Wieso passiert das nicht wieder?
30. Hätten sie, rückblickend, eine Drogenkarriere verhindern können?
Ja, sowohl 1985 als auch im Ende 2012 unterlag ich in gewisser Hinsicht einem Gruppenzwang bzw. dem Charme einer Gruppe. Gerade was den Kokainkonsum anbelangt, hätte ich aus meinen Erfahrung wie es zu dem damaligen Konsum kam erkennen müssen, dass ich mich wieder in einer ähnlichen Situation befinde und entsprechend meinen Erfahrungen keine Drogen konsumieren dürfen. Dieser Umstand ist mir nun wieder sehr bewusst geworden und im Gegensatz zu damals auch mit wesentlich deutlicheren Konsequenzen hinterlegt, die dauerhaft (auch über den Führerscheinentzug hinaus) nachwirken. Im Gegensatz zu dem vergessen der schulischen Probleme von einst wird mir die aktuelle Situation zukünftig stets eine Warnung sein.
Darüber hinaus ich hätte erkennen müssen, dass es mir nicht möglich ist in zwei getrennten Welten zu leben. Auf den Wegen zwischen meinen damaligen Lebenswelten habe ich die Zerrissenheit gefühlt und hätte entsprechend handeln müssen also die Welten vereinen. Hätte ich diesen Schritt gewagt wäre mir schnell deutlich geworden, dass diese nicht zueinander passen und ich entsprechend handeln hätten können.
Letztendlich ist es aber auch die Erkenntnis, dass ich die Zeit nicht aufhalten kann, insbesondere nicht durch den Konsum von Drogen. Vielmehr liegt mein Augenmerk jetzt auf das Leben dass noch vor mir liegt und welches noch weitaus mehr zu bieten hat als die vermeintliche Trauer über die vergangenen Jahre.
31. Wieso haben Sie sich für eine Abstinenz entschieden?
Neben den körperlichen Folgen sind es in erster Linie meine Kinder die mich Abstand von einem erneuten Konsum von Drogen halten lassen. Sie sind mir das wichtigste in meinem Leben, ich will diesen ein guter und vor allem gesunder, wacher und aufmerksamer Vater sein. Dies ist nicht mit dem Konsum von Drogen vereinbar. Ich kann mich glücklich schätzen, dass die Mutter meiner Kinder mir weiterhin Vertrauen schenkt. Dieses Vertrauen darf ich meiner Kinder zuliebe nicht enttäuschen.
Daneben stehe ich beruflich momentan vor einer entscheidenden Situation in meinem Leben. Ich habe im September 2011 ein Unternehmen gegründet, mein Ziel dieses Unternehmen zu einer erfolgreichen Gesellschaft aufzubauen verlangt mir viel Kraft ab. Aktuell bin ich dabei auf einem guten Weg und ich möchte dies nicht durch Drogen gefährden. Gerade mit dem Wissen welche körperliche Folgen der Konsum von Drogen nach sich ziehen kann, kann ich mir jetzt und in Zukunft nicht vorstellen nochmals Drogen zu konsumieren, da dies nicht mit den hohen beruflichen Belastungen einhergehen kann.
In diesem Zusammenhang ist mir auch bewusst geworden, dass ich auch Ausgleich für die Belastungen zum Abbau von beruflichem Stress brauche. Seit Anfang des Jahres gehe ich regelmäßig, d.h. mindestens einmal die Woche für ca. eine Stunde schwimmen, Mindeststrecke sind 1.500m wenn ich es schaffe 2.000m. Die Konzentration auf den gleichmäßigen und effizienten Bewegungsablauf verbunden mit dem Wechseln des Elements und damit dem abgeschnitten sein von der Welt außerhalb des Wassers lassen mich innerhalb kürzester Zeit abschalten bzw. eintauchen. Danach fühle ich mich stets wesentlich ruhiger und klarer.
32. Beschreiben Sie den Punkt, an dem Sie sich für ein abstinentes Leben entschieden haben (Knackpunkt)
Der Gedanke keine Drogen mehr zu konsumieren kam bereits vor der Kontrolle durch die Polizei, mehr oder weniger unmittelbar nach dem abklingen der euphorisierenden Wirkung des Kokains und dem Eintreten der Nachwirkungen. Der eigentliche Knackpunkt war die, aus dem Konsum heraus entstehende Situation am Sonntagnachmittag nach dem Weihnachtsessen/feier.
