Tathergang
1. Beschreiben Sie den Tag Ihrer Trunkenheitsfahrt aus eigener Sicht mit Datum und Uhrzeiten. (Wann, wo und mit wem getrunken / wann und wie aufgefallen / Promille)
Am Vorabend der Tat, dem 13.09.2023, hatte ich äußerst massiven Streit mit meinem Expartner.
Es ging um die damalige Situation: Ich arbeitete zu dieser Zeit sehr viel, mindestens 50 Stunden pro Woche und hatte nie Zeit für ihn.
Hinzu kamen meine 3 (kleinen) Kinder, ein großes Haus + Grundstück, vier ehrenamtliche Verpflichtungen (Schulverein, Kreiselternrat , Elternrat Grundschule und Elternrat Kita) und eine Nachbarin mit kleinteiliger Pflegebetreuung (Einkaufen, Fürsorge, regelmäßiges Prüfen, ob die Türen alle ordnungsgemäß verschlossen sind und es ihr gut geht, Tierarztbesuche mit ihrem Hund, Gartenbewässerung im Sommer).
Ich war so extrem unter dauerhaften Druck in allen Bereichen, es war nur noch angespannt und wahnsinnig stressig. Ich war völlig überlastet und –fordert. Ich habe meinen Zustand in diesem funktionierenden Rhythmus nicht wahrgenommen.
Mit meinem Partner gab es bereits aufgrund der vorher geschilderten Situation viele Probleme und Streitigkeiten. Er ließ mich aus beruflichen und persönlichen Gründen sehr oft mit allem allein.
Wir hatten zu diesem Zeitpunkt aufgrund der Umstände schon keine funktionierende Beziehung mehr. Hinzu kamen einige Nachrichten/Äußerungen einer anderen Frau, mit der mein Partner seit einiger Zeit intensiven Kontakt pflegte.
An dem Abend vom 13.09.2024 endete alles in einem dramatischen Streit. Mein Mann fuhr gegen 20 Uhr los. Ich wusste nicht wohin mit mir und meinen Gefühlen, ich war so extrem niedergeschlagen und fühlte mich hilflos. Ich brachte meine drei Kinder ins Bett und öffnete mir anschließend die erste Flasche Wein und wartete auf meinen Mann. Gegen 22 Uhr öffnete ich die zweite Flasche Wein, trank davon ungefähr noch zwei Gläser und ging schlafen. Am nächsten Morgen wachte ich verkatert auf. Ich machte die Kinder für die Einrichtungen fertig. Mein Partner kam dann gegen 07:00 Uhr morgens nach Hause. Ich versuchte vor den Kindern meinen Frust & meine Traurigkeit zu verstecken und fragte ihn, ob er die Kinder in die Einrichtungen bringen könnte. Das tat er auch. Er kam wieder und erzählte mir, dass er in der letzten Nacht bei einer anderen Frau gewesen war. Anschließend fuhr er zur Arbeit. Ich war entsprechend am Boden zerstört und völlig verzweifelt. In meinem vom Vorabend noch völlig verkaterten Zustand griff ich zu der geöffneten Flasche Wein. Ich war so wütend, traurig und niedergeschmettert. Ich wollte mich nur noch betäuben vor lauter Verzweiflung. Ich war wie in einem Tunnel gefangen. Zu diesem Zeitpunkt war ich offiziell noch mit einem Knochenbruch krankgeschrieben. (Offiziell meine ich, da ich im Background trotz meiner Krankschreibung weiter gearbeitet habe. Ich bin in einer Projektarbeit tätig, bei der ein hohes Leistungsvolumen gefordert wird.)
Gegen ca. 9 Uhr hatte ich bereits die nächste Flasche aufgemacht. Mir war in dem Zustand schon noch bewusst welche Termine an diesem Tag anstanden und vor allem auch das Abholen meiner Kinder von den Einrichtungen. Ich fing in meinem fortgeschrittenen Absturzszenario also an, einiges zu koordinieren, z.B., dass die Kinder von den Großeltern abgeholt werden und dort für diesen Tag bleiben sollten, diese wurden donnerstags sowieso von ihnen immer abgeholt und ich sicherte den Verbleib über Nacht dort ab. Dort erzählte ich, dass es mir nicht gut geht und ich einen heftigen Streit mit meinem Exmann hatte.
Ich wusste zu dem Zeitpunkt nicht, wie der Tag enden würde.
Weiter sagte ich auch den Termin bei meiner Ärztin um 10:30 Uhr und den Termin bei der Physiotherapie um 14:30 Uhr ab. Ich hatte auch noch einen Termin bei einem Friseur um 12 Uhr. Ich bin der Meinung, dass ich eigentlich in meinem Kummergelage überhaupt nicht vor hatte, irgendwo hinzufahren.
