Warum ist es passiert?
21. Welche persönlichen Hintergründe gab es für den Cannabis- Drogenkonsum?
Über die Jahre gab es verschiedene. Ganz zu Anfang war es Neugier. Später dann zur gelegentlichen Entspannung. Noch viel später habe ich mich für stressige Zeiten nach abgeschlossenen Projekten damit belohnt. Zum Schluss habe ich mich betäubt, habe versucht, vor meinen Problemen, wie der Einsamkeit, zu fliehen, was natürlich nicht gelang. So habe ich dann die Kontrolle über meinen Konsum verloren, immer mehr konsumiert und schweren Missbrauch betrieben.
22. Wie hat sich Ihr Umfeld über Ihren Drogenkonsum geäußert?
Meine Familie wusste nichts von meinem Konsum, da ich nie darüber gesprochen habe. Gut möglich, dass sie es ahnten. Ebenso habe ich nie mit Kollegen darüber gesprochen. Meine Freunde wussten von meinem Konsum, aber die meisten wussten nicht von der Konsumintensität. Sie fanden Cannabiskonsum okay, fanden es nicht schlimmer, als Bier zu trinken. Meine beste Freundin war die Einzige, die im Bilde war über meinen regelmäßig gewordenen Konsum und meine Probleme. Sie empfand Cannabiskonsum nicht generell als schlimm, meinte aber, dass ich doch sehr viel konsumiere. (Daraufhin habe ich mich informiert und erstmals von Quit-the-shit gehört, mich aber zu dem Zeitpunkt noch nicht angemeldet.)
23. Gab es Ereignisse in Ihrem Leben, die zu verstärktem Konsum geführt haben?
Ja, die Einsamkeit und wenigen sozialen Kontaktmöglichkeiten, gerade auch um Weihnachten 2020. Da habe ich beinahe täglich konsumiert, außer wenn ich bei meiner Familie zu Besuch war. Dann insbesondere die Belastung durch die Freundin meiner Schwester, die mit dem Schlaganfall und der Todessehnsucht. Das hat mich bei jedem Kontakt sehr deprimiert und ich habe danach immer konsumiert. Dennoch konnte ich ihr meine Hilfe nicht verweigern, wenn sie mich bat bei Computerproblemen zu helfen. Das war ab Frühjahr 2021.
24. Haben Sie sich an Jemand um Hilfe gewandt, um den Drogenkonsum zu beenden?
(Warum, wann, wer?)
Nein, nicht vor der Kontrolle. Nach der Kontrolle wurde mir schlagartig bewusst, was ich da tue, habe dann sofort aufgehört und mich noch in der gleichen Woche bei einem Online-Programm (Quit-the-shit) angemeldet.
25. Gibt es in Ihrer Familie aktenkundige Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz oder Suchtkrankheiten?
Nein.
26. Hatten sie Konsumpausen/spitzen?
Warum? Wann?
Ja, ich hatte über die Jahre immer wieder Konsumpausen. Wenn ich merkte, dass der Konsum zu häufig wurde, habe ich pausiert. Ebenso, wenn ich den Kopf längere Zeit frei haben musste für die Arbeit oder Bewerbungen. Aber auch eine Freundin war mal der Grund für eine lange Konsumpause (2 Jahre).
Ab Mitte 2020 habe ich jedoch die Kontrolle über den Konsum verloren und schrittweise mehr konsumiert, bis ich zum Schluss fast täglich konsumiert habe: Nach der Arbeit zuhause, an den Wochenenden und im Urlaub auch schon am frühen Nachmittag.
27. Was hat Sie daran gehindert, ohne Droge abzuschalten?
Ich war unfähig, mit der Einsamkeit und mit Belastungen umzugehen. Ich hatte mich in mein Schneckenhaus zurückgezogen und ging weniger auf Menschen zu. Ich hatte dann oft Langeweile, war aber unfähig neue soziale Kontakte aufzubauen, war antriebslos und habe die entstandende Langeweile wieder für Konsum genutzt. Ich hatte ein paar Freunde, die aber wenig gesehen, wir standen meist aber über Messenger in Kontakt. Ich scheute mich aber aus Scham davor, über meine Probleme zu reden und wenn ich es doch tat, konnte mir keiner helfen. Was mir auch fehlte, waren persönliche Kontakte, die mir gut taten. Dazu muss man sagen, dass meine Freunde in anderen Städten wohnen und ich keine Freunde vor Ort hatte, mit denen ich regelmäßig etwas unternehmen konnte. Lediglich Bekannte, die ebenfalls konsumierten.
