deutlich geworden, dass ich ein riesiges Problem mit Alkohol habe. Leider habe ich erst ab diesem Tag sehr deutlich sehen können, in welcher Abwärtsspirale ich mich befand.

Mir wurde klar, dass ich mein Verhalten nur durch eine dauerhafte Abstinenz ändern kann.

Ich hatte das Glück, eine Psychotherapeutin zu finden, die mich zunächst in einer Notfallsprechstunde anhörte. Nach einer zweistündigen Sitzung nahm sie mich als Patientin auf. Seitdem arbeiten wir gemeinsam an meinen Problemfeldern. Wir haben alle Felder der Reihe nach sortiert. Früher kamen die Probleme geballt auf mich zu und ich fühlte mich total erdrückt. Ich hatte das Gefühl, ich wollte alle Probleme auf einmal lösen, was natürlich schief ging.

Heute gehe ich meine Probleme differenziert an. Zuerst versuche ich ruhig zu bleiben und die Situation zu reflektieren. Dann überlege ich mir Lösungsmöglichkeiten.
 
25. Wie haben Sie die Änderung Ihres Trinkverhaltens erreicht und dabei die Umstellungsphase erlebt?

Für mich war nach dem TF sofort klar, dass ich Hilfe brauche, die ich zum Glück schnell bekommen habe. Nachdem ich meine Probleme sortieren konnte, habe ich nach und nach angefangen, sie in Ordnung zu bringen. Ich habe gelernt, meine Probleme nacheinander anzugehen. Früher hatte ich das Problem, dass alle Probleme in geballter Form auf mich einprasselten. Alles hat mich erdrückt. Also habe ich angefangen, alles Schritt für Schritt anzugehen. Zuerst habe ich meinen Antrag auf Teilzeit durchgesetzt. Das war die erste Maßnahme, zumal ich jetzt sowieso viel längere Arbeitswege mit öffentlichen Verkehrsmitteln hatte.

Ich habe mir zu diesem Zeitpunkt vorgenommen, alles ohne Ausfallzeiten zu machen. Ich habe mich bewusst nicht krankschreiben lassen, sondern bin den Weg mit allen Herausforderungen gegangen. Für mich war klar, dass meine Probleme und Sorgen - privat und beruflich - ein Leben lang bestehen bleiben würden. Also wollte ich versuchen, die Probleme zu minimieren und damit zu leben.

Ich begann ein Wutbuch zu führen, in dem ich alle meine Sorgen, Probleme und Misserfolge aufschrieb. Am Anfang hat es sehr lange gedauert, da ich mich in einer absolut depressiven Phase befand. Ich war gefangen in so vielen Selbstzweifeln, gepaart mit massiven Scham- und Schuldgefühlen. Ich habe dann versucht, mich in ganz kleinen Schritten vorwärts zu tasten. Ich habe angefangen, jeden Abend eine Dankbarkeitsliste zu schreiben. Das habe ich dann immer abends gemeinsam mit meinen Kindern gemacht. So wurde es ein abendliches Familienritual. Später wurde aus meinem Wutbuch auch ein Mutbuch. Ich schreibe jetzt auch alles auf, was gut läuft und was kleine Erfolge für mich sind.

Den Sport habe ich nach und nach (wieder) eingebaut, soweit das möglich war. Das Fahrrad musste ich jetzt sowieso benutzen und so habe ich die Zugfahrt zur Arbeit mindestens zweimal in der Woche auf das Fahrrad verlegt. So konnte ich auch die Abholzeiten für meine Kinder besser planen. Die Züge fallen oft aus und es ist eine große Herausforderung, meine Kinder dann von jemand anderem aus den Einrichtungen abholen zu lassen. Außerdem besuche ich jeden Freitagabend einen Pilateskurs.

Meine Kinder und ich haben die Garage, die jetzt leer stand, in eine Hobbygarage umgewandelt. Dort haben wir gemeinsam alle Hobbys untergebracht, die wir gerne machen. Zum Beispiel habe ich mir und den Kindern eine Staffelei gekauft. Mindestens einmal in der Woche versuchen wir zu malen oder Gipsreliefs zu gestalten. Das entspannt mich und meine Kinder sehr. Außerdem habe ich mir ein Spinningbike gekauft, das ich bei schlechtem Wetter nutzen kann. Die Kinder haben eine große Spielecke mit einer Dartscheibe und einem Tischkicker, die wir oft gemeinsam nutzen.