Ich kann mich auch nicht mehr erinnern, was ich gegen 12 Uhr gedacht habe, aber ich sah dann später in meiner Telefonliste, dass ich um 12:05 Uhr beim Friseur angerufen hatte. Ich kann bis heute nicht sagen, wie ich mit dem Auto dort hingekommen bin oder welche Strecke ich gefahren bin. Ich weiß gar nichts mehr – nicht einmal kleine Bruchstücke. Die Mitarbeiter des Salons riefen natürlich gleich die Polizei, da sie den Autoschlüssel von mir gesehen hatten. Ich habe gemäß den Zeugenaussagen in der Polizieiakte dann später gesehen, dass ich dort gesagt habe, dass ich wieder los müsse. Eine Mitarbeiterin und ein weiterer Kunde folgten mir, um zu prüfen, ob ich wirklich mit dem Auto fahren werde bzw. gefahren bin, um dies dann der Polizei entsprechend zu melden. Ich bin wohl schwankend, stark taumelnd zu dem Auto gegangen, bin über die Beifahrerseite rückwärts völlig schaukelnd und instabil eingestiegen und fuhr dann wohl mit Schlangenlinien los.
Ich kann mich dann nur wieder an einige Bruchstücke erinnern, wo die Polizei bei mir zu Hause vor der Tür stand und mich mitnahm zum Revier.
Ich verurteile mich dafür auf das Schärfste und verachte mich völlig für diese Tat. Ich war eine furchtbare Gefahr, für alle, die in diesem Moment unterwegs waren. Es hätte so viel Schlimmes passieren können und ich bin so unendlich dankbar, dass niemand anderes zu Schaden gekommen ist.
2. Was und wie viel haben Sie am Tattag insgesamt getrunken? (Genaue Angaben in Sorte, Menge, Trinkzeit)
20 -22 Uhr: eine Flasche Wein 0,75l
22-22:30 Uhr: ca. zwei weitere Gläser 0,2l
09:00 – 10:00 Uhr: weitere zwei Gläser der offenen Weinflasche
10:00 – 11:00 eine weitere Flasche Wein 0,7l
11:00 – 12:00 ca. eine weitere Flasche Wein, wovon ungefähr 0,4l fehlte
Die genauen Angaben vom Folgetag, also den Vormittag kann ich nur einschätzen, mit dem was ich dann noch an leeren Flaschen vorgefunden habe – ich kann mich eigentlich an gar nichts mehr so richtig erinnern.
3. Wie viel Kilometer fuhren Sie, bis Sie aufgefallen sind und wie viel Kilometer wollten Sie insgesamt fahren?
Die einfache Strecke zum Friseur beträgt ca. 1km.
4. Hatten Sie das Gefühl, noch sicher fahren zu können? (Ja/Nein +Begründung)
Ich kann mich an die Fahrt überhaupt nicht erinnern, nicht einmal ein kleines Bruchstück. Weder an die Hin- noch an die Rückfahrt. Es ist einfach alles gelöscht. Ich habe nicht eine Erinnerung daran.
Ich habe mir scheinbar über die Folgen und den furchtbaren Gefahren, die ich allen Verkehrsteilnehmern hätte zufügen können, absolut keine Gedanken gemacht.
5. Wie haben Sie die Trunkenheitsfahrt vermeiden wollen (wenn überhaupt)?
Die Abholung meiner Kinder bzw. die Betreuung am Vormittag durch die Großeltern hatte ich bereits abgesichert. Die Termine für diesen Tag, wie Physiotherapie und Facharzt, hatte ich ebenfalls am Morgen abgesagt - den Friseurtermin - aus unerfindlichen Gründen - nicht. Ich weiß aber, dass ich am Morgen, während des Rausches, mehrmals daran gedacht habe, das Haus nicht zu verlassen. Ich wollte einfach nur allein sein und mich völlig betäuben.
6. Haben Sie bereits früher im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss gestanden und sind aufgefallen?
Nein
7. Wie oft haben Sie alkoholisiert am Straßenverkehr teilgenommen ohne aufzufallen und was folgern Sie daraus?
Ich schätze, dass es im Laufe der Jahre viele hundert Mal waren.
Wenn ich heute darüber nachdenke, wird mir auf brutale Weise bewusst, welche Gefahren damit verbunden waren. Ich bin unendlich dankbar, dass niemand zu Schaden gekommen ist.
Seit meiner TF denke ich so oft daran, wenn ich mit meinen Kindern Fahrrad fahre oder an der Straße entlang gehe: “Was wäre, wenn jetzt ein anderer Autofahrer so betrunken durch die Gegend fahren würde wie ich damals und meine Kinder oder andere Menschen gefährden würde“. Ich schäme mich maßlos für diese Tat und dafür, dass ich es so weit habe kommen lassen.
