Exploration
8. Wann hatten Sie den ersten Kontakt mit Alkohol und wann haben Sie das erste Mal Alkohol zu sich genommen?
(Allererste Erinnerung und erster Konsum)
Ich habe mal gesehen, wie mein Vater eine Flasche Bier im Gartengetrunken hat. Selber zum ersten Mal getrunken habe ich als Jugendliche, als meine Freunde und ich anfingen, am Wochenende abends wegzugehen. Da war ich etwa 17 Jahre alt.
9. Haben Sie regelmäßig Alkohol getrunken, und wie hat sich ihr Trinkverhalten in den letzten Jahren entwickelt ?
In der ersten Zeit (als Jugendliche 16-17J.) habe ich kaum Alkohol getrunken. Ich fand es immer total peinlich, wenn meine Freunde oder Bekannten betrunken waren und nur noch Unsinn geredet und/oder gemacht haben. Auf einer Oberstufenparty (ca 18J.) war ich das erste Mal richtig betrunken. Ich konnte mich zwar artikulieren und laufen aber wie! Ich habe mich unendlich geschämt. Danach hab ich mich mit dem Alkohol wieder zurückgehalten wie früher auch und habe die Blamage den anderen überlassen. Als ich dann mit meinem Freund zusammen kam (ich war knapp 20), standen regelmäßig Partys oder irgendwelche Gelegenheiten zum Feiern an. Er ist selbstständiger Handwerker, so wie die anderen Männer in der Cliqü auch. Während die Männer den Baccardi aus der Schublade holten, schlürften die Damen Sekt und wir kamen uns alle unheimlich toll und wichtig vor. Mit der Zeit vertrug ich mehr. Ich fand zwar irgendwann die Damenwelt recht beschränkt, aber wenn ich einige Gläser Sekt getrunken hatte, dann fand ich sie nicht mehr ganz so dumm und konnte mich mit ihnen unterhalten. Ich wollte auch nicht, dass die Meinung aufkam, mit mir wäre nichts los oder meinen Freund bloß stellen, weil ich mich absondere. Meinen alkoholischen Höhepunkt hatte ich, als wir uns nach über 10 Jahren trennten. (32J.) Ich habe jeden Abend ungefähr eine Flasche Wein oder Sekt. Nach ca 2 Wochen habe ich das wieder reduziert, da ich das Haus meines verstorbenen Vaters entrümpeln musste(ich musste fit sein). Meine Mutter wollte das Haus nun verkaufen, damit ich meine aktülle Wohnung kaufen konnte und nicht auf der Strasse saß. Viel geredet hab ich über die Trennung nicht, ich war der Meinung, es wäre meine Sache. Er war ja recht bekannt in der Stadt und es war mir unangenehm. Danach habe ich häufiger mal ein Glas Wein getrunken. Bis zu 1 Flasche Wein in 7 Tagen war ok für mich. Wenn am Wochenende eine Feier war, dann konnte ich mengenmäßig auch 1,5-2 Flaschen Wein am Abend trinken, allerdings war ich dann auch immer schwer angetüdelt . ...
Es waren auch immer wieder mehrere Wochen dabei, in denen ich gar nichts getrunken habe. Mir war dann einfach nicht danach.
10. Wie viel und wie oft haben Sie getrunken?
(Genaü Angaben in Sorte, Menge, Häufigkeit)
Ich habe als Jugendliche (etwa 17 Jahre alt) ca 1-2 Gläser Altbier im Monat - auch gerne gemischt mit Cola - getrunken. Mehr mochte ich nicht, genau genommen hat mir die Cola sogar besser geschmeckt. (18 Jahre) Innerhalb der nächsten Jahr steigerte sich das auf bis zu 2 -4 Gläser am Wochenende. Ansonsten trank ich lieber Schweppes-Getränke. Als die wöchentlichen Partys und Treffen mit meinem damaligen Freund und seinen Freunden anfingen, sah das schon ganz anders aus. Statt einem Glas Bier beim Osterfeür habe ich ausschließlich Sekt und Wein konsumiert. (20 Jahre) Anfänglich habe ich nicht viel davon vertragen etwa 3 Gläser Sekt am Abend aber nach einiger Zeit konnte ich mehr trinken und mit den anderen mithalten, ohne mich zu blamieren. Ich fing an, auch zuHause Sekt zu servieren. Wenn Besuch kam, kam selbstverständlich Sekt auf den Tisch, es wurde gar nicht erst gefragt. Wenn ich zu Besuch war, war es das gleiche. (Ca 25 Jahre) Inzwischen konnte ich im Laufe eines Abends fast eine komplette Flasche Sekt leeren. Allerdings war ich danach meist sehr wackelig auf den Beinen .