Zurzeit gehe ich mit meinen Töchtern in die Musikschule. Eine hat Talent am Klavier und das habe ich auch für mich entdeckt. Es macht mir Spaß, etwas Neues zu lernen, und es lockert meinen oft schwierigen Alltag auf.

Ich habe gelernt, Hilfe anzunehmen (das habe ich früher nie getan, auch wenn sie mir angeboten wurde). Das war ein großer Drahtseilakt für mich, denn ich musste mich mit meinem Ex-Mann arrangieren, nach allem, was passiert war. Inzwischen bin ich nicht mehr allein erziehend, sondern getrennt. Er versucht mich oft zu unterstützen. Auch von seinen Eltern nehme ich Hilfe an.

Für meine Nachbarin haben wir einen Pflegedienst engagiert, so dass ich nur noch abends schaue, ob sie richtig im Bett liegt und ob alle Türen geschlossen sind. Am Wochenende besuchen wir sie noch, um uns mit ihr zu unterhalten und ihr Kuchen zu bringen. Auch das war eine große Erleichterung.

Ich konnte fast alle Problembereiche angehen und reduzieren. Ich bin aufmerksam, reflektiert und achtsam. Das Wort „Nein“ fällt mir immer noch schwer, aber ich habe gelernt, mir Bedenkzeit einzuräumen, bevor ich eine endgültige Antwort gebe. Meistens sage ich dann, dass ich jetzt noch nichts sagen kann und komme später darauf zurück. Das funktioniert sowohl beruflich als auch privat ganz gut, um erst einmal in Ruhe darüber nachzudenken, ob ich das möchte oder nicht.

Ich lebe seitdem glücklicher, zufriedener und ausgeglichener.


26. Wie wirkt sich Ihr geändertes Verhalten auf Sie, Ihr Leben und Ihr Umfeld aus?

Ich bin zufrieden und glücklich. Mein Privatleben ist geordnet und stabil.

Seitdem ich offen mit meinen Problemen umgehe, erhalte ich viel Beistand. Ich hätte nie erwartet so viel Zuspruch und Unterstützung zu erhalten. Fast alle meine engen Freunde und meine Familie halten zu mir. Es stellte sich sogar heraus, dass ich gar nicht so allein mit einigen Sorgen und Problemen bin. Einige Freundschaften haben sich seit meiner Offenbarung intensiviert. Einige musste ich stilllegen, nachdem ich feststellte, dass es aufgrund von vorliegenden Trinkgewohnheiten nicht mehr so passt.

Ich bin mental gestärkter als damals und habe wieder Kraft und Vertrauen. Es gab in den letzten 15 Monaten so viele emotionale und physische Herausforderungen, die ich bewältigt habe ohne wieder in dieses labile Muster zu verfallen.


27. Wie stellen Sie sicher, dass Ihr neues Verhalten dauerhaft stabil bleibt?

Ich bin sehr achtsam geworden und versuche meine erlernte Struktur mit den täglichen Ritualen (Morgenroutine kurze Zusammenfassung in mein Mut-Wut-Buch schreiben, abends Dankbarkeitsliste führen, ggf. weitere Einträge in mein M-W-Buch – am WE plane ich die kommende Woche durch, damit ich die Übersicht aller Termine und Ereignisse behalte.

Sollte es dennoch unvorhersehbare brisante Situationen geben, kann ich in erster Linie bei meinen Freunden sofort Hilfe suchen. Ich habe ihnen alles offenbart und seitdem versuchen sie mich, so gut es geht, zu unterstützen. Wir haben eine kleine, ganz enge Runde mit 5 Leuten, bei denen sogar zwei ebenfalls die Abstinenz angetreten sind, weil sie durch meine Problemlage Vergleiche gezogen haben und sich bewusst dazu entschieden haben. In unseren Treffen und Unternehmungen sprechen wir über oft über Probleme und Erfolge.

Sollte keiner von ihnen erreichbar sein, sind meine Eltern und mein Bruder ebenfalls immer für mich da. Meine Offenbarung über meine Probleme hat mir bei ihnen sehr viel Unterstützung gebracht. Grundsätzlich hat mir die Ehrlichkeit und die Offenheit zu meiner Alkoholproblematik überwiegend gut getan. Es gab zwar schon einige Menschen, die nicht so angenehm reagiert haben, aber für mich war es wie ein Befreiungsschlag.