28. Waren Sie gefährdet in eine Drogenabhängigkeit zu geraten?
Ja. Ich hätte meine Probleme angehen sollen und mich nicht in den Cannabiskonsum flüchten sollen. Jeder, der konsumiert, kann abhängig werden.
29. Waren sie drogenabhängig?
Nein.
----------------------------------------------------------
Wieso passiert das nicht wieder?
30. Hätten sie, rückblickend, eine Drogenkarriere verhindern können?
Ja. Ich hätte meine Probleme anders angehen sollen, mich Freunden und Familie bezüglich dieser Probleme mehr anvertrauen sollen, darüber reden sollen, dass mir die Einsamkeit zu schaffen machte, ich antriebslos und freudlos war, dass mich die Todessehnsucht der Freundin mit dem Schlaganfall sehr belastet hat. Leider habe ich viel in mich hineingefressen und verdrängt, in Gesprächen nicht oder nur wenig von meinen Problemen gesprochen und mich stattdessen in den Cannabisrausch geflüchtet. Wie ich heute weiß, hätte ich mich sowohl meiner Familie, insbesondere meiner Schwester anvertrauen können. Ich hätte mir auch professionelle Hilfe suchen können.
31. Wieso haben Sie sich für eine Abstinenz entschieden?
Mir wurde schlagartig klar, was ich da anrichte, dass ich mich und sogar andere gefährde. Das wurde mir klar durch die Kontrolle, sowie Quit-the-shit. Ich habe dann meine Probleme reflektiert und erkannt, dass ich schweren Missbrauch betrieben habe, versucht habe, vor Problemen zu flüchten. Ich hatte keine Problemlösungsstrategie hatte, stattdessen nur den Rausch, der meine Probleme nur kurzzeitig gelindert, aber dann nur verstärkt hat, indem ich sozial träger und verschlossener wurde. Ich habe dann eine Entwicklung durchgemacht und erkannt, dass ich viel Positives in meinem Leben bewirken kann, wenn ich es nur tue, dass ich Wissen weitergeben kann, dass ich auf Menschen zugehen kann, eine Beziehung führen kann. Das fand ich alles erstrebenswert. Ich wollte mich nicht mehr in meinem Selbstmitleid suhlen und in den Rausch flüchten. Ich habe wieder gelernt, dass ich auch ohne Drogen abschalten und erholen kann, dass ich über Probleme reden kann und dass ich selbst einen erheblichen Einfluss auf mein Wohlempfinden habe. Außerdem habe ich mich Freunden und Familie offenbart und mit ihnen über meine Fehler und Probleme gesprochen, worauf sie positiv und hilfsbereit reagierten, was mich wiederum bestärkt hat. Ich habe mir Strategien überlegt, wie ich positiv auf mich einwirken und meine Abstinenz stabilisieren kann. Konkret habe ich mir Möglichkeiten geschaffen, mich zu erholen, mich körperlich und geistig zu fordern und Kontakte aufzubauen. Zur Erholung beschäftige ich mich in meinem Naturgarten, den ich eingerichtet habe. Der ist Balsam für die Seele, da ich mich dort beschäftigen und dabei abschalten und erholen kann. Ferner wandere ich viel in der Natur, zunächst wenige Kilometer in der Umgebung, heute auch lange Wanderungen, ob allein, zusammen mit Freunden oder meiner Freundin. Das Wandern ist Erholung und sportliche Betätigung zugleich, besonders im Gebirge. Zudem paddele ich gerne, entweder auf Kanu-Touren oder auf dem SUP am See. Falls der Winter kalt wird, werde ich ins Fitnesstudio gehen und etwas für meinen Rücken tun. Ferner fordere ich meinen Geist, indem ich technische Projekte realisiere, zum Beispiel zur Vogelstimmenerkennung, und mich weiterbilde, indem an Kursen zu IT-Themen online teilnehme, wodurch ich mich außerdem qualifizieren kann. Außerdem gebe ich Wissen weiter, indem ich als Dozent Kurse zu IT-Themen und Fotografie gebe. Damit kann ich zudem nebenher Geld verdienen und Kontakte knüpfen.