Gegen 14:00 war eigentlich ein Familienspaziergang mit anschließendem gemeinsamem Abendessen vereinbart, dies habe ich unter dem Vorwand einer Erkältung abgesagt. Aufgrund meiner körperlichen und seelischen Verfassung fühlte ich mich nicht in der Lage vernünftig mit meiner Familie zu kommunizieren bzw. auf die Bedürfnisse der Kinder einzugehen. In dem Moment, in dem ich den gemeinsamen Nachmittag absagte, spürte förmlich wie ich in meiner Verantwortung gegenüber den Kinder versagte. Mir wurde bewusst, dass so etwas nie mehr vorkommen darf.
33. Wieso kommt für Sie nur Abstinenz und nicht für gelegentlicher Konsum in betracht?
In dem Zusammenhang gibt es für mich kein gelegentlich. Gelegentlicher illegaler Konsum ist und bleibt dauerhaft eine illegale Handlung. Die erlebten körperlichen, rechtlichen und nicht zuletzt finanziellen Folgen haben einen unmittelbaren Einfluss auf den Alltag, den ich mit meinen Kindern verbringe und dieser Einfluss ist nicht positiv.
Aber auch die Gefahr durch Drogenkonsum meine Ziele aus den Augen zu verlieren spielt dabei eine entscheidende Rolle. Durch meine Auseinandersetzung mit meiner eigenen Drogenkarriere habe ich für mich erkannt, dass lediglich die Abstinenz die Sicherheit bietet eine Bagatellisierung zu vermeiden und somit in einen gewohnheitsmäßigen Missbrauch zu rutschen.
34. Wie haben Sie die Umstellung zur Abstinenz erlebt?
Positiv, einerseits war ich nach dem einmaligen Konsum von Kokain körperlich in einer solch schlechten Verfassung, dass eine Abstinenz nur als positiv empfunden werden kann. Rückblickend gesehen fühlte ich mich nach dem gelegentlichen Konsum von Cannabis Ende 2012 an den darauf folgenden Tagen stets lethargisch und leistungsunwillig. Nun bin ich nicht täglich auf dem gleichen Leistungsniveau, sicherlich gibt es gute und weniger gute Tage, jedoch lassen sich zuvor die schlechten Tage eindeutig mit dem Konsum in Verbindung bringen.
Im Zuge meiner Auseinandersetzung mit meiner Situation und meinem Handeln innerhalb des letzten Jahres bin ich im April durch einen Freund zu einer Männergruppe gestoßen, Kreis der Männer – ManKind Project Deutschland. In wöchentlichen Integrationsgruppen treffen sich dort Männer unterschiedlichster Couleur um an sich zu arbeiten. Die Treffen folgen stets einem festen Ritual und bilden so einen gesicherten und geschlossenen Rahmen. Ein Bestandteil des Rituals ist die Aufstellungsarbeit in der jeder der teilnehmenden Männer hier an seinen Themen arbeiten kann.
Ich persönlich habe hier eine für mich völlig neue Erfahrung gemacht, in diesen geschlossenen Gruppen kann ich vorbehaltlos und offen über meine Probleme sprechen ohne meinem Rollenbild als starker Mann entsprechen zu müssen. Dies gibt mir die Möglichkeit ein andere Sichtweise auf mein Handeln zu erlangen. Im Rahmen der Aufstellungsarbeit habe ich mich einerseits mit den Ursachen meines Drogenkonsums auseinandergesetzt um so auch Möglichkeit für einen zukünftigen Umgang mit entsprechenden Situationen zu entwickeln.
Kurz gefasst zeigten sich in der Arbeit zu dem Drogenthema vier wesentliche Aspekte:
1. Mein Bedürfnis nach Abgrenzung
Resultierend aus der bürgerlichen Enge meiner Jugend mit selbständigen Eltern in einem kleine Ort, besteht in mir ein starkes Bedürfnis nach Abgrenzung von diesen „spießigen“ Idealen. Neben der Tatsache, dass ich meinen Kindern diese „Ideale“ nicht auferlege verspürte ich immer noch den Wunsch auch mir selbst zu beweisen, dass ich nicht so bin. Der Drogenkonsum war auch die Folge dieses Beweiswunsches.