In dem Fall, dass es zeitlich nicht möglich ist und ich keinen zum Reden habe, schreibe ich in mein Wut-Buch und versuche einen Spaziergang bzw. etwas Sportliches (Joggen, Fahrradfahren oder Pilates) einzubauen. Das verhilft immer zu einer ersten Linderung und ich sehe die Dinge nach dem Schreiben u./o. dem Auspowern meistens schon viel beruhigter.

Letztendlich weiß ich auch, dass ich mir jederzeit professionelle Hilfe in der Suchtberatungsstelle, bei meiner Psychotherapeutin oder bei der Telefonseelsorge holen kann.


28. Können Sie sich vorstellen, jemals wieder in Ihre alten Gewohnheiten zurückzufallen? (mit Begründung)

Ich kann es mir vorstellen, auch wenn aktuell der Gedanke sehr weit weg ist. Ich beuge einem Rückfall vor, indem ich mich z.B. in der SHG mit anderen Abstinenten über Erfahrungen, mögliche Gefahren usw. austausche. Ich mache mir auch immer wieder bewusst, warum ich mich für die Abstinenz entschieden habe. An erster Stelle stehen dabei meine Kinder und ich selbst, die dadurch ein zufriedenes und glückliches Leben haben.

Wenn ich Trinkimpulse verspüre (zurzeit sehr selten und wenn dann nur sehr kurzanhaltend), analysiere ich diese und was ich mir gerade vom Alkohol erhoffe und überlege, ob ich dies in der Vergangenheit durch Alkoholkonsum jemals erreichen konnte. Die Antwort ist sehr schnell klar. Dann suche ich nach Alternativen und anderen Ventilen (z.B. soziale Kontakte, Gespräche, Ablenkung durch Spaß, Spiel oder Musik mit meinen Kindern, Schreiben, Malen, Sport, Bewegung, Ruhe).

Im dienstlichen/beruflichen Bereich gibt es meist täglich Stresssituationen, die der von mir gewählte Beruf leider mit sich bringt.

Früher habe ich mich nach schwierigen und anstrengenden Situationen, die dann irgendwann das Fass zum Überlaufen gebracht haben, sehr viel getrunken. Heute begegne ich dem vor allem mit Aushalten, nehme mir Momente, in denen ich draußen an der frischen Luft spazieren gehe und die Situation noch einmal ganz klar für mich durchdenke. Meistens fallen mir dann schon lösungsorientierte Ansätze ein oder ich gewinne Abstand zu der Sache. Hilfreich ist auch für mich belastende Themen niederzuschreiben.

Wenn ich zu Festen und Veranstaltungen eingeladen werde, überlege ich mir vorher, mit wem ich hingehe. Meine Familie, meine Freunde und meine engsten Kollegen wissen von meinem Alkoholproblem und unterstützen mich, wo sie können. Alkohol ist bei allen Gelegenheiten präsent und es gibt immer wieder Situationen, in denen mir etwas angeboten wird und ein einfaches NEIN nicht ausreicht. Es kommt vor, dass ich sehr direkt sein und sagen muss, dass ich Alkohol nicht vertrage und nicht trinken kann. Erst dann kam die Einsicht bei den Menschen, die sich aufdrängten.

Wenn ich mich nicht wohl fühle, gehe ich auch nicht zu solchen Veranstaltungen.

Mittlerweile kann ich mich und meine Bedürfnisse sehr gut einschätzen und weiß, was mir gut tut und was nicht.

Ich bin mir meiner persönlichen Grenzen bewusst geworden. In jeder Situation, in der ich geneigt bin, das Wort „JA“ zu verwenden, überlege ich mir, ob dieses „JA“ für mich gut ist oder nicht. Meistens gebe ich mir eine Bedenkzeit, um in Ruhe darüber nachzudenken. Ein Beispiel dafür ist, dass ich bei der Arbeit immer wieder gefragt werde, ob ich noch zusätzliche Arbeiten übernehmen kann. Dann sage ich, dass ich das wahrscheinlich nicht machen kann bzw. eine Bedenkzeit benötige. Damit habe ich mir Zeit verschafft und kann für mich noch einmal in Ruhe prüfen, ob ich das übernehmen kann. Wenn ich ein ungutes Gefühl habe, dann sage ich ab. Das Wort NEIN ist das Wichtigste, was ich in der Therapie gelernt habe. Ich habe gelernt, Grenzen zu setzen. Menschen in meinem beruflichen und privaten Umfeld zu enttäuschen und auch Entscheidungen für mich zu treffen. Ich habe auch gelernt, ganz klar zu kommunizieren, das will ich und was ich nicht will. Auch wenn es für mich oft schmerzhaft ist und ich jemanden vor den Kopf stoße. Das war ein sehr unangenehmer Prozess für mich, denn die Menschen um mich herum waren es gewohnt, dass ich immer JA sage.