32. Beschreiben Sie den Punkt, an dem Sie sich für ein abstinentes Leben entschieden haben (Knackpunkt)
Es gab nicht den einen Knackpunkt, das waren mehrere Ereignisse und eine Entwicklung. Zum einen die Worte des Polizisten “Kiffen gut und schön, aber andere gefährden geht gar nicht”. Da ich Ersthelfer bin, hat mich das sehr getroffen. Mir war schlicht nicht bewusst, dass ich andere gefährde, hatte daran wegen meiner eigenen Probleme keinen Gedanken verschwendet. Die Kontrolle hat mir schlagartig mein Fehlverhalten und meine Probleme vor Augen geführt. Ich hatte anfangs natürlich gemischte Gefühle: ich habe mich geärgert, dass ich erwischt wurde, habe mich aber auch darüber geärgert, dass ich mich überhaupt so verhalten habe und andere gefährdet habe. Ich bin froh, dass niemand zu Schaden gekommen ist und ich nicht in einen Unfall verwickelt wurde, bei dem womöglich jemand verletzt oder gar getötet worden wäre. Nach der Kontrolle habe ich nie wieder konsumiert und werde es auch nicht. Durch die Teilnahme am Quit-the-shit-Programm habe ich weiter mein Verhalten reflektieren und analysieren können, so dass ich mir da bereits absolut sicher war, dass nur noch eine totale Abstinenz in Frage kommt.
33. Wieso kommt für Sie nur Abstinenz und nicht gelegentlicher Konsum in Betracht?
Ich habe gelernt, dass es immer Gründe für einen Konsum gibt, dass es insbesondere handfeste Gründe für einen Missbrauch gibt und dass Denkmuster zu Verhaltensmustern geführt haben, die ich letztlich nicht mehr will. Ich möchte mehr aus meinem Leben machen. Ich habe an mir gearbeitet und möchte weiter an mir arbeiten. Ich möchte mein Engagement ausbauen und Kurse an der VHS geben, Menschen etwas beibringen und auch private Projekte (Naturgarten, Artenschutz) weiter voran treiben. Zudem habe ich seit einiger Zeit eine Freundin. Der Konsum stand mir im Weg eine funktionierende Beziehung aufzubauen. Generell war der Konsum ein Hindernis bei sozialen Kontakten. Ich habe im Laufe des letzten Jahres wieder Kontakt zu vielen alten Freunden aufgenommen und außerdem neue Freunde gewonnen. Das alles möchte ich nicht gefährden. Mir gefällt mein neues Leben. Konsum, auch gelegentlicher, birgt immer die Gefahr, dass der Konsum wieder regelmäßiger wird und ich in alte Denkmuster und in Folge in alte Verhaltensmuster zurückfalle. Daher sage ich klar: Nein!
34. Wie haben Sie die Umstellung zur Abstinenz erlebt?
Anfangs habe ich schlecht geschlafen. In den ersten ein bis zwei Wochen habe ich hin und wieder an Konsum gedacht, wollte dem aber keinesfalls nachgeben, habe meine Gedanken in mein Tagebuch bei Quit-the-Shit geschrieben. Es gab auch positive Erlebnisse, die mich darin bestärkt haben, abstinent zu bleiben. So hatte ich einen klareren Kopf, war besser organisiert und habe meinen Alltag besser gemeistert. Ich habe mich dann zunehmend mit positiveren Dingen beschäftigt, u. a. habe ich Kontakt zu alten Freunden wieder aufgenommen. Außerdem konnte ich meine Probleme viel besser reflektieren. Ich habe gerade in der Umstellungsphase viel nachgedacht.
35. Wer hat Ihnen dabei wie geholfen?
Meine Familie und meine Freunde - darunter auch alte Freunde, die ich wieder kontaktiert habe - denen ich mich nach dem Ereignis offenbart habe. Ich hatte nicht mit so viel Verständnis und Unterstützung gerechnet, zumal ich zu den alten Freunden Jahre lang keinen Kontakt hatte. Außerdem hat mir Quit-the-shit sehr geholfen.
