9. Haben Sie regelmäßig Alkohol getrunken, und wie hat sich ihr Trinkverhalten in den letzten Jahren entwickelt?
In der ersten Zeit (als Jugendliche 16-17J.) habe ich kaum Alkohol getrunken. Ich fand es immer total peinlich, wenn meine Freunde oder Bekannten betrunken waren und nur noch Unsinn geredet und/oder gemacht haben. Auf einer Oberstufenparty (ca 18J.) war ich das erste Mal richtig betrunken. Ich konnte mich zwar artikulieren und laufen aber wie! Ich habe mich unendlich geschämt. Danach hab ich mich mit dem Alkohol wieder zurückgehalten wie früher auch und habe die Blamage den anderen überlassen. Als ich dann mit meinem Freund zusammen kam (ich war knapp 20), standen regelmäßig Partys oder irgendwelche Gelegenheiten zum Feiern an. Er ist selbstständiger Handwerker, so wie die anderen Männer in der Cliqü auch. Während die Männer den Bacardi aus der Schublade holten, schlürften die Damen Sekt und wir kamen uns alle unheimlich toll und wichtig vor. Mit der Zeit vertrug ich mehr. Ich fand zwar irgendwann die Damenwelt recht beschränkt, aber wenn ich einige Gläser Sekt getrunken hatte, dann fand ich sie nicht mehr ganz so dumm und konnte mich mit ihnen unterhalten. Ich wollte auch nicht, dass die Meinung aufkam, mit mir wäre nichts los oder meinen Freund blos stellen, weil ich mich absondere. Meinen alkoholischen Höhepunkt hatte ich, als wir uns nach über 10 Jahren trennten. (32J.) Ich habe jeden Abend ungefähr eine Flasche Wein oder Sekt. Nach ca 2 Wochen habe ich das wieder reduziert, da ich das Haus meines verstorbenen Vaters entrümpeln musste(ich musste fit sein). Meine Mutter wollte das Haus nun verkaufen, damit ich meine aktülle Wohnung kaufen konnte und nicht auf der Strasse saß. Viel geredet hab ich über die Trennung nicht, ich war der Meinung, es wäre meine Sache. Er war ja recht bekannt in der Stadt. Danach habe ich dann regelmäßig getrunken. Jeden 2-3 Abend mindestens eine halbe Flasche Wein in der Woche waren ok für mich also ca 3-4 Flaschen in der Woche. Ich habe nicht nur abends getrunken, sondern zu allen möglichen Anlässen: Zum Aquarienreinigen, zum Blumen pflanzen usw. das war dann auch schon mal mittags. Wenn ich in der Sonne gelegen habe, gehörte immer ein Glas Wein oder Sekt dazu. Weils so schön war. Wenn eine Feier war, dann konnte ich mengenmäßig auch 1,5-2 Flaschen Wein trinken, allerdings war ich dann auch immer schwer angetüdelt. Ärgerlich war nur das Flaschenentsorgen. Das hab ich immer in kleinen Rationen gemacht, weil es sonst so versoffen aussah.
10. Wie viel und wie oft haben Sie getrunken?
(Genaü Angaben in Sorte, Menge, Häufigkeit)
Ich habe als Jugendliche (etwa 17 Jahre alt) ca 1-2 Gläser Altbier im Monat - auch gerne gemischt mit Cola - getrunken. Mehr mochte ich nicht, genau genommen hat mir die Cola sogar besser geschmeckt. (18 Jahre) Innerhalb der nächsten Jahr steigerte sich das auf bis zu 2 -4 Gläser am Wochenende. Ansonsten trank ich lieber Schweppes-Getränke. Als die wöchentlichen Partys und Treffen mit meinem damaligen Freund und seinen Freunden anfingen, sah das schon ganz anders aus. Statt einem Glas Bier beim Osterfeür habe ich ausschließlich Sekt und Wein konsumiert. (20 Jahre) Anfänglich habe ich nicht viel davon vertragen etwa 3 Gläser Sekt am Abend aber nach einiger Zeit konnte ich mehr trinken und mit den anderen mithalten, ohne mich zu blamieren. Ich fing an, auch zu Hause Sekt zu trinken. Wenn Besuch kam, kam selbstverständlich Sekt auf den Tisch, es wurde gar nicht erst gefragt. Wenn ich zu Besuch war, war es das gleiche. (Ca 25 Jahre) Inzwischen konnte ich im Laufe eines Abends fast eine komplette Flasche Sekt leeren. Allerdings war ich danach meist sehr wackelig auf den Beinen. Ich . (32 Jahre) Dann kam die Trennung, die mich sehr aus der Bahn geworfen hatte. Ich trank sehr viel Alkohol jeden Abend eine knappe Flasche Sekt oder Wein, weil ich nicht darüber nachdenken wollte und mir selber nur noch leidgetan habe. Außerdem war es ja üblich, dass man soff, wenn man Kummer hatte. Das Leben war so tatsächlich etwas erträglicher. Nach ein paar Wochen habe ich das wieder reduziert, weil ich fit sein musste aber von nun an trank ich fast jeden 2-3 Abend mindestens eine halbe Flasche Wein. Ich hatte immer noch viel Stress wegen der Trennung und dem Verkauf meines Elternhauses.