Bei den ehrenamtlichen Tätigkeiten war ich zum Beispiel ganz ehrlich und habe gesagt, dass ich mich mit den zusätzlichen Aufgaben nicht wohl fühle und dass ich dafür keine Kapazitäten habe. Generell bin ich meistens auf Verständnis gestoßen, wenn ich gesagt habe, dass ich Aufgaben leider ablehnen muss.

Aber nicht nur das musste ich lernen, sondern vor allem musste ich herausfinden, was meine ganz persönlichen Bedürfnisse sind.

Ich achte auf mich, indem ich versuche, in mich hineinzuhorchen. Ist es gut, meine To-Do-Liste im Eiltempo abzuarbeiten oder sollte ich eine Pause einlegen und Aufgaben auf den nächsten Tag verschieben? Brauche ich Sport und wie baue ich das in meinen Tagesablauf ein, was nicht so einfach ist mit einem Teilzeitjob, der durch die Fahrzeit von zusätzlichen 3,5 Stunden, doch zu einem Vollzeitjob wird, meine Kinder und die täglichen Aufgaben im Haushalt. Das heißt, ich musste trainieren, meine Struktur zu verändern und bewusste Entscheidungen zu treffen.

Das hat natürlich sehr viel Zeit in Anspruch genommen und ich stand oft wie vor einer verschlossenen Tür und wusste nicht, wie ich Veränderungen angehen sollte. Ich war in meinem Hamsterrad gefangen. Es war zum Beispiel schrecklich für mich, den Haushalt zu vernachlässigen, weil die Hausaufgaben meines Kindes wichtiger waren oder einfach mit ihnen zu spielen. Ich war ja jetzt alleinerziehend oder besser gesagt getrennt erziehend. Es war eine große Überwindung für mich, abends nur die halbe Wäsche zu machen und mich lieber noch 20 Minuten auf das Spinningbike zu setzen, aber ich fühlte mich danach besser. Grundsätzlich kann ich sagen, dass ich mich nach jeder kleinen Umsetzung einer Veränderung in meiner Tagesstruktur besser gefühlt habe - weil es immer ein kleiner (großer) Erfolg war.
Dabei musste ich oft feststellen, dass nicht alles linear verläuft. Es gab auch immer wieder Aufgaben, die ich mir vorgenommen hatte und die ich nicht oder nur teilweise bewältigen konnte. Dann war ich wütend und enttäuscht. Ich dachte „Das schaffe ich nie“. Ich habe versucht, genau diese Situationen mit meiner Therapeutin genauer anzuschauen. Dabei ging es vor allem darum, herauszufinden, warum ich es nicht schaffe. Zuerst haben wir uns meine persönlichen Voraussetzungen angeschaut. War ich zu müde, zu schwach, hungrig oder durch Stressmomente überfordert. Darauf gab es immer eine Antwort. Also habe ich es einfach ein paar Tage später wieder versucht. Ich habe gelernt, dass es schwache und starke Tage gibt. Ich habe auch gelernt, dass ich unangenehme Gefühle oder schwache Momente aushalten kann, weil ich gelernt habe, dass diese Momente auch wieder vorbeigehen. Nur weil es an einem Tag nicht so gut gelaufen ist, heißt das für mich nicht, dass es am nächsten Tag wieder so sein muss. Das schreibe ich dann meistens auf. Meistens ergeben sich daraus Lösungen. Ich reflektiere die Situationen noch einmal und überlege, warum meine Einstellung so ist. Ich nehme jedes Tief als neue Chance und Herausforderung. Jeder Erfolg und ist er noch so klein, steigert meinen Selbstwert.

Ein anderes Problem oder eine andere Erkenntnis für mich war, dass ich immer sehr hart mit mir selbst war. Ich habe mich bei Problemen, Fehlpässen, Sorgen selbst gequält. Ich suchte die Schuld ausschließlich bei mir und redete sie mir dann massiv ein. Ich habe gelernt, netter zu mir zu sein. Ich habe mehr Verständnis für mich selbst. Ich habe gelernt, dass ich gut genug bin. Ich gebe jeden Tag mein Bestes und wenn es mal nicht so gut läuft, dann versuche ich einfühlsam mit mir umzugehen. Das habe ich gelernt, indem ich mir vorstelle, wie ich in solchen Situationen zu einer Freundin bin. Ich gehe aus der Situation heraus und betrachte mich als Freundin. Ich schimpfe nicht mehr mit mir, sondern finde liebevolle und tröstende Worte.