36. Wie reagiert Ihr Umfeld auf diese Umstellung?
Durchweg positiv! Familie und Freunde fanden es gut, dass ich nun abstinent war und dabei bleiben wollte. Auch meine Schwester hat mir geholfen, hat mir angeboten jederzeit mit Problemen zu mir zu kommen.
37. Haben Sie nach der Auffälligkeit weiterhin Kontakt zu Ihren Drogenbekannten gehabt?
Nein, ich habe jeglichen Kontakt zu Konsumenten abgebrochen. Das waren ja keine richtigen Freunde, sondern “Zweckbekanntschaften”. Das wurde auch so hingenommen. Auch von dem Nachbarn, mit dem ich damals ja häufiger verkehrt habe und von dem ich Cannabis bezogen habe. Ich sagte ihm, dass ich in eine Kontrolle geraten bin und keinen Konsum und Kontakt mehr möchte, was er akzeptierte. Der ist dann auch weg gezogen bzw seine Wohnung wurde ihm gekündigt.
38. Haben Sie nach Ihrer Auffälligkeit miterlebt, wie Ihre Bekannten Drogen konsumiert haben?
Nein, ich habe nur ein Mal noch den Nachbarn offensichtlich berauscht gesehen, als ich den Kontakt abgebrochen habe. Andere Kontakte habe ich schlicht nicht mehr aufgesucht und die mich auch nicht.
39. Wie haben Sie in Zukunft vor mit Cannabis/dem Konsum umzugehen?
Ich werde definitiv abstinent bleiben, da ich damit bislang sehr gute Erfahrungen gemacht habe und mein Leben in vielerlei Hinsicht viel besser geworden ist. Ich gebe inzwischen Kurse an der VHS, habe einen Naturgarten gestaltet, habe neue Freunde gewonnen und auch den Kontakt zu alten Freunden wieder aufgenommen. Außerdem habe ich inzwischen eine Beziehung. Ich habe viele Aktivitäten, zu denen ich mich vorher nicht aufraffen konnte. Das bedeutet mir alles sehr viel.
40. Haben Sie zu Hause Cannabis?
Nein.
41. Wie wollen Sie es gegebenenfalls in Zukunft verhindern, nochmals unter Drogeneinfluss ein KFZ zu führen?
Das wird nicht mehr passieren. Zum einen, weil ich erkannt habe, dass ich damit mich und andere gefährde. Zum anderen, weil ich abstinent bleiben möchte und Strategien entwickelt habe, um Problemen zu begegnen und auf Drogenkonsum zu verzichten. Die Strategien bestehen darin, dass ich gezielt an meinen sozialen Kompetenzen arbeite, alte Freunde wieder kontaktiert habe und neue Kontakte knüpfe, ferner habe ich Beschäftigungsmöglichkeiten gesucht und gefunden, die mir ermöglichen abzuschalten und mich zu erholen, mich körperlich und geistig zu beschäftigen.
42. Wie wollen Sie einen beginnenden Rückfall erkennen?
Darüber habe ich mir viele Gedanken gemacht. Ich habe verschiedene Szenarien durchgespielt, von einer Kündigung bis zu einer Trennung von meiner Freundin, Streit mit Freunden oder auch den möglichen Tod von Familienmitgliedern oder engen Freunden. Ich bin heute wesentlich stabiler und widerstandsfähiger, weil ich nun viele Kontakte und Aktivitäten habe, die mich körperlich und geistig fordern oder auch helfen, mich zu entspannen und abzuschalten. Meine Umgangsweise mit Probleme jeder Art ist heute völlig anders, ich packe sie an den Hörnern und verkrieche mich nicht in mein Schneckenhaus, verfalle nicht mehr in Selbstmitleid. Dadurch verhindere ich, dass ich in alte Denkmuster zurückfalle, die dann zu Konsum führen könnten.
43. Wie ist derzeit der Konsum von Alkohol bei Ihnen?
Ich trinke hin und wieder ein oder zwei Bier oder auch ein Glas Rotwein zu passenden Anlässen, also zu einem guten Essen mit Freunden oder bei Feierlichkeiten. In etwa 2x im Monat.