@Nico1990 Wenn man mal ehrlich ist, dann war es nicht nur die CDU/CSU, denn auch die SPD waren lange in der Regierung (große Koalition) und unter Schröder gab es die rot-grüne Regierungskoalition. Passiert ist wenig, zumindest im Hinblick auf eine Legalisierung. Ich habe ehrlich gesagt auch keine große Lust über Politik zu diskutieren, da kommt in der Regel sowieso nichts bei herum, außer Grabenkämpfe. Daher will ich mich da auch mal zurückhalten. Das Letzte, was die Legalisierungsdebatte brauchen kann, sind solche Nebenkriegsschauplätze, wo man dann plötzlich über den Klimawandel diskutiert. Beschränken wir uns lieber auf Drogen, Cannabis, geregelte Freigabe, Grenzwerte und Auswirkungen auf die Fahreignung.
Einer der Wissenschaftler aus Europa, der sich schon früh mit den Auswirkungen von Drogen beschäftigt hat, ist David Nutt, ein Psychopharmakologe. In der folgenden Grafik werden verschiedene Drogen und ihr Abhängigkeitspotenzial und ihr physisches Schadenspotenzial eingeordet:
Wie man sieht, ist unter anderem Alkohol, Barbiturate, Kokain und Heroin gefährlicher, sowohl in Bezug auf Sucht und Schaden. Quelle: D. Nutt, L. A. King, W. Saulsbury, C. Blakemore:
Development of a rational scale to assess the harm of drugs of potential misuse. In:
The Lancet. Band 369, Nummer 9566, März 2007, S. 1047–1053
Interessant ist auch das folgende Diagramm, welches das Eigenschädigungs- und Fremdschädigungspotenzial verschiedener Drogen zeigt:
Das bei weitem höchste Potenzial für Fremd- und Eigenschädigung hat demnach Alkohol, dicht gefolgt von Heroin. Cannabis ist erst auf dem 8. Platz (geordnet nach Eigenschädigung), noch hinter Tabak. (David J. Nutt, Leslie A. King, Lawrence D. Phillips: Drug harms in the UK: a multicriteria decision analysis. In: The Lancet. Band 376, Nr. 9752, 6. November 2010, S. 1558–1565,)
In einer amerikanischen Studie mit 9000 Teilnehmern wurde keine Erhöhung der Unfallgefahr (population based crash risk) in Verbindung mit THC festgestellt.
Drivers testing positive for THC were overrepresented in the crash-involved (case) population. However, when
demographic factors (age and gender) and alcohol use were controlled, the study did not find an increase in population-
based crash risk associated with THC use.
Quelle:
www.nhtsa.gov/staticfiles/communications/pdf/CrashRiskStudy-Exec-Sum_020615.pdf
Ich muss zwar sagen, dass ich kein Freund von Vergleichen mit Übersee bin, aber das hauptsächlich, weil es kulturelle und gesellschaftliche Unterschiede zu Europa gibt, gerade wenn es um das Konsumverhalten vor dem Hintergrund völlig anderer Gesetzgebung geht. Das ist hier aber ja nicht der Fall, da geht es einfach um die Wirkung von THC und die Auswirkung auf eventuelle Crashs. Afaik gibt es auch eine deutsche Studie dazu, aber die habe ich gerade nicht parat.
Es gibt natürlich haufenweise Studien aus verschiedenen Ländern zu allen möglichen Themen, auch zu "Cannabis als Medizin" und "Cannabis und Fahreignung". Die kann man unmöglich alle hier aufführen. Leider muss man auch sagen, dass viele Jahre kaum zu bestimmten Themen geforscht wurde, was es Kritikern der Legalisierung besonders leicht machte, da man alles mögliche behaupten kann und es nicht widerlegt werden kann.
Die Seite drugscom.de berichtet von einer Studie, die das zwar schon anders sieht, aber wonach man doch zumindest sagen kann, dass Alkohol im Straßenverkehr ein deutlich größeres Problem ist, als Cannabis. Hervorhebungen durch mich.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Französischen Forschungsinstitut für Verkehr und Verkehrssicherheit (INRETS) in Bron Cedex sind dieser Frage an einer Stichprobe von fast 11.000 Fahrerinnen und Fahrern nachgegangen, die zwischen 2001 und 2003 in einen Verkehrsunfall mit tödlichem Ausgang verwickelt waren. Bei fast neun Prozent der Personen wurde mittels Blutuntersuchung festgestellt, dass sie vor dem Unfall gekifft hatten bzw. noch unter dem Einfluss von Cannabis standen. 94 Prozent der bekifften Unfallverursacher waren Männer und 61 Prozent unter 25 Jahren.
Die Untersuchung ergab, dass das Risiko, einen tödlichen Unfall zu verursachen, um durchschnittlich 78 Prozent steigt, wenn beim Fahrer oder bei der Fahrerin Cannabis nachgewiesen werden konnte. Dabei konnte eine dosisabhängige Wirkungsbeziehung festgestellt werden: Je mehr Cannabis im Blut nachweisbar war, desto wahrscheinlicher ist das Risiko, einen Unfall zu verursachen. Insgesamt gehen 2,5 Prozent aller Autounfälle mit tödlichem Ausgang auf das Konto von Cannabis.
Einen noch größeren Risikofaktor stellt Alkohol dar. In fast 29 Prozent aller tödlichen Verkehrsunfälle war Alkoholkonsum im Spiel. Im Durchschnitt erhöht sich die Gefahr, einen tödlichen Autounfall zu verursachen, um über 750 Prozent.