(32 Jahre) Dann kam die Trennung, die mich sehr aus der Bahn geworfen hatte. Ich trank sehr viel Alkohol jeden Abend eine knappe Flasche Sekt oder Wein, weil ich nicht darüber nach-denken wollte und mir selber nur noch leidgetan habe. Außerdem war es ja üblich, dass man soff , wenn man Kummer hatte. Das Leben war so tatsächlich scheinbar etwas erträglicher. Nach ein paar Wochen habe ich das aber wieder reduziert, weil ich fit sein wollte, ich musste das Haus meines verstorbenen Vaters entrümpeln wenn ich bis zu 2-3 Gläser Wein alle 2 oder 3 Tage trank, kam ich gut damit klar. Ich hatte immer noch viel Stress wegen der Trennung und dem Verkauf meines Elternhauses aber ich hatte immer wieder Phasen, in denen ich gar nichts getrunken hatte, weil ich absolut kein Verlangen danach hatte.
Bis zum Zeitpunkt meiner Abstinenzkonnte ich jedoch problemlos bis zu einer ganzen Flasche Wein am Abend trinken - wenn ich wollte, mein jetziger Freund hat davon dann nicht viel ab-bekommen.
Wenn ich auf einer rauschenden lustigen Feier war, dann konnte ich sogar bis zu 1,5 -2 Flaschen trinken je nach Tagesform. Danach war ich allerdings immer schwer betrunken, das war jedoch nicht auf jeder Feier der Fall. Ich hatte nicht immer Lust, mich zu betrinken und konnte auch mit Cola zufrieden sein. Wenn mir die Trinkerei der anderen dann zuviel wurde oder ich nicht in Stimmung war, bin ich gegangen.
11. Wo und mit wem haben Sie überwiegend getrunken?
in den ersten Jahren habe ich nur getrunken, wenn ich aus war oder auf einer Party. Also nur in Gesellschaft. Nach der Trennung habe ich alleine getrunken, denn ich wollte mich betäuben und mich gleichzeitig aber so niemandem präsentieren. In den letzten Jahren habe ich im in Gesellschaft auf Feiern oder Veranstaltungen getrunkenbzw mit meinem Freund zu Hause. Er hat auch gerne mal ein Glasgetrunken, aber ich habe meist mehr verköstigt als er.
12. Warum haben Sie getrunken?
(Innere + äußere Motive)
Alle tranken, und ich wollte für meinen Freund in der selbstständigen Handwerkerwelt eine Freundin sein, sich nicht immer absonderte und langweilig war, sondern auch kräftig feiern konnte. Es sollte immer alles perfekt und vorzeigbar sein. Auch wenn ich auf manche Treffen gerne verzichtet hätte, habe ich immer mitgemacht. Mein Freund sagte mal zu mir: warum bist du nicht so wie XXX, die geht auch immer mit und hat Spass .. . Ich hätte natürlich NEIN sagen können, aber ich wollte, dass er mit mir zufrieden und Stolz auf seine Freundin ist, die sich mit allen gut versteht und die auch mal rustikal sein kann. Er war ja der Chef und das war bei seinen Handwerkern sehr wichtig. Es ging mir darum, ein perfektes und lohnenswertes Leben darzustellen. Immer nur lachen, man redet nur über angenehme Dinge. Sorgen hab ich lieber für mich behalten, denn ich wollte nie unser Bild nach aussen zerstören. Ich hätte niemals eine Schwäche zugegeben. So hab ich mir meine sorgenfreie Welt geschaffen, an die ich sogar geglaubt habe.
Meine Trennung war ein schwerer Schlag für mich, ich sah mein ganzes Leben zerstört und konnte nicht fassen, dass ich vor den Augen aller einfach kommentarlos ausgetauscht worden war. Ich hatte blind vertraut und das hat mir den Hals gebrochen. Ich war doch so geworden, wie er mich wollte.
Mir war nicht bewusst, dass sich für mich gerade die Vergangenheit wiederholte, denn mit meinem Suchtberater habe herausgefunden, dass ich als Kind eine Form von Verlassensangst entwickelt habe. Mir nahestehende Personen (Vater &Scheidung) lehnten mich auf einmal ab oder verschwanden aus meinem Leben ohne mir einen Grund zu nennen. Ich war im Zwiespalt: ich habe ihn geliebt und gleichzeitig dafür gehaßt. Aber die Schuld habe ich doch immer bei mir gesucht. Ich habe im späteren Leben immer versucht, niemandem einen Grund zu geben, mich zu verlassen. Dabei habe ich natürlich meine eigenen Bedürfnisse zurück gesteckt. Ich hatte auch mit niemandem reden können denn dann hätte ich ja öffentlich zugeben müssen, dass gar nicht alles so perfekt ist, wie ich es immer darstellen wollte. Ich musste es jedem Recht zu machen und habe mich selbst derartig unter Druck gesetzt, dass ich es manchmal selber kaum ertragen konnte. Daher auch manchmal das Gefühl, mir den Feierabend beweisen zu müssen.
Viele Gespräche mit meiner Familie und der meines Vaters haben ergeben, dass mein Vater, den ich früher so abgöttisch liebte, die Trennung einfach nie überwunden hatte. Er hat mich zwar abgelehnt, aber nur, weil er meiner Mutter weh tun wollte, aber nicht an sie heran kam. Er hat wohl auch sehr darunter gelitten, aber er hat es mir nie gesagt. Es war nicht meine Schuld. Traurigerweise hätte ich meine Erlösung schon eher bekommen können, wenn ich selbst Gespräche über meinen Vater zugelassen hätte. Er hatte mich verlassen, also habe ich alles abgeblockt, so wie ich generell nicht über Probleme gesprochen habe.