Ich habe gelernt, Dinge nicht mehr mit mir selbst auszumachen, sondern offen und ehrlich darüber zu sprechen. Nicht nur in der Therapie. Ich spreche Probleme auch in meinem Umfeld an, wenn es sich falsch, unfair oder unangenehm anfühlt. Ich halte nichts mehr zurück und spreche die Dinge immer sofort an. So schaffe ich sie so schnell wie möglich aus dem Weg. Das hilft nicht nur mir, sondern auch meinen Mitmenschen. Ich versuche auch zu unterscheiden, ob ich die Probleme beeinflussen kann oder nicht. jIch habe gelernt, dass ich manche Sorgen leider so hinnehmen muss und dass ich die Welt nicht verändern kann.

Aber letztlich habe ich in meiner Therapie auch den sicheren Ort gefunden, an dem ich alles erzählen kann, ohne dass mir jemand dazwischenredet. Hier kann und darf ich ganz ich selbst sein. Das war für mich der erste Schritt und eine tolle Möglichkeit, meine Sorgen und Probleme, die sonst im Verborgenen bleiben, auszusprechen und anzusprechen. Dabei habe ich gelernt, dass es gar nicht so schlimm ist, offen und ehrlich über meine Probleme zu sprechen. Natürlich mache ich das nicht mit irgendwelchen Leuten. Es ist mein engstes Umfeld, aber auch das war früher nie ein Thema für mich. Jetzt kann ich es und es fühlt sich so gut an.


29. Wie wollen sie in Zukunft das Trinken vom Fahren trennen?
Ich lebe bedingungslos abstinent.

30. Haben Sie zum Abschluss noch etwas hinzuzufügen?
Ich bin sehr froh, dass durch mich niemand damals zu Schaden gekommen ist.
 
Liebe Katharina,

dein Motiv hast du um ein Vielfaches besser geschildert.
Es fehlt aber noch der „rote Faden“, die Causalkette aus psychologischer Sicht.
Ich kann mir eine aus deinen Schilderungen herleiten.
Das darf der Gutachter aber nicht.
Er ist darauf angewiesen, dass du ihm mit deinen Worten dein Motiv so präsentierst, so dass er weiß, dass du es bis ins Kleinste verstanden hast.

Ein Durchfallkriterium ist nach wie vor deine Konsumhistorie.
Der Gutachter wird es für absolut unglaubwürdig halten, dass du dir 4mal im Monat abends bis zu 2,5 Flaschen Wein reinkippst und dann mittags mit 2,5 Umdrehungen nach der TF angetroffen wirst.
Du hast „mindestens“ davor gesetzt, das rettet dich aber leider nicht.
Dass du ausgerechnet am Tag der TF ausnahmsweise morgens getrunken hast, ist statistisch und psychologisch faktisch ausgeschlossen.

Liebe Grüße :smiley138:
 
Da schließe ich mich an Karl Heinz an.
Wie ich dir auch schon geschrieben habe, werden bei dem Punkt Nachfragen kommen.
Das Thema trinken in der früh bis zu deiner BAK kann kein singuläres Ereigniss gewesen sein.
Es liegt an Dir hier für Aufklärung zu sorgen.
 
Hallo zusammen,

erst einmal vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren. Ich kann es nicht oft genug sagen, es gibt mir einfach das Gefühl, nicht allein zu sein mit diesem überwältigenden Haufen an Problemen bezüglich der MPU.