Ich konnte jetzt zum Schluss problemlos bis zu einer ganzen Flasche Wein trinken, Mein Freund hat davon dann nicht viel abbekommen. Wenn ich auf einer rauschenden lustigen Feier war, dann konnte ich bis zu 1,5 -2 Flaschen trinken je nach Tagesform. Danach war ich allerdings immer schwer betrunken, das war nicht auf jeder Feier der Fall aber auf vielen.
11. Wo und mit wem haben Sie überwiegend getrunken?
in den ersten Jahren habe ich nur getrunken, wenn ich aus war oder auf einer Party. Also nur in Gesellschaft. Später habe ich mehr zu Hause getrunken. Ständig wegzugehen war mir zu teür, aber auf meinen Alkohol wollte ich auch nicht immer verzichten. Mein Freund hat auch gerne ein paar Gläser mitgetrunken, aber ich habe immer mehr getrunken als er.
12. Warum haben Sie getrunken?
(Innere + äußere Motive)
Alle tranken, und ich wollte für meinen Freund in der selbstständigen Handwerkerwelt eine Freundin sein, sich nicht immer absonderte und langweilig war, sondern auch kräftig feiern konnte. Es sollte immer alles perfekt und vorzeigbar sein. Auch wenn ich auf manche Treffen gerne verzichtet hätte, habe ich immer mitgemacht. Mein Freund sagte mal zu mir: warum bist du nicht so wie XXX, die geht auch immer mit und hat Spass .. . Ich hätte natürlich NEIN sagen können, aber ich wollte, dass er mit mir zufrieden und Stolz auf seine Freundin ist, die sich mit allen gut versteht und die auch mal rustikal sein kann. Er war ja der Chef und das war bei seinen Handwerkern sehr wichtig. Es ging mir darum, ein perfektes und lohnenswertes Leben darzustellen. Immer nur lachen, man redet nur über angenehme Dinge. Sorgen hab ich lieber für mich behalten, denn ich wollte nie unser Bild nach aussen zerstören. Ich hätte niemals eine Schwäche zugegeben. So hab ich mir meine sorgenfreie Welt geschaffen, an die ich sogar geglaubt habe.
Meine Trennung war ein schwerer Schlag für mich, ich sah mein ganzes Leben zerstört und konnte nicht fassen, dass ich vor den Augen aller einfach kommentarlos ausgetauscht worden war. Ich hatte blind vertraut und das hat mir den Hals gebrochen. Ich war doch so geworden, wie er mich wollte.
Mit meinem Therapeuten habe herausgefunden, dass ich als Kind eine Form von Verlassensangst entwickelt habe. Mir nahestehende Personen (Vater Scheidung) lehnten mich auf einmal ab oder verschwanden aus meinem Leben ohne mir einen Grund zu nennen. Ich war im Zwiespalt: ich habe ihn geliebt und gleichzeitig dafür gehaßt. Aber die Schuld habe ich doch immer bei mir gesucht. Ich habe im späteren Leben immer versucht, niemandem einen Grund zu geben, mich zu verlassen. Dabei habe ich natürlich meine eigenen Bedürfnisse zurück gesteckt. Ich hatte auch mit niemandem reden können denn dann hätte ich ja öffentlich zugeben müssen, dass gar nicht alles so perfekt ist, wie ich es immer darstellen wollte. Ich musste es jedem Recht zu machen und habe mich selbst derartig unter Druck gesetzt, dass ich es manchmal selber kaum ertragen konnte. Daher auch das Gefühl, mir den Feierabend beweisen zu müssen.
Viele Gespräche mit meiner Familie und der meines Vaters haben ergeben, dass mein Vater, den ich früher so abgöttisch liebte, schon sehr früh Alkoholiker war. Viel früher, als ich angenommen hatte. Er hat mich zwar abgelehnt, weil er zum Schluß in jedem einen Feind sah, aber er hat wohl auch sehr darunter gelitten. Es war nicht meine Schuld. Traurigerweise hätte ich meine Erlösung schon eher bekommen können, wenn ich selbst Gespräche über meinen Vater zugelassen hätte. Er hatte mich verlassen, also habe ich alles abgeblockt, so wie ich generell nicht über Probleme gesprochen habe.
13. Welche Wirkung haben Sie in der Vergangenheit nach Alkoholgenuss bei sich beobachtet?
(bei wenig und bei viel Alkohol)
Bei geringen Mengen war das für mich die Erlaubnis, mich zu entspannen und frei zu haben. Ich wurde lockerer und fühlte mich wohlig und gut. Ich hatte immer viele kreative Ideen, die ich aber meistens nicht umgesetzt habe, denn wenn ich mehr getrunken hatte, wurde ich zu faul und zu betrunken. Ich war oft unkonzentriert und müde, weil ich abends nicht ins Bett gekommen bin. Mit einem Glas Wein habe ich auch gerne für mich alleine meine Probleme diskutiert. Ich war immer so lange wach, bis der Wein alle war.
Ich war hemmungsloser in meine Äusserungen, ich wurde über die Maßen emotional.