2. Meine Bedürfnis nach Annerkennung
Während ich nach Außen stets versuche als autonome, unabhängige und eigenständige Person wahrgenommen zu werden besteht in mir ein hohes Bedürfnis Akzeptanz und Anerkennung von einzelnen Menschen und Gruppen zu erhalten. Dies ging soweit, dass ich meinen Ideale in Teilen verbogen habe um eine vermeintliche Schnittmenge mit meinem Handeln herzustellen.
3. Mein Harmoniebedürfnis oder besser meine Scheu vor Konflikten
Tendenziell neige ich dazu gegenüber wortgewandten, eloquenten Menschen zu nachgiebig zu sein und nach der Devise „Du hast Recht und ich hab meine Ruhe“ zu handeln. Dieses Handeln führt jedoch dazu, dass ich letztendlich meine Ideale verrate.
4. Meine Härte gegen mich selbst bzw. meine Unfähigkeit mich selbst zu belohnen
Grundsätzlich bin ich eine sparsame Person, z.B. ist es für mich sehr wichtig stets einen ausgeglichenen Kontostand zu haben oder nichts auf Pump zu kaufen. Dieser Wesenszug führte in den letzten Jahren (u.a. durch die anfänglich kritische finanzielle Situation als Existenzgründer) verstärkt dazu, dass ich mich selbst nicht mehr für gute Leistung belohnt habe und hat die Zufriedenheit mit mir selbst und somit auch ein gewisses Maß an Gelassenheit verhindert.
35. Wer hat Ihnen dabei wie geholfen?
Es ist viel weniger ein „Wer“ als ein „Was hat mir dabei geholfen“. Die Zeit die ich mit meinen Kindern verbringe und die Tatsache, dass ich nicht mehr in zwei getrennten Welten lebe geben mir nun wieder Ruhe und Kraft.
Darüber hinaus habe ich durch meine Arbeit in der Männergruppe wieder gelernt mich selbst zu belohnen. Einer der wichtigsten Punkte dabei ist, dass ich mir Zeit für mich selbst gönne und mir Fluchten aus dem Alltagstrott geschaffen habe. Hier zählen unter anderem der Sport und die regelmäßige Teilnahme an der Männergruppe. Ein nicht unerheblicher Faktor ist u.a. das Angeln, ein wiederentdecktes Hobby aus meiner Kindheit/Jugend. Neben der Ruhe und Erholung gibt es mir vor allem ein „wahrhaftiges“ Stück Kindheit und Unbeschwertheit zurück, in vielen Situationen am Wasser denke ich daran zurück wie es früher war und was wir alles versucht haben um Fische zu fangen. Soweit es möglich ist versuche ich nun auch meinen Sohn dafür zu begeistern und mit ihm gemeinsam Zeit am Wasser zu verbringen. In diesen Momenten fühle ich mich richtiggehend geerdet.
Weiterhin habe ich im März die (alleinerziehende) Mutter einer Kindergartenfreundin meiner Tochter näher kennengelernt. Da ich nach meiner vorherigen Erfahrung keine Versteckspiele mehr haben möchte und natürlich aufgrund der Tatsache, dass ich kein Auto fahren darf, habe ich Ihr die Umstände meines Führerscheinentzugs offengelegt. Sie verurteilt mich deshalb nicht und akzeptiert die aktuelle Situation. Unsere Kinder wissen mittlerweile von dieser Annäherung, jedoch ist es aufgrund der schon vorher häufigeren und von uns forcierten Verabredungen mit nachfolgendem gemeinsamen Essen, für die Kinder auch nichts ungewöhnliches uns gemeinsam zu sehen. Allem Anschein nach akzeptieren sie die Situation ohne Ressentiments.
36. Wie reagiert Ihr Umfeld auf diese Umstellung?
Grundsätzlich ist die Abstinenz für mein Umfeld keine Umstellung da die Menschen mich nicht als Drogenkonsument kennen. Vielmehr waren Sie verwundert, dass ich Drogen konsumiert habe und sehen in der Abstinenz eine Rückkehr zur Normalität.