1 3. Welche Wirkung haben Sie in der Vergangenheit nach Alkoholgenuss bei sich beobachtet?
(bei wenig und bei viel Alkohol)
Bei geringen Mengen war das für mich die Erlaubnis, mich zu entspannen und frei zu haben. Ich wurde lockerer und fühlte mich wohlig und gut. Ich hatte immer viele kreative Ideen, die ich aber meistens nicht umgesetzt habe, denn wenn ich mehr getrunken hatte, wurde ich zu beqüm. Ich war oft am nächsten Morgen unkonzentriert und müde, wenn ich abends etwas getrunken hatte. Mit einem Glas Wein habe ich auch gerne für mich alleine meine Probleme diskutiert.
Ich war hemmungsloser in meine Äusserungen anderen gegenüber, ich konnte sehremotional werden.
14. Gab es kritische Hinweise Anderer auf Ihren Alkoholkonsum und wie haben Sie darauf reagiert ?
Mein Freund hat mich öfterdarauf hingewiesen, dassmein Glas schon wieder leer war. Ich habe immer geantwortet, er solle mir nicht die Zigaretten oder den Wein vorzählen, schließlich würde er selber ja auch was trinken und er sei manchmal wie ein Kindermädchen. Dann war das Thema wieder vom Tisch. Meine Freunde wussten, dass ich mich unter Alkoholeinflußmanchmal ins Koma rede und haben darauf auch schon mal angesprochen. Aber es wurde nie weiter thematisiert und war für mich daher keine große Sache.
15. Welche Auswirkungen und Folgen hatte Ihr Alkoholkonsum auf Ihr Leben und Ihr Umfeld?
ich war nach Feiern öfter unkonzentriert und müde und habe dadurch nach meiner heutigen Sicht den halben Tag nicht richtig mitbekommen, weil ich den ganzen Tag verschlafen habe. Ich habe auch schon mal deshalb private Termine versäumt .Ich habe einige Leute mit meinen Worten vor den Kopf gestoßen, weil ich nach Alkoholgenuß hemmungsloser wurde - da hab ich schon mal die Diplomatie komplett vergessen und oft geredet, ohne nachzudenken. Damit habe ich auch schon mal eine Party geschmissen und es sind auch schon Einladungen deshalb an mir vorbeigegangen. Mit einigen Leuten habe ich es mir dann verscherzt. Meine Gymnastikgruppe habe ich auch nicht mehr so oft besucht und Hobbies, die etwas Konzentration erforderten, nicht mehr so oft ausgeübt. Malen z.B.
Meine Freunde waren dennoch im Nachhinein überrascht, als ich ihnen erklärte, dass ich keinen Alkohol mehr trinke und warum: nämlich weil ich unbedingt verhindern möchte, dass mein Alkoholmißbrauch in die Abhängigkeit abrutscht. Das finden sie in Ordnung. Mein Mißbrauch war ihnen nicht aufgefallen, wohl aber mein loses Mundwerk.
16. Gab es in Ihrem bisherigen Leben frühere Zeiten, in denen sie weit mehr Alkohol als heute getrunken haben?
Wenn ja, nennen sie bitte die Lebensabschnitte und mögliche Ursachen und Umstände dafür.
Ich habe nach meiner Trennung vor 10 Jahren für einige Wochen viel mehr getrunken. Heute ist mir klar, dass ich nicht nur die Traür über den Verlust meines Freundes beweint habe sondern immer noch den meines Vaters. In beiden Fällen fühlte ich mich ohne Gründe oder Erklärungen verlassen und ich dachte, ich wäre schuld. Heute weiss ich, dass diese Schuldgefühle unnötig waren, denn ich war nicht schuld. Ich trinke seit der TF gar nicht mehr und habe es auch nicht vor. ich fühle mich besser .
17. Haben sie jemals die Kontrolle über ihre Trinkmenge verloren und bis zur Volltrunkenheit Alkohol konsumiert?
Nein .
18. Haben Sie früher schon einmal oder öfter über einen längeren Zeitraum bewusst und mit Absicht völlig auf den Genuss von Alkohol verzichtet?
Nein .
19. In welcher Kategorie von Trinker haben sie sich früher gesehen und wie stufen Sie sich heute rückblickend ein?
(mit Begründung )
Ich sah mich als ein Gesellschaftstrinker, der gerne lacht und gleichzeitig gemütlich daheim seinen Wein trinkt. Ich konnte zwar eine ganze Menge vertragen, glaubte aber , immer alles gut im Griff zu haben und mit beiden Beinen fest auf dem Boden zu stehen. Also dachte ich: alles harmlos. Rückblickend kann ich definitiv sagen, dass ich Missbrauch betrieben habe (ich habe meine Toleranz gesteigert - konnte also immer mehr vertragen, ich habe Freunde brüskiert durch meine vorschnellen und gedankenlosen Ausssagen - immer, wenn ich etwas getrunken hatte .)