Die Studie ist in dem Artikel auch verlinkt, daher poste ich den nicht noch extra:
https://www.drugcom.de/news/erhoehtes-risiko-fuer-toedlichen-verkehrsunfall-nach-cannabiskonsum/
Das bedeutet natürlich nicht, dass man die Konsumenten bekifft fahren lassen sollte! Dennoch sollte man mal etwas auf den Teppich kommen, was die Folgen selbst für geringe Cannabisverstöße betrifft. Meiner Meinung nach wird das Verwaltungsrecht hier als "Ersatzstrafrecht" missbraucht: Wenn man die Konsumenten nicht über das Strafrecht dran kriegt, dann wenigstens über das Verwaltungsrecht. Es ist in diesem Zusammenhang übrigens auch sehr interessant, dass die Grenzwertkommission schon vor Jahren eine Erhöhung des THC-Grenzwertes auf 3 ng/ml empfohlen hat, was eine Erhöhung um satte 300% betrifft. Oder weniger plakativ: Eine Verdreifachung. Warum taten die Experten der Grenzwertkommission das? Weil unter 3 ng/ml THC im Blutserum eine Auswirkung auf die Fahreignung ausgeschlossen ist. Man kann es zwar feststellen, aber man ist nicht "bekifft" oder "high", sondern nüchtern. Allerdings kann die Grenzwertkommission nur Empfehlungen aussprechen. Die Politik ist der Empfehlung aber nicht nachgekommen. Daher kann man mit Fug und Recht behaupten, dass unser derzeitiger Grenzwert für Cannabis nicht auf wissenschaftlichem Fundament steht, sondern sich bewusst über die Expertenmeinungen hinweggesetzt hat. Streng nach dem Motto: "Sicher ist sicher, verbrennen wir die mutmaßliche Hexe".
www.anwalt.de
In einem Artikel eines Anwalts von 2018 heißt es:
Die Unsicherheit ergibt sich daraus, dass die sogenannte Grenzwertkommission empfohlen hat, den Grenzwert bei 3,0 ng/ml THC (Tetrahydrocannabinol, man versuche dies fehlerfrei auszusprechen) anzusetzen. Hintergrund ist, dass der bisherige Grenzwert von 1,0 ng/ml THC nach Angaben der Kommission auch nach mehrtägiger Abstinenz, also dem Nichtgebrauch von Cannabis, erreicht werden kann.
Der Abbau von THC erfolgt also sehr langsam, anders als bei Alkohol. Dies ist vielen Mandanten oftmals nicht bekannt.
Und was sagen Gerichte dazu?
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW hat in 3 Entscheidungen am 15.03.2017 hierzu klar Stellung bezogen. Mit den Entscheidungen 16 A 432/16; 16 A 550/16, 16 A 551/16, alle vom 15.03.2017, hat sich das OVG gegen den Vorschlag der Kommission, von einem Grenzwert von 3,0 ng/ml auszugehen, entschieden.
Es verbleibt also bei dem bisherigen Grenzwert von 1,0 ng/ml THC. Dies dürfte wohl auch für alle anderen Veraltungsgerichte gelten bzw. diese werden dies ähnlich sehen.
Quelle:
https://www.anwalt.de/rechtstipps/s...rt-bei-cannabiskonsumthc-was-gilt_127959.html
Okay, verbrennen geht nicht mehr, das Strafrecht will (meist) auch nicht mehr mitziehen, also über das Verwaltungsrecht. Schon bei geringen Cannabisverstößen droht eine MPU mit all ihren Folgen und Kosten. Menschen verlieren zum Teil ihre Jobs, aber alle müssen mit erheblichen Kosten rechnen: für Vorbereitung, MPU und allem, was dazu gehört. Da sind wir dann auch schnell im vierstelligen Bereich. Wenn man dann noch den Verdienstausfall und Kosten für Bahn und Taxi rein rechnet, dann ist man auch schnell im fünfstelligen Bereich, je nach Job vielleicht sogar im sechsstelligen Bereich. Und das alles nur, weil man mit vielleicht 1,1 ng/ml THC im Blutserum erwischt wurde und aus Unwissen gesagt hat, dass man hin und wieder Cannabis konsumiert. Oder weil man Cannabis oder Utensilien im Auto transportiert.
Ist fraglich, warum man das nicht anders handhabt. Wer zwischen 1 und 3 ng/ml THC im Blutserum erwischt wird, der ist sowieso nicht berauscht. Wie ich selber erfahren habe, werden einem Ausfallerscheinungen auch gern mal angedichtet und aus Zigarettenkippen von Selbstgedrehten im Aschenbecher werden dann ohne Laboruntersuchung einfach Jointstummel. Aber nun gut. Statt nun eine MPU zu fordern, könnte man auch einfach mal ein Bußgeld erteilen oder einige Zeit den Führerschein entziehen. Auch die Tatsache, dass man auch nach einer Auffälligkeit mit Cannabis erst mal Monate lang weiter am Straßenverkehr teilnehmen darf, spricht ja nicht gerade für eine hohe Gefährlichkeit von Cannabiskonsumenten.
Außerdem halte ich es für ein Unding, wie sehr sich eine regelrechte MPU-Industrie die Taschen voll macht: MPU-Beratung, Verkehrstherapeuten, die MPI, Labore, sie alle verdienen recht gut daran, dass im Grunde nüchterne Autofahrer eine MPU machen müssen, nur weil sie vorgestern einen Joint geraucht haben und dann kontrolliert wurden. Für unverbesserliche Wiederholungstäter mag eine MPU ja sinnvoll sein, aber gewiss nicht für Menschen, die mit 1,1 ng/ml im Blut erwischt werden. Und auch bei 15 ng/ml bei der ersten Auffälligkeit erscheint mir eine MPU schon stark überzogen, da kann auch ein Bußgeld oder im Widerholungsfall einmonatiger Führerscheinentzug völlig ausreichend sein.