37. Haben Sie nach der Auffälligkeit weiterhin Kontakt zu Ihren Drogenbekannten gehabt?
Nein, nach Beendigung der Affäre und meiner Konzentration auf mein bestehendes Umfeld habe ich keinen Kontakt mehr zu der Frau bzw. zu deren Drogenbekannten. Die Kontakte aus Süddeutschland existieren seit nahezu 25 Jahren nicht mehr
38. Haben Sie nach Ihrer Auffälligkeit miterlebt, wie Ihre Bekannten Drogen konsumiert haben?
Nein, da jeglicher Kontakt abgebrochen ist.
39. Wie haben Sie in Zukunft vor mit Cannabis/dem Konsum umzugehen?
Ich werde keine Drogen mehr konsumieren, auch werde ich zukünftig wieder verstärkt darauf achten näheren Kontakt mit Drogen und deren Konsumenten zu vermeiden. Sollte sich in meinem Bekanntenkreis der Verdacht auf Konsum ergeben werde ich die Person offen ansprechen.
Jedoch werde ich nicht dazu übergehen Person die Drogen konsumieren verurteilen. Ich habe mich, vor allem resultierend aus den körperlichen Folgen und dem damit einhergehenden Versagen in meiner Verantwortung meiner Kinder gegenüber „für mich“ gegen den Konsum von Drogen entschieden. Vielmehr geht es darum meine eigenen Erfahrungen zu nutzen und entsprechend zu versuchen mit den betroffenen Personen in Dialog zu treten. Sofern hier Bereitschaft zu Gesprächen besteht werde ich zuhören und in meinem, mir möglichen Rahmen versuchen der Person entsprechende Unterstützung zur Erörterung der Ursächlichkeiten anbieten. Ich selbst sehe mich (fachlich und zeitlich) nicht in der Lage jemandem dauerhaft zu helfen seinen Drogenkonsum zu beenden, jedoch denke ich, dass ich einen Anstoß geben zur Auseinandersetzung mit dem Thema geben kann.
40. Haben Sie zu Hause Cannabis?
Nein
41. Wie wollen Sie es gegebenen Falls in Zukunft verhindern, nochmals unter Drogeneinfluß ein KFZ zu führen?
Durch die strikte Einhaltung meiner Abstinenz. Ich werde keine Drogen mehr konsumieren und somit auch nicht mehr Gefahr laufen, unter Drogeneinfluss ein KFZ zu führen.
42. Wie wollen Sie einen beginnenden Rückfall erkennen?
Einen Rückfall schließe ich theoretisch aus, da ich den Kontakt mit Drogen und den Konsumenten vermeide. Falls ich doch einmal ein Verlangen verspüren sollte, wende ich mich vertrauensvoll an meine Familie oder Freunde. Zukünftig werden meine Probleme nicht verdrängt sondern offen mit meiner Familie/Freunden/Bekannten ausdiskutiert. Auch weiß ich, dass ich selbst vor professioneller Hilfe keine Angst zu haben brauche.
Darüber hinaus werde ich auch zukünftig regelmäßig an den Männergruppen teilnehmen. Ich sehe hier eine sehr große Hilfestellung sein eigenes Leben und Handeln objektiviert zu beleuchten. Durch die Aufstellungsarbeit der anderen Männer und der Darlegung ihrer Probleme lernt man sehr viel über sich selbst bzw. kann Parallelen zu seinem eigenen Leben ziehen. Auch ergeben sich in der eigenen Arbeit oftmals Sachverhalte die vorher nicht so zu Tage getreten sind. Für mich ist diese Arbeit ein präventives Mittel geworden um mögliche Probleme rechtzeitig zu erkennen und aktiv anzugehen dank der Hilfestellung der anderen Männer.
43. Wie ist derzeit der Konsum von Alkohol bei Ihnen?
Wie bereits zuvor erwähnt konsumiere ich Alkohol lediglich in Gemeinschaft und mäßig. Um es grob zu beziffern wären dies in der Woche insgesamt ca. drei Flaschen Bier bzw. eine halbe Flasche Wein verteilt über zwei bis drei Tage.