Ich habe meine Trinkgeschichte verharmlost. Mein Schamgefühl spielt hier eine enorme Rolle. Es gab oft Tage, an denen ich sehr viel getrunken habe. Es war nicht immer das angegebene Maximum (bis zu 2,5 Flaschen), was ich getrunken habe, aber ich habe getrunken und ich habe auch manchmal, weil die Belastung am nächsten Tag die gleiche war, weiter getrunken, um dieses Gefühl der Erleichterung zu erhalten. Leider hat das nie funktioniert. Nicht mit Alkohol. Ich hatte mir ca. 6 Monate vor der TF die App von Nathalie Stüben heruntergeladen, mit der ich auch in der Zeit vor der TF mal 30 Tage oder 15 Tage ganz ohne Alkohol ausgekommen bin. Aber letztendlich muss ich mich doch der Wahrheit stellen. Es war öfter mit dem Trinken und ich kann auch sagen, dass es durchschnittlich ca. 4x Mal im Monat gab, wo ich mich damit betäubte bzw. vergiftete. Nach allem, was ich gelesen habe, "Ein Leben ohne Alkohol", "Alkohol und Frauen", "Lieber schlau als blau", handelt es sich um eine sehr fortgeschrittene Form des Alkoholismus.
Kann ich damit überhaupt noch zur MPU? Müsste ich dafür nicht eine Suchttherapie machen? Wie kann ich das einem Gutachter erklären, ohne maßlos im Boden zu versinken? Ok, ich merke nur, dass ich vielleicht doch noch viel Aufarbeitung brauche. Irgendwie bin ich ratlos.
 
Hallo und guten Abend
Du musst dich nicht schämen,hier nicht und vor niemandem.
Und auch vor dem Gutachter nicht.
Die Vergangenheit ist so wie sie war.
Du bekommst ja die Chance dich zu rehabilitieren.
Das allein zählt.
Was war ist geschehen.
Den Gutachter interessiert was sein wird.
Und darum kannst du offen und ehrlich sein.

Ob du eine Therapie brauchst, wie gesagt die Diagnose Alkoholkrank stellt ein Arzt oder wie es Karl Heinz geschrieben hat bei begründeten Annahmen im Gespräch.
 
Leider hat das nie funktioniert. Nicht mit Alkohol. Ich hatte mir ca. 6 Monate vor der TF die App von Nathalie Stüben
Komm doch wieder in die Gruppe und mach das Programm nochmal - ein Thema ist da auch Scham - Ich bin auch noch da - schreibe aber selten

Wie kann ich das einem Gutachter erklären, ohne maßlos im Boden zu versinken?
Das ist Wein täglich Brot - er weiß das. Keiner davon geht damit hausieren
 
Mein Schamgefühl spielt hier eine enorme Rolle.
du bist hier nur "September2023". Niemand kennt Dich. Deine Scham dürfte dir selbst gegenüber stattfinden. Da musst du drüber weg. Jetzt ists passiert. Dann schaffst du das in der MPU auch. Passt :)

Und auch hier: vllt magst du mal beginnen, deinen früheren Alkoholkonsum zu würdigen? Ja, würdigen. Er hat sicher auch seine negativen Seiten, aber als Lösungsversuch hat er, zumindest eine Weile, funktioniert. Du hast für Dich gesorgt.
Aus der Perspektive kannst du vllt anders mit Dir und Deiner Geschichte umgehen...

Und je größer der Unterschied zwischen heute und damals ist, desto mehr wird der Gutachter beeindruckt sein. Da ist es nicht die Mutter aller Ideen, das damals klein zu reden, wenn Du heute schon ganz woanders bist.

@Sucht:
wo ich mich damit betäubte bzw. vergiftete.
Alkohol als Lösungsversuch ist eher Mißbrauch als Sucht (auch wenn er leicht in die Sucht führen kann). Jetzt ist Dein Lösungsversuch weg - was ist mit dem ursächlichen Problem? Die blöden Dinger verschwinden nicht einfach, wenn man Lösungsversuche wegstreicht... ists noch da? Hat es sich verändert? Was hat dazu geführt? Wie gehst du mit ihm um? Wie reagierst du rechtzeitig, wenns wieder durchschlägt?
DAS würde den Gutachter interessieren. Und Du hast da ja auch schon sehr viel verändert / neu gestaltet.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja, Scham…
Es wird ein wichtiger Teil deiner Aufarbeitung sein, dir zu verzeihen, um diese Scham loszuwerden.
Es gibt da ein paar wirklich wirksame Übungen dazu.
Wäre etwas für eine Therapiestunde, nur mal so als Idee…

Du musst dir verzeihen, sonst wird es dir sehr schwer bis gar nicht gelingen, zufrieden abstinent zu sein.

Das ist ein Teil der Heilung deiner Seele, ein anderer -sehr wichtiger Teil- ist, was @ joost geschrieben hat.
Deine Seele zu würdigen, dass sie es dir mitgeteilt hat, dass es ihr schlecht geht.
Du hast zum Alkohol gegriffen.

Du wirst jetzt und in Zukunft immer deiner Seele zuhören, ihre Signale erkennen und rechtzeitig gegensteuern können.

Liebe Grüße
 
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