Exploration
8. Wann hatten Sie den ersten Kontakt mit Alkohol und wann haben Sie das erste Mal Alkohol zu sich genommen? (Allererste Erinnerung und erster Konsum)
Die allererste Erinnerung ist meine Jugendweihe. Es gab ein Glas Sekt zum Anstoßen.
9. Haben Sie regelmäßig Alkohol getrunken, und wie hat sich ihr Trinkverhalten in den letzten Jahren entwickelt?
Rückblickend lässt sich sagen, dass ich bei Anlässen wie Geburtstage, Weihnachten, Silvester regelmäßig Alkohol getrunken habe, die zu einer stetigen Alkoholgewöhnung geführt haben. Während meiner Schwangerschaften und den daran anschließenden Stillzeiten habe ich nicht getrunken.
Ab Sommer 2022 habe ich dann angefangen zunehmend immer mehr Alkohol zu trinken. Mit den zunehmenden Belastungssituationen entwickelte sich auch mein Trinkverhalten proportional steigend.
Nach meiner TF am 14.09.2023 habe ich den Alkoholkonsum sofort eingestellt und lebe abstinent.
10. Wie viel und wie oft haben Sie getrunken? (Genaue Angaben in Sorte, Menge, Häufigkeit)
- Schulzeit (16-18 Jahre): 1x im Monat; 1-2 Gläser Schaumwein oder Sekt
- Ausbildungszeit und erste Berufstätigkeit (19-23 Jahre): 1x - 2x im Monat; 1-4 Gläser Schaumwein oder Sekt
- Studium (24-28 Jahre): 1x – 4x im Monat; 1-4 Gläser Schaumwein oder Sekt, auch mal Mixgetränke wie Gin-Tonic beim Weggehen
- Berufstätigkeit (28-32 Jahre): 1x – 4x im Monat; ; 1-6 Gläser Schaumwein oder Sekt, auch mal Mixgetränke wie Gin-Tonic beim Weggehen
- Berufstätigkeit (35-37 Jahre): 2x-4x im Monat; 1-3 Gläser Wein
- Berufstätigkeit (2-3 Jahre vor der TF): 2x-4x im Monat bis zu 4 Gläser Wein/ 1 Flasche Wein,
- Im letzten Jahr vor der TF ca. mindestens 4x monatlich meistens ca. 2 Flaschen Wein, zum Ende hin noch mehr – manchmal bis zu 2,5 Flaschen Wein am Abend – allein und mit einer Freundin, die ebenfalls ihre Probleme betäuben wollte
11. Wo und mit wem haben Sie überwiegend getrunken?
Während der Schul- und Studienzeit habe ich mit meinen engen Freunden getrunken. Die Trinkanlässe waren meistens anlassbezogen wie Geburtstage, Feiertage oder aber auch ohne weiteren Grund, z.B. Frauenabende.
Die letzten Jahre habe ich mit einem kleinen bestimmten Freundeskreis getrunken. Mit den Kindern später gab es dafür kaum Gelegenheiten. Eine Freundin kam ab und an zu mir (ca. 1-2 monatlich). Meistens um sich über Sorgen und Probleme zu unterhalten. Es entwickelte sich für mich ein totales Entlastungs- und Problemtrinken. Ich trank dann aber bereits zunehmend öfter allein, um mich vorrangig zu entspannen, aber letztendlich um mich zu betäuben.
12. Warum haben Sie getrunken? (Innere + äußere Motive)
Innere Motive:
Wer bin ich?
Ich bin ein sehr harmoniebedürftiger und ruhiger Mensch. Ich kämpfe oft mit starken Selbstzweifeln und bin oft unsicher. Ich möchte anderen nicht zur Last fallen und kann deshalb kaum Hilfe annehmen. Meine eigenen Wünsche und Bedürfnisse wurden von mir selten berücksichtigt. Nach außen hin wollte ich immer perfekt sein. Ein Mensch, der nicht angreifbar ist und alles im Griff hat. Ich bin aber auch jemand, der anderen, vor allem nahestehenden Menschen, hilft, wo er kann (kleines Helfersyndrom).
Ich möchte generell unangenehme Gefühle, Reaktionen und Konflikte, aber auch Ablehnung vermeiden und benutze daher das Wort „NEIN“ nur ganz selten. Bei der Benutzung von dem Wort „JA“ stellt sich bei mir zunächst ein gutes Gefühl ein, das dann aber meist schnell in ein schlechtes Gefühl umschlägt, weil ich immer wieder meine persönlichen Grenzen überschreite bzw. überschritten habe.
Aktueller Zustand vor der TF:
Ich neigte dazu, alles auf mich zu nehmen - privat und beruflich. Mein Problemhaufen war riesig und das Stresspotenzial enorm. Es fing nach meiner Elternzeit an, dass ich beruflich in die Situation kam, mehrere Stellen gleichzeitig vertreten zu müssen, da diese durch Krankheit und Elternzeit ausfielen. Der Übergang von Elternzeit gleich in die Vollzeit bei einem Auswärtsjob war enorm anstrengend. Mir war natürlich klar, dass ich das nicht lange durchhalten kann, aber ich habe es trotzdem versucht. Das sah dann oft so aus, dass ich unter der Woche von morgens bis abends gearbeitet habe. Wenn die Kinder und der Haushalt erledigt waren, habe ich mich wieder an den Computer gesetzt. Auch an den Wochenenden und im Urlaub habe ich immer versucht, punktuell zu arbeiten, um dort die Spannung etwas zu reduzieren. Das heißt, ich habe immer versucht, allen und allem gerecht zu werden. Es funktionierte aber nicht. Trotzdem habe ich versucht zu funktionieren. Ich hatte ständig das Gefühl, allen und allem verpflichtet zu sein. Das Wort „Nein“ gehörte damals nicht zu meinem Wortschatz. Ich habe immer zuerst versucht, es allen recht zu machen und mich dabei völlig verloren. Es gab kaum eine Selbstfürsorge und ich war nicht in der Lage meinen Stress abzubauen. Frustration, Traurigkeit und Niedergeschlagenheit waren oft meine täglichen Begleiter. Wenn ich durch mein Engagement Bestätigung von anderen Menschen bekam, fühlte ich mich gut.
Meine Kinder und deren Betreuung, der Haushalt und die Bewirtschaftung des Grundstücks, die Unterstützung meiner pflegebedürftigen Nachbarin füllten die Zeit aus, die mir neben der Arbeit noch blieb. Außerdem engagierte ich mich ehrenamtlich. Und nicht zuletzt hatte ich damals auch noch eine Partnerschaft.
Alles in allem war ich völlig überfordert, belastet, unzufrieden und unglücklich.
Erst im letzten Jahr, als ich über meine Probleme nachdachte, wurde mir so richtig klar, dass mir das alles nicht gut tut. Dass ich die Selbstfürsorge vorne anstellen muss und herausfiltern muss, was für mich leistbar ist und was nicht.
Entwicklung Jugend bis vor der TF:
Warum sich das alles bei mir so zu einem „PeoplePleasing“ entwickelt hat, ist mir erst jetzt klar geworden und hat wohl zum Teil mit frühen Ereignissen aus meiner Jugend zu tun. Es gab Ereignisse in meinem Leben, die ich verdrängen wollte, weil sie für mich schrecklich waren und meinen Selbstwert und meine Selbstachtung auf ein Minimum reduzierten. Um mich gut zu fühlen und mich bzw. mein Inneres zu schützen, habe ich versucht, nach außen hin immer die Starke zu spielen, die alles im Griff hat und die sich alles auflud. Ich habe versucht, mir eine perfekte Hülle zu schaffen, ohne zu merken, warum ich das eigentlich tat. Ich wollte von meinem zerrissenen Inneren ablenken. Ich wollte nach außen hin immer perfekt sein und alles richtig machen, immer liefern. Trotzdem hatte ich immer das Gefühl, nicht gut genug zu sein. Zudem waren Misserfolge und Niederlagen für mich schwer bis gar nicht zu verkraften. Bei Misserfolgen erlebte ich intensive Selbstzweifel und Unsicherheit, mein Selbstwertgefühl war völlig im Keller. Am Ende war ich immer traurig.
Warum habe ich getrunken?
Ich trank hauptsächlich, weil ich ständig unter großer Anspannung stand und negative Gefühle und Ereignisse betäuben/vergessen wollte. Ich wollte aus der Rolle des Perfekten ausbrechen und meine inneren Selbstzweifel, mein kaum vorhandenes Selbstwertgefühl betäuben. Ich hatte das Gefühl, dass mein Körper in ständiger Alarmbereitschaft war. Ich zweifelte ständig an mir. Ich stand immer unter enormer Anspannung. Wenn das Fass an Selbstzweifeln, innerer Zerrissenheit, Sorgen, Problemen und Stress wieder einmal übergelaufen war, suchte ich Erleichterung und Trost im Alkohol. Der Alkohol war dann mein Heilmittel.
Äußere Motive:
Bei Feiern oder Anlässen wie Weihnachtsmarktbesuchen, Geburtstagen, in geselliger Runde habe ich mich meistens dazu hinreißen lassen, Alkohol zu trinken. Das waren Momente ohne Stress und Anspannung. Alkohol wurde dann von mir hauptsächlich als Genussmittel